Vor Abgeordnetenhaus-Sitzung in Berlin: Wie Müller seine Macht in der SPD ausbauen will
Die Berliner SPD-Fraktion hat Ralf Wieland für das Amt des Parlamentspräsidenten nominiert. Ein Erfolg für den Regierenden Bürgermeister im Poker mit Raed Saleh um Einfluss und Gefolgschaft.
Die Runde ging an Michael Müller. Als die SPD-Fraktion am Dienstag mit knapper Mehrheit beschloss, den Weddinger Genossen Ralf Wieland wieder für das symbolisch wichtige Amt des Parlamentspräsidenten zu nominieren, hatte sich der SPD-Landeschef und Regierende Bürgermeister erfolgreich durchgesetzt. Denn der Machtkampf zwischen Müller und seinem innerparteilichen Widerpart, dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh, wird unerbittlich weiter ausgefochten. Dabei geht es, längerfristig gesehen, um viel.
Saleh will Müller, der durch das schlechteste Wahlergebnis der Berliner Sozialdemokraten seit Kriegsende angeschlagen ist, im Laufe der kommenden Regierungsjahre mürbe machen und zum Aufgeben zwingen. Müller hingegen will in der SPD-Fraktion mit Hilfe eigener Gefolgsleute eine Frau als Nachfolgerin des Fraktionsvorsitzenden aufbauen, um Saleh in zwei Jahren vom Thron zu stoßen.
Zwar wurde der Fraktionschef erst vor zwei Wochen mit einem exzellenten Ergebnis von 92 Prozent im Amt bestätigt, aber er sollte sich, warnen Genossen, seiner Sache nicht zu sicher sein. Salehs harte Kritik an der eigenen Partei und dem misslungenen SPD-Wahlkampf, öffentlichkeitswirksam im Tagesspiegel vorgetragen, wurde von Müller sehr persönlich genommen. Auch wenn diese Kritik durch eine parteioffizielle Wahlanalyse anschließend noch übertroffen wurde.
Dilek Kolat warb für Michael Müllers Kandidaten
Solange die rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen laufen, gilt eine Waffenruhe zwischen den Kontrahenten, gelegentlich unterbrochen durch kleine Scharmützel. Dazu gehörte die Nominierung des Parlamentspräsidenten. Ralf Wieland gilt eher als Müller-Mann. Die Gegenkandidatin Iris Spranger, Vize-Landesvorsitzende der SPD und Ex-Staatssekretärin, hatte bisher wechselnde Sympathien für einen der beiden Hauptfiguren in der Berliner SPD, wurde jetzt dennoch Saleh zugeordnet. Dennoch warb dieser in den eigenen Reihen nur sehr dezent für die Genossin. Vielleicht ahnte er, dass sie die Kampfabstimmung verlieren könnte.
Denn Müller, auch wenn er mehrere Tage in Südamerika weilte, soll nach übereinstimmenden Angaben von SPD-Abgeordneten massiv in die fraktionsinterne Meinungsfindung zulasten Sprangers eingegriffen haben. Und zwar mit Hilfe der Arbeitssenatorin Dilek Kolat, die auch SPD-Kreisvorsitzende in Müllers Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg ist. Sie habe, so hört man, fleißig telefoniert, einige Genossinnen reagierten darauf zwar allergisch, weil sie endlich mal eine Frau als Präsidentin des Abgeordnetenhauses haben wollten, doch am Ende war es eine erfolgreiche Werbeaktion für Wieland.
Müller bestimmt Senatorenauswahl, nicht bei Ressortzuschnitt
Diesen Etappensieg wird Müller ausbauen wollen, und momentan ist er am Zug. Der nächste Schritt soll die Auswahl der sozialdemokratischen Senatsmitglieder sein, das steht in spätestens drei Wochen an. Der Regierende Bürgermeister will nicht nur an Finanzsenator Kollatz- Ahnen, sondern auch an seinem engen Gefolgsmann Andreas Geisel festhalten, und es dürfte niemanden überraschen, wenn er der Parteifreundin Dilek Kolat wieder einen Kabinettsposten anbietet. Geisel hingegen ist bei der SPD-Linken, die auf dem Landesparteitag die meisten Delegierten stellt, im Landesvorstand eine Mehrheit hat und Saleh weitgehend stützt, unten durch. Und Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat auf dem linken Flügel mehr Sympathien als Kolat.
Rein formal hat der Regierungschef bei der Auswahl seiner Senatoren das Durchgriffsrecht. Das gilt aber nicht für den Zuschnitt der Ressorts, über diesen Weg kann die Fraktion und deren Führung Einfluss nehmen. Es gibt auch Gerüchte, dass Müller in der SPD-Fraktion sein bisher kleines Netzwerk dadurch stärken will, dass er einzelnen Abgeordneten einen Staatssekretärsposten anbietet. "Er ködert die Leute", sagt ein Genosse. Der Trick ist alt, funktioniert aber in allen Parteien gleichermaßen gut.
Eva Högl wird als Innensenatorin gehandelt
Eine noch schwer kalkulierbare Größe im Machtpoker zwischen Müller und Saleh sind die Frauen. Dass CDU und Linke jetzt für das Amt der Vize-Parlamentspräsidenten jeweils eine weibliche Vertreterin stellen, die SPD aber wieder einen Mann, finden viele Sozialdemokratinnen peinlich. Zumal der Unmut auch an anderer Stelle groß ist, nämlich bei der Rekrutierung von Stadtratsposten in den Bezirken.
So schimpfte die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl, einflussreiches Mitglied im Kreisverband Mitte, jetzt über die Nominierung Ephraim Gothes als Stadtentwicklungs-Dezernent. Ihm unterlag in einer internen Kampfabstimmung die bisherige Stadträtin Sabine Smentek. "Leider, immer dasselbe", twitterte Högl. Es sei schade, dass nicht die Gelegenheit genutzt worden sei, die Position im Bezirksamt Mitte mit einer Frau zu besetzen.
Högl ist nicht nur Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen und wird sogar als Innensenatorin gehandelt, sie ist auch eine Schlüsselfigur der Berliner SPD-Linken. In der Vergangenheit hat sie Saleh gestützt, aber vor allem den von Müller verdrängten Ex-Landeschef Jan Stöß. Der ist immerhin noch Mitglied im SPD-Bundesvorstand und mischt im Landesverband nach wie vor dezent mit. Müller weiß: An den Mehrheiten, die die Saleh- und Stöß-Anhänger bilden, kommt er auch in Zukunft nicht vorbei.
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