Klimanotlage in Berlin beschlossen: Senatskanzlei-Chef kritisiert „Showaktion“ der Umweltsenatorin
Als erstes Bundesland verhängt Berlin eine Klimanotlage. Im Januar soll Umweltsenatorin Günther einen ersten Maßnahmenkatalog vorlegen.
In Berlin gilt ab sofort die Klimanotlage. Darauf haben sich die Mitglieder des Senats in ihrer Sitzung am Dienstagvormittag geeinigt. Nachdem die Verabschiedung der von Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) eingebrachten Vorlage in der Woche zuvor vertagt werden musste, gab nun auch die Senatskanzlei unter Leitung von Christian Gaebler (SPD) ihre Zurückhaltung auf und zeichnete den Vorschlag mit.
Damit stehen künftig alle Entscheidungen der Landesregierung unter einem sogenannten Klimavorbehalt. Berlin ist das erste Bundesland, das diesen Schritt geht.
Für die Vertagung wiederum waren Unstimmigkeiten in Günthers Verwaltung verantwortlich gemacht worden. Dieser war es nicht gelungen, alle Mitglieder des Senats mit der aktuellen Version der Vorlage auszustatten - inklusive der eigenen Senatorin. Dementsprechend hatte keine inhaltliche Erörterung des Vorschlags stattgefunden.
Während Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Schritt am Dienstag als Signal bezeichnete, in Sachen Klimaschutz noch deutlich mehr erreichen zu wollen, schwelt hinter den Kulissen der Streit über die Unterfütterung der Notlage-Erklärung mit konkreten Maßnahmen weiter.
Auf Twitter polterte Gaebler noch während der laufenden Sitzung des Senats gegen die Ausrufung der Klimanotlage und bezeichnete das Vorgehen Günthers als „reine Show“ und „Showaktion“. Ähnliche Vorwürfe der Symbolpolitik hatte es bereits im Vorfeld gegeben.
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Gaebler warf der Grünen-Politikerin vor, in ihrer Vorlage für das Ausrufen der Klimanotlage „keine konkreten neuen Maßnahmen“ zu nennen und bereits beschlossene Maßnahmen nicht ausreichend abzuarbeiten. „Hier müssen wir die Prioritäten setzen und konkret werden und liefern“, forderte Gaebler via Twitter.
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Ähnlich äußerte sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). „Wir müssen nochmal mehr Anstrengungen unternehmen“, erklärte der Regierungschef und nannte als Beispiel den schleppenden Ausbau des Straßenbahnnetzes oder die Schaffung neuer Radwege. „Es ist entscheidend, dass wir mit unseren bereits beschlossenen Projekten schneller vorankommen“, sagte Müller und fügte hinzu, dass es darüber im Senat „großes Einvernehmen“ gegeben habe.
Weniger einig waren sich die Beteiligten in der Frage, welchem Ziel der Kohlendioxid-Reduktion sich die Koalition tatsächlich verschreiben sollte. Während Günther vorgeschlagen hatte, den Wert von derzeit 85 Prozent Reduktion bis 2050 auf 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu erhöhen, einigte sich die Koalition am Ende auf „mehr als 85 Prozent“.
Niederlage für die Umweltsenatorin
Eine Niederlage für die Umweltsenatorin, die sich ein klimaneutrales Berlin bis 2050 wünscht. „Das war nicht konsensfähig“, kommentierte sie mit Blick auf den Zielkorridor. Die Erklärung der Klimanotlage bezeichnete sie darüber hinaus als „bedeutenden Schritt“ und kündigte an, konkrete Maßnahmen würden „schnell folgen“. Diese würden in einer Novelle des Energiewendegesetzes festgesetzt, hieß es weiter.
Um es nicht allein bei einem symbolischen Akt der Erklärung der Klimanotlage bewenden zu lassen, vereinbarten die Koalitionäre darüber hinaus ein Monitoring-System. In einem ersten Schritt wurde Günther aufgefordert, bis zur Senatssitzung im Januar einen „Maßnahmenkatalog“ vorzustellen, erklärte der Regierungschef. Darin solle aufgelistet werden, welche Behörde was tun muss, um schneller voranzukommen.
Darüber hinaus machte Müller deutlich, dass es im Kern keinen Dissenz über die Frage gebe, dass mehr für den Klimaschutz getan werden muss. Aus Senatskreisen hieß es nach der Sitzung lediglich, der Weg dahin sei umstritten. Während der Sitzung habe es „viel dicke Luft“ und „viel Kritik“ an der Arbeit der Umweltverwaltung gegeben, hieß es weiter.
Müller wiederum sprach von einer „lebendigen Diskussion“ über die Frage, ob neue Ziele vereinbart werden sollten, ehe bereits beschlossene Maßnahmen umgesetzt worden seien.
Kritik daran, dass zentrale Vorhaben, beispielsweise aus dem 2018 beschlossenen Mobilitätsgesetz, nur sehr langsam umgesetzt werden, gibt es schon länger. Diese ist hinter vorgehaltener Hand auch aus Günthers eigener Partei zu hören.