SPD-Fraktionsvorsitzender: Saleh wirbt für Rot-Rot-Grün auch im Bund
SPD-Fraktionschef Raed Saleh gibt bei einer Traditionsveranstaltung seiner Partei in Lindau den Quertreiber und beklagt den Zustand seiner Partei.
Der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh bleibt sich seiner Rolle als innerparteilicher Quertreiber treu. So reiste er am Donnerstag an den Bodensee, um bei einer Traditionsveranstaltung der SPD in Lindau für eine neue Sozialdemokratie zu werben. Schon vor einem Jahr habe er gesagt, dass die SPD in keinem guten Zustand sei, sagte Saleh. „Daran hat sich leider nur wenig geändert.“ Die Partei sei in einer „strategischen Sackgasse“ und müsse sich erneuern, um nicht von den Linken und Grünen beerbt zu werden. Anlass der Rede war die Weitergabe des „Sozialistenhuts“, den Saleh im vergangenen Jahr erhielt.
Die Genossen in Lindau erinnern mit dieser Ehrung an die Sozialistenverfolgung zu Bismarcks Zeiten, die bayerischen Sozialdemokraten trugen damals als Erkennungszeichen einen schwarzen, breitkrempigen Hut. Die SPD Lindau ehrt damit heute Personen, die „ihrer Gesellschaft und Partei vorausdenken“ und „gegen den Strom schwimmen“. Am Donnerstag wanderte der Hut an den linken Vize-Parteichef Ralf Stegner weiter, sein Vorgänger Saleh hielt die Laudatio.
Nicht in "Partystimmung", aber "auf Augenhöhe"
Der Berliner SPD-Politiker warb vehement für Rot-Rot-Grün im Bund, dafür gebe es eine vage, aber nicht unrealistische Perspektive. „Wir müssen den Mut haben, dieses Risiko einer neuen Reformkoalition auch auf Bundesebene einzugehen, wenn wir wieder relevant werden wollen.“ Es gehe nicht darum, ob die SPD mit Parteichef Sigmar Gabriel oder EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in die Bundestagswahl ziehe, sondern es gehe „um die Haltung, mit der wir in Zukunft Politik machen“, so Saleh.
Der SPD-Fraktionschef geht davon aus, dass Rot-Rot-Grün auf Landesebene gut funktionieren wird. „Wir sind nicht in Partystimmung verfallen, weil wir jetzt zusammensitzen.“ Die Koalition werde aber mit großer Ernsthaftigkeit und Verantwortung geschmiedet. SPD, Linke und Grüne wollten Berlin fair, auf Augenhöhe und sachorientiert regieren. „Die Leute werden sehen, dass wir keine Wunder schaffen, aber eine redliche Politik für die ganze Gesellschaft machen.“
Die Menschen fühlen sich betrogen - "auch von uns"
Mit seiner eigenen Rolle ist Saleh derzeit offenbar zufrieden. Fraktionsvorsitzender zu sein, sagte er in seiner Rede, sei eine der schönsten Aufgaben in der Politik. „Weil man über den Haushalt und viele andere Hebel sozialdemokratische Politik gestalten kann.“ Das darf wohl auch als Signal an den neuen Senat und den Regierungschef und Parteifreund Michael Müller verstanden werden. Für den folgenden Satz gilt das auch: „Sozialdemokrat zu sein heißt, nicht um des lieben Friedens Willen den Mund zu halten.“
Die SPD in Deutschland sei immer erfolgreich gewesen, so Saleh, wenn sie bestehende Verhältnisse hinterfragt, den Aufbruch gewagt und überkommene Strukturen aufgebrochen habe. Derzeit fühlten sich die Menschen aber von Politik und Wirtschaft betrogen. „Auch von uns.“ Als Beispiele nannte er die Zustimmung zum Freihandelsabkommen CETA, den „schmutzigen Kompromiss“ bei der Erbschaftsteuer und eine „komplett unwirksame“ Mietpreisbremse. Und die Wirtschaft werde „immer weiter ausgeraubt von gierigen und verfilzten Eliten“.