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„Ich glaube, dass Berlin für so etwas genau der richtige Standort ist“, sagte Müller (SPD) über das 365-Euro-Ticket.
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Update

Jahresauftakt im Roten Rathaus: Müller will Bundesförderung für 365-Euro-Ticket

Der Regierende Bürgermeister will weiterhin die 365-Euro-Jahreskarte für den Berliner Nahverkehr. Am Zeitpunkt gibt es Kritik aus der eigenen Partei.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält an seinen Plänen für ein 365-Euro-Ticket im öffentlichen Personennahverkehr fest und trifft damit auf Widerspruch aus der eigenen Partei. Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte dem Tagesspiegel, er sehe einen solchen Vorschlag zum jetzigen Zeitpunkt „kritisch“.

Der Sanierungsbedarf bei BVG und S-Bahn sei zu groß, um ernsthaft über eine Halbierung des Preises für das Jahresticket zu diskutieren, sagte Schopf. Angesichts des aufgestauten Sanierungsbedarfs müsse jeder Euro in neue Fahrzeuge, mehr Personal und den Netzausbau fließen, forderte der Verkehrspolitiker.

Erst wenn diese „Hausaufgaben“ erledigt seien, könne ernsthaft über die Einführung eines 365-Euro-Tickets diskutiert werden. „Wir können nicht den dritten vor dem ersten Schritt machen“, erklärte Schopf. Anlass für die Kritik war ein Schreiben Müllers an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), das dem Tagesspiegel vorliegt.

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In dem Schreiben kündigte der Regierungs-Chef an, die Hauptstadt an der Bewerbung um Fördermittel für die Einführung eines 365-Euro-Tickets zu beteiligen. Anlässlich seiner Pressekonferenz zum Jahresauftakt hatte Müller am Montag erklärt: „Mobilität soll eine Entlastung darstellen für die Berliner, das 365-Euro-Ticket spielt dabei eine Rolle.“

Er glaube, „dass Berlin für so etwas genau der richtige Standort ist“, sagte der Senats-Chef und verwies auf das am 10. Januar an Scheuer verschickte Schreiben. Müller schreibt darin, sein erstmalig im Sommer 2019 geäußerter Vorschlag habe „eine große Resonanz und eine dynamische Debatte in der Stadtgesellschaft“ hervorgerufen.

Das zeige, „wie wichtig derartige Impulse für die Zukunft der Mobilität aktuell sind“, schrieb Müller. Am Montag räumte er auf Nachfrage ein, sich für den Brief keinen Senatsbeschluss eingeholt zu haben. Seiner Darstellung zufolge ist das 365-Euro-Ticket im Senat aber „nicht strittig“.

Das Land Berlin sei „schon sehr nah dran an der Finanzierung des Projekts aus eigener Kraft“. Wenn der offizielle Startschuss gegeben wird, soll das Thema im Senat besprochen werden. Dass er dafür auch in den eigenen Reihen um Unterstützung werben muss, zeigt der Einwand von Schopf.

Müller will verlängerte U-Bahn-Linien

Zwar hatte sich die Berliner SPD auf ihrem Parteitag im November 2018 grundsätzlich zur Einführung eines deutlich günstigeren Jahrestickets bekannt. Auf einen Zeitplan legten sich die Genossen jedoch nicht fest. Klar ist: Schon heute kommen die Fuhrparks von BVG und S-Bahn an ihre Grenzen.

Steigen die Fahrgastzahlen, droht ein Kollaps. Müller und der SPD fiele das deutlich günstigere Ticket auf die Füße. Entschlossen zeigte sich Müller beim Thema U-Bahn-Ausbau. „Wir werden nochmal eine Initiative starten für die Erweiterung des U-Bahn-Ausbaus“, erklärte er und ergänzte, das Thema habe bereits in den vergangenen Senatssitzungen eine Rolle gespielt.

Bevor man durch massive Preissenkungen oder gar einen Gebührenverzicht einen Ansturm auf eine Leistung auslöst, muss man erst sicherstellen, dass die Leistung auch in vertretbarer Qualität erbracht werden kann, wenn sie plötzlich von mehr Bürgern abgerufen wird.

schreibt NutzerIn Sokratis

„Ich möchte die Machbarkeitsstudien sehen“, sagte der Regierungs-Chef mit Blick auf die von der Verkehrsverwaltung in Auftrag gegebenen Studien über die Verlängerung einzelner U-Bahn-Linien. Konkret schweben den Sozialdemokraten – auch Schopf – die Verlängerung der Linien U3 bis zum S-Bahnhof Mexikoplatz, der U8 bis ins Märkische Viertel sowie der U2 bis nach Pankow Kirche vor.

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Er gehe „fest davon aus, dass es an zwei oder drei Stellen Sinn macht und wir dann auch vorankommen“, sagte Müller im Wissen darüber, damit bei den Koalitionspartner auf Widerstand zu stoßen. Grüne und Linke wollen das Straßenbahnnetz ausbauen. Das geht erstens schneller und kostet zweitens weniger Geld.

Die SPD und ihr Landes-Chef halten am Ziel U-Bahn-Ausbau fest, auch wenn dieser nicht Teil des Koalitionsvertrages ist – anders als der Straßenbahn-Ausbau.

Allgemein warb Müller mit Blick auf das in diesem Jahr anstehende 100-jährige Jubiläum Groß-Berlins darum, das Wachstum der Stadt als Chance und Ansporn und nicht als Belastung zu begreifen. Der Anspruch der 20er Jahre sei es gewesen, eine gute und lebenswerte Stadt zu organisieren. „Ich habe den Anspruch, diese Stadt immer weiter zu entwickeln, Chancen zu sehen und zu nutzen“, erklärte Müller und nannte als Beispiel den Bereich der Digitalisierung.

„Wir müssen diese Entwicklung begleiten, es sind Chancen“, erklärte Müller unter anderem mit Blick auf die geplante Errichtung des neuen Herzzentrums auf dem Gelände des Virchow-Klinikums. „Das wird das digitale Herzzentrum der Welt werden“, erklärte Müller und rief die Berliner dazu auf, nicht nur zuzugucken, sondern Vorarbeiter für Zukunft zu sein.

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