Jahresbericht der Berliner Datenschützer: "Schaffen es nicht, alles zügig abzuarbeiten"
Private GPS-Ortung, öffentliche Videoüberwachung und das neue EU-Datenschutzrecht beschäftigen den Berliner Datenschutz. Der fordert jetzt mehr Personal.
Es gibt übereifrige Chefs, eifersüchtige Partner, ängstliche oder zerstrittene Familienmitglieder, die andere Menschen per GPS-Ortung systematisch kontrollieren. Erlaubt ist das nicht. Entsprechende Anzeigen durch die Betroffenen nähmen zu, steht im neuen Jahresbericht der Datenschutzbeauftragten, der am Freitag vorgestellt wurde.
In einem anders gelagerten Fall haben zwei Mieterinnen im Zuge eines hausinternen Streits die Terrasse ihrer Nachbarn mit einer Videokamera beobachtet und das Bildmaterial der Hausverwaltung übermittelt.
In solchen Fällen wird ein Bußgeld fällig. Zahlen soll auch eine Genossenschaft, deren Vorstandschef umfangreiche persönliche Unterlagen eines Bewerbers, der sich auf eine Stelle bei der Genossenschaft beworben hatte, an das Jobcenter Reinickendorf weitergab. Mit dem Argument, dass es sich lediglich um eine „Scheinbewerbung“ gehandelt habe.
Dabei bezog der Mann überhaupt kein Geld vom Arbeitsamt. Die Genossenschaft legte gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein, nun muss das Amtsgericht Tiergarten über diesen Fall entscheiden.
Insgesamt 16 Bußgelder hat die Berliner Datenschutzbehörde im vergangenen Jahr (in Höhe von insgesamt 10.350 Euro) verhängt. Außerdem wurden 24 Strafanträge gestellt. Beispielsweise gegen einen eBay-Nutzer, der aus persönlichen Rachemotiven die Daten einer anderen Nutzerin auf der Online-Plattform veröffentlicht hatte. Die Frau musste sich anschließend mit 200 Anrufern herumschlagen, die Interesse an einem angeblich zu verschenkenden Handy hatten.
Missbrauch auch bei der Polizei
Ermittelt wurde auch gegen einen Polizeibeamten, der von seinem Schwiegersohn angezeigt wurde. Der Polizist hatte innerhalb von zwei Jahren aus dem internen, nur für den Dienstgebrauch bestimmten Informationssystem der Polizei in mindestens 84 Fällen persönliche Daten aus dem Familien- und Bekanntenkreis abgerufen. Ihm habe es, so die Datenschutzbehörde, „offenbar gänzlich an Unrechtsbewusstsein gemangelt“. Dieser strafwürdige Missbrauch sei in der Berliner Polizei aber kein Einzelfall.
Dies alles gehört zum Tagesgeschäft der Berliner Datenschutzbehörde, deren Chefin Maja Smoltczyk allerdings einräumt, dass es einen Rückstau bei den Bußgeldverfahren gebe. „Wir schaffen es nicht mehr, alles zügig abzuarbeiten.“
Das hat vor allem damit zu tun, dass sich das Amt mit seinen 50 Mitarbeitern auf das neue EU-Datenschutzrecht vorbereiten muss, dass am 25. Mai in Kraft tritt. Denn auch den Datenschützern fehlt, wie anderen Ämtern und Behörden in Berlin, qualifiziertes Personal.
15 neue Stellen, die für die anfallende Mehrarbeit nach Einschätzung Smoltczyks mindestens gebraucht werden, hatte die rot-rot-grüne Koalition in den Haushaltsberatungen Ende 2017 verweigert. Finanziert wurden nur 10 Stellen, die aber zu niedrig dotiert sind, um die nötigen Juristen und IT-Fachkräfte einzustellen. Die Datenschutzbeauftragte sprach höflich von „einem Einstieg“ in die dringend notwendige Aufstockung des Personals.
IT-Fachkräfte und Juristen fehlen
Es werde ohnehin immer schwieriger, für diesen Bereich kompetente Bewerber zu finden. Der Markt sei jetzt schon weitgehend abgegrast. „Wir suchen noch gute Leute – also, wenn Sie jemanden kennen?“ Ein unabhängiges Gutachten, mit dem der zusätzliche Stellenbedarf detailliert begründet wurde, konnte die Haushälter von SPD, Linken und Grünen trotz der prekären Situation bisher nicht überzeugen.
Ab dem 25. Mai, wenn die neue Datenschutz-Grundverordnung auf europäischer Ebene wirksam werde, sei auch das Berliner Amt für Datenschutz quasi eine EU-Behörde, so Smoltczyk – mit einem komplexen Abstimmungsbedarf zwischen den Ländern, dem Bund und Europa.
Neue Aufgaben und Pflichten seien damit verbunden, einschließlich zweisprachigem Schriftverkehr und höherem juristischem Aufwand, weil künftig für Datenschutzverstöße hohe Bußgelder verhängt werden dürfen. Bis zu 20 Millionen Euro pro Verstoß oder vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens. „Wir können nicht alles outsourcen“, sagte die Datenschutzbeauftragte. Zumal das teuer ist.
Der neue Jahresbericht zeigt, wie breit das Feld ist, das von Berlins Datenschützern beackert werden muss. Ein deutlicher Schwerpunkt ist die Videoüberwachung im öffentlichen Raum, aber auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben und der S-Bahn.
Smoltczyks Behörde hatte schon Anfang März klar gesagt, dass aus ihrer Sicht das Volksbegehren für mehr Videoaufklärung teilweise verfassungswidrig sei. Aber auch die Überwachung in U- und S-Bahn wird äußerst skeptisch beurteilt. „Wir begleiten die Ausbaupläne der Unternehmen kritisch.“
Weitere Themen sind die Selbstauskunft von Mietern, die bei der Wohnungssuche „regelmäßig unrechtmäßig“ ausgefragt würden. Auch sei die Kopie von Kreditkarten und Ausweisen von Hotelbesuchern durch die Rezeption unzulässig. Die Aufklärung über den Datenschutz sollte nach Ansicht der Behörde schon bei den Grundschülern beginnen.
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