Berlins Verkehrssenatorin: "Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen“
Berlin, eine Stadt ohne Autos? Langfristig will Regine Günther diesen Weg gehen. Die "autogerechte Stadt" will sie abschaffen.
Stauhauptstadt Berlin: In keiner anderen deutschen Stadt verloren Autofahrer im Jahr 2018 so viel Zeit wie in Berlin, im Schnitt 154 Stunden - das sind sechs volle Tage. Angesichts dieser Zahlen und chronisch überlasteter Straßen fordert Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) Autofahrer dazu auf, sich von ihren Pkw zu trennen.
„Wir möchten, dass die Menschen ihr Auto abschaffen“, sagte Günther am Mittwoch in einer Rede zur Zukunft der Mobilität in Berlin. Statt mit dem Auto sollten die Menschen künftig mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder in gemeinsam genutzten Fahrzeugen von Sharing-Anbietern ihre Alltagswege zurücklegen. „Je weniger Autos auf der Straße, desto mehr Platz für jene, die wirklich auf das Auto angewiesen sind“, sagte Günther weiter und bezog sich unter anderem auf Unternehmer, denen die aktuelle Lage auf den Straßen massiven wirtschaftlichen Schaden verursacht.
Ein Fahrrad hat sowieso jeder im Keller und die BVG ist ein Angebot, für diejenigen, die sie nutzen wollen oder müssen. Aber sofern nicht finanzielle Motive ausschlaggebend sind, schafft doch niemand ein vorhandenes Auto ab, um anschließend auf den Bus angewiesen zu sein.
schreibt NutzerIn mcgyver
Günther, die einer Einladung der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU gefolgt war, erklärte weiter: „Das alte Mobilitätskonzept der autogerechten Stadt stößt an seine Grenzen.“ Die momentan in der Stadt durch Fahrzeuge blockierten Flächen sollten für andere Zwecke wie den Wohnungsbau oder Grünflächen genutzt werden. Mehr Fahrzeuge vertrage Berlin nicht, sagte Günther weiter.
Mit Blick auf den tags zuvor beschlossenen Nahverkehrsplan erläuterte sie das Ziel, dem ÖPNV künftig den Vorrang einzuräumen. Mit der vorgesehenen Investition von 28 Milliarden Euro sollen die Flotten von S- und U-Bahn deutlich vergrößert, Strecken ausgebaut und eine höhere Taktung auf die Strecken gebracht werden.
Zudem soll der Busverkehr bis 2030 komplett elektrisiert werden. Ein zentrales Ziel Günthers angesichts der hohen Stickoxid-Werte an einzelnen Hauptverkehrsstraßen der Stadt. Sie wagte die Prognose: "Der Verbrennungsmotor hat ausgedient und wird sehr schnell ersetzt werden."
Freiwillige Nachrüstungen für Lkw
Um Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen – 2018 machten beide Gruppen rund die Hälfte der 45 Verkehrstoten in der Stadt aus – warb Günther für ein freiwilliges Bündnis der Mittelständler und Spediteure zur Nachrüstung ihrer Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten.
Angesichts komplizierter Gesetzgebungsverfahren müssten Lkw auch ohne gesetzliche Verpflichtung nachgerüstet werden, „um zu verhindern, dass weiterhin Fahrradfahrer wegen mangelnder Ausstattung der Fahrzeuge getötet werden“, so Günther. Zuvor hatte sie erklärt: „Fahrradtote durch rechtsabbiegende LKW sind keine Unfälle mehr, es sind Standardsituationen.“
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