Koalitionsverhandlungen in Berlin: Rot-Rot-Grün plant Bau von 30.000 neuen Wohnungen
Am Montag verhandelten SPD, Linke und Grüne über Themen wie Wohnungsbau, Mieten und Inneres. In der kommenden Legislaturperiode sollen jährlich bis zu 6000 Wohnungen gebaut werden.
Vor den großen Koalitionsrunden tagen regelmäßig die sogenannten 3x4-Runden mit den je vier Spitzen-Unterhändlern von Rot-Rot-Grün. Am Montag mussten sich die Verhandler mit den wichtigen Themen Wohnungsbau, Mieten und Inneres beschäftigen: Werden auf der Elisabeth-Aue in Pankow 5000 Wohnungen gebaut? Wie sieht die soziale Wohnungsbauförderung aus? Bleibt der Verfassungsschutz erhalten? Und bekommt die Polizei mehr Stellen? Mit diesen Fragen startete die Koalitionsrunde im Roten Rathaus um 12.30 Uhr – mit offenem Ende. Die Verhandlungen dauern am späten Montagabend noch an.
Nach der ersten Verhandlungsrunde zu den Themen Bauen und Mieten blieben zwölf Wohnungsneubauprojekte mit 37.000 Wohnungen strittig, wie zum Beispiel die Bebauung der Elisabeth-Aue in Pankow mit 5000 Wohnungen. Darüber muss die große Koalitionsrunde nächste Woche eine Einigung erzielen. Grüne und Linke lehnen die Bebauung ab: Die Pankower BVV hatte sich 2015 dagegen ausgesprochen. Der neue Bezirksbürgermeister ist Sören Benn (Linke).
Aber klar ist, dass Rot-Rot-Grün "als wichtigste Säule der Wohnungsbaupolitik" die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften stärken will, sagte Katrin Lompscher, Sprecherin der Linken. Jährlich sollen diese 6000 Wohnungen neu bauen, in dieser Legislaturperiode also 30.000. Mindestens 50 Prozent der Neubauwohnungen sollen WBS-Berechtigten vorbehalten bleiben. Die Bestandsmieten der derzeit 300.000 landeseigenen Wohnungen dürfen in den nächsten vier Jahren künftig nur um zwei Prozent pro Jahr erhöht werden. Derzeit sind es 15 Prozent in vier Jahren.
Für 127.000 Sozialwohnungen wird Mieterhöhung ausgesetzt
Bei den bisherigen Bestandswohnungen der Wohnungsbaugesellschaften soll die Quote von 55 Prozent für WBS-Berechtigte auf 60 Prozent erhöht werden. Die Wohnungsgesellschaften sollen Wohnungstausch "aktiv befördern", wie Lompscher sagte. Die Mieterratswahlen von 2016 sollen noch einmal "kritisch evaluiert" und gegebenenfalls die Wahlordnung überarbeitet werden.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) lobte die "fachbezogene Debatte", die zu "guten Konsensen" in den Koalitionsgesprächen geführt habe. Für 127.000 Sozialwohnungen im Bestand wird die Mieterhöhung im April 2017 ausgesetzt. Auch Zinsen für Erbbaurechtsgrundstücke sollen reduziert werden. Zahlen nannte Geisel nicht. Die künftige Koalition will 2017 ein Konzept erarbeiten, wie mit den Sozialwohnungen mit und ohne Anschlussförderung umgegangen wird. Die SPD wollte eine "soziale Richtsatzmiete" einführen für den Bestand von Sozialwohnungen, die nach dem alten überteuerten Fördersystem errichtet wurden. Mit einer für 2018 geplanten Reform der Sozialmieten- und Belegungsgesetzgebung plant Rot-Rot-Grün eine Mietensenkung und eine Staffelung der Mieten nach Einkommen. Zahlen wurden nicht genannt.
Geisel sagte, 20.000 Mieter im sozialen Wohnungsbau hätten einen Rechtsanspruch auf Kappung ihrer Miete. Bisher lägen aber nur 1400 Anträge vor. Wenn die Nettokaltmieten 30 Prozent des Einkommens überschreiten, kann die Miete bisher gekappt werden. Künftig sollen die Bruttowarmmieten als Richtgröße gelten.
Alle Projekte stehen unter Finanzierungsvorbehalt
Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek sagte, Rot-Rot-Grün sei sich "schnell in den Zielen einig" gewesen. Man wolle im sozialen Wohnungsbau auch die privaten Eigentümer stärker in die Pflicht nehmen. Konkret wurde Kapek nicht. Die neue künftige Landesregierung will grundsätzlich mehr Milieuschutzgebiete ausweisen. Auch das Vorkaufsrecht vom Land soll stärker zum Tragen kommen.
Rot-Rot-Grün will die Wohnungsbaugenossenschaften stärken und ihnen landeseigene Grundstücke zur Verfügung stellen. In Berlin gibt es 190.000 Genossenschaftswohnungen. Auf einen Punkt legen die Grünen großen Wert: Berlin soll bis 2030 asbestfreie Hauptstadt werden. All die Maßnahmen kosten Geld. Wie viel Geld, vermochte am Montag niemand sagen. Man verwies auf die rot-rot-grünen Finanzgespräch am Donnerstag. Bis dahin stehen alle Projekte unter Finanzierungsvorbehalt. Am Montagabend wollte sich die große Verhandlungsgruppe noch zu Inneres, Justiz, Verbraucherschutz und Sport verständigen. In der Innenpolitik sind sich Rot-Rot-Grün einig, dass die Polizei mehr Stellen benötigt. Auch soll es mehr Geld für Stalking–Opfer geben.
Strittig dagegen ist mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Die SPD hatte sich vor der Wahl für ein Modellprojekt am Alexanderplatz ausgesprochen. Linke und Grüne sind gegen mehr Videoüberwachung. Ein weiterer Konfliktpunkt dürfte der Verfassungsschutz werden. Er wird wohl nicht abgeschafft werden, wie Linke und Grüne fordern. In einem ersten Schritt, so fordern beide Parteien, sollte das System der V-Leute abgeschafft werden. Die Abendsitzung war mit offenem Ende angesetzt.