Verbot für Diesel und Benziner ab 2035?: Scharfe Kritik an Plänen der Berliner Verkehrssenatorin
Grünen-Verkehrssenatorin Regine Günther will Verbrennungsmotoren stadtweit verbieten. Das stößt auf massive Kritik.
Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) will mit Diesel und Benzin betriebene Autos ab 2030 aus der Innenstadt und ab 2035 sogar komplett aus der Stadt verbannen. Das geht aus einer Vorlage für den Senat hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Die Vorlage ist Ergebnis der sogenannten Klimanotlage, die der Senat Anfang Dezember beschlossen hatte. Günther war aufgefordert worden, bis Mitte Januar einen Zeit- und Maßnahmenplan vorzulegen, wie die Klimanotlage mit Inhalt gefüllt werden soll. Dem kam die Senatorin jetzt nach.
Der ADAC Berlin-Brandenburg kritisierte am Dienstag, diese „überzogene Forderung“ verunsichere sowohl Berliner Autofahrer als auch Hunderttausende Pendler aus dem Umland. „Welche Alternativen stehen Autofahrern zur Verfügung? Der ÖPNV stößt schon jetzt an seine Leistungsgrenze“, so Volker Krane, Vorstand für Verkehr im ADAC. „Pendler haben kaum Möglichkeiten, ihr Auto am Stadtrand abzustellen.“ Ein Verbot allein könne die Verkehrsprobleme in der Hauptstadt nicht lösen.
Der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner bemerkte: „Ein Verbot des Verbrennungsmotors bis 2030 ist unsozial, unrealistisch und unverantwortlich.“ Der Verbotsplan gehe vollkommen an der Lebensrealität von Hunderttausenden von Berlinerinnen und Berlinern vorbei. „Viele Normal- und Geringverdiener können sich auf absehbare Zeit kein emissionsfreies Auto leisten.“
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FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kritisierte den „einseitigen Kampf gegen das Auto“ aufseiten der Grünen. „Die Autofahrer immer weiter zu bestrafen, wird nur noch mehr Zorn zwischen allen erzeugen.“ Wichtig seien stattdessen unter anderem eine bessere Verkehrslenkung und der Ausbau des ÖPNV.
Auch der Koalitionspartner SPD hält den Plan für unrealistisch
Kritik kam selbst vom Koalitionspartner SPD. Deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, Jörg Stroedter, nannte die Vorstellungen der Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) und die angepeilten Fristen für ein Verbot von „Verbrennern“ in der RBB-„Abendschau“ unrealistisch.
Schon allein eine ausreichende Ladesäulen-Kapazität für Elektroautos sei in diesem Zeitraum nicht zu schaffen. Gleichzeitig betonte Stroedter jedoch: „Politik besteht aus Kompromissen.“ Und so werde auch bei diesem Thema einer gefunden. Beraten werden soll Günthers Vorschlag während der Senatssitzung am kommenden Dienstag. Eine in der Woche zuvor geplante Behandlung hatten die Koalitionäre vertagt. Erstens hatte es noch Beratungsbedarf zu der Vorlage gegeben. Zweitens trafen sich die Senatsmitglieder mit Vertretern der evangelischen Kirchen in Berlin. Da hätte das kontroverse Thema kaum gepasst.
Autos spielen bei Günthers Verkehrswende eine untergeordnete Rolle
Mit ihrem Vorschlag gestaltet Günther eine erstmals im Februar 2019 ausgesprochene Forderung, die Berliner mögen ihr Auto abschaffen, auch inhaltlich aus. Die Verkehrssenatorin hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass Autos in ihrer Vision der Verkehrswende nur eine untergeordnete Rolle spielen. Alternativen wie das Radfahren oder die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sollten gestärkt werden, erklärte Günther häufig. Ausgerechnet dort, beim Umbau der Rad-Infrastruktur sowie beim Ausbau der ÖPNV-Kapazitäten, hakt es derzeit aber gewaltig.
Beim Koalitionspartner SPD trifft Günther mit ihrem Vorschlag - wenn auch mit Einschränkungen - auf Zustimmung. "Sehr ambitioniert, aber wirklich realistisch", nannte Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, den Vorschlag Günthers. Später schwächte er seine Aussage ab. Ob der Vorschlag realistisch sei, werde man sehen. Er plädierte jedoch dafür, zuerst die Alternativen zum Auto, allen voran den ÖPNV, attraktiver zu gestalten. "Wir müssen massiv investieren", erklärte Schopf mit Blick auf BVG und S-Bahn, die beide schon heute teilweise an ihre Kapazitätsgrenze kämen.
Dann hat Frau Günther sicher auch schon ein abgestimmtes Konzept, wie bis 2030 die Kapazität des ÖPNV mindestens verdoppelt wird und wie ansonsten mindestens die Hälfte der heutigen Autofahrer bis 2030 problemlos E-Autos fahren können, es also eine flächendeckende Infrastruktur mit Ladesäulen gibt.
schreibt NutzerIn Gophi
Schopf wiederholte seine Aussage vom Montag, als er den Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller für die Einführung eines 365-Euro-Tickets abgeschwächt hatte: "Wir dürfen nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen", sagte Schopf und warnte davor, Erwartungen zu wecken, die sich am Ende nicht erfüllen ließen.
SPD: City Maut mit uns nicht zu machen
Darüber hinaus erteilte er einer von Günther als Finanzierungsmodell für den ÖPNV-Ausbau erwähnten City-Maut eine Absage. "Das ist mit uns nicht zu machen", erklärte Schopf. Gelder, die für die Kontrolle einer Einfahrgebühr für die Innenstadt ausgegeben werden müssten, sollten besser direkt investiert werden. Zustimmend äußerte sich Schopf zu Überlegungen, die Parkraumbewirtschaftung erstens auszubauen und zweitens die Gebühren innerhalb der Zonen zu erhöhen. "Das ist in anderen Städten deutlich teurer", sagte Schopf. Spielraum sei vorhanden.
Für die Linksfraktion äußerte sich Kristian Ronneburg, Mitglied im Verkehrsausschuss, zu den Plänen Günthers. Ronneburg bekannte sich zum Ziel des Senat, den motorisierten Individualverkehr aus der Innenstadt zu drängen. Er schränkte ein: „Das ist auch eine sozialpolitische Frage. Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, sich ein E-Auto zu kaufen, werden ausgeschlossen.“
Der Linken-Politiker sprach sich dafür aus, geplante autofreie Zonen wie jene im Kreuzberger Wrangelkiez nach ihrer Einrichtung auszubauen. Diese müssten durch die Bürger vor Ort initialisiert und nicht „von oben herab“ verordnet werden, erklärte Ronneburg.
Genau wie Grüne und SPD sprach sich der Linken-Politiker dafür aus, die Parkraumbewirtschaftung auszuweiten und die Preise für Anwohnerparkausweise anzuheben. Beim Thema City Maut zeigte sich Ronneburg zurückhaltend, wollte die Option zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht ausschließen.
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Für die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus übte Oliver Friederici scharfe Kritik am Vorstoß Günthers: "Fahrverbote bereits ab 2030 kann nur einer fordern, wer die Berliner Wirklichkeit nur aus dem Dienstwagen kennt", erklärte der verkehrspolitische Sprecher seiner Fraktion. Berlins Nahverkehr habe sich nach drei Jahren Rot-Rot-Grün "zum Krisenfall entwickelt", Busse und Bahnen seien überlastet, Pendler-Parkplätze würden nicht ausgebaut und auch der Ausbau der Lade-Infrastruktur komme nicht voran. Die Pläne Günthers seien "weder durchdacht, noch überzeugend", sagte Friederici und forderte unter anderem den Ausbau des Nahverkehrs.