Streit in der Berliner SPD: Senator Andreas Geisel steht auf der Kippe
In der Berliner SPD gibt es immer mehr Stimmen gegen Bausenator Andreas Geisel. Vielleicht ist sein Job doch nicht so sicher wie gedacht.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel hat vielleicht doch nicht einen so sicheren Job wie gedacht. Denn in seiner knapp zweijährigen Amtszeit hat sich der Sozialdemokrat auch in der eigenen Partei um den guten Ruf gebracht, den er sich als bürgernaher Stadtrat und Bürgermeister in Lichtenberg erworben hatte. Die Kritik der Jungsozialisten auf deren Landeskonferenz am Sonntag, dass es mit Geisel im Wahlkampf „fast jede Woche einen Skandal“ gegeben habe, ist nur ein Indiz. Vor allem im linken SPD-Flügel, der in Partei und Fraktion die Mehrheit hat, rumort es gewaltig.
Manche stoßen sich daran, dass Geisel trotz vieler Ankündigungen in der Bau- und Wohnungspolitik wenig vorangebracht hat. Andere nehmen ihm übel, dass er sich für Radfahrer erst interessierte, als das Volksbegehren erfolgreich gestartet wurde. Eine Spende des Bauunternehmers Klaus Groth für die Lichtenberger SPD und die zuvorkommende Behandlung eines privaten Investors am Leipziger Platz regten auch Genossen auf, die mit Geisel bis dahin wenig Probleme hatten. Der Streit um die Mieterräte in den städtischen Wohnungsunternehmen, gekrönt vom Versuch, eine kritische Berichterstattung zu verhindern, brachte Geisel weitere Minuspunkte ein.
Geisel steht unter Müllers Schutz
Normalerweise wäre längst klar, dass Geisel nicht Senator bleibt. Aber er steht unter dem Schutz des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der ihn Ende 2014 zu seinem Nachfolger als Stadtentwicklungssenator machte. Beide kennen und schätzen sich seit Mitte der neunziger Jahre, als sie noch zur Gruppe der „Jungen Wilden“ in der Berliner SPD gehörten. Vor einem halben Jahr rückte Geisel, als Regierungschef Müller den Vorsitz der Landes-SPD an sich riss, auf dessen ausdrücklichen Wunsch zum stellvertretenden Parteichef auf. Ein machtvolles Duo sollte das werden, jetzt entwickeln sich beide Führungskräfte zum Problem.
Wobei Müller die besseren Karten hat, auch wenn ein Parteilinker dieser Tage sagte, „dass ein Ministerpräsident mit einem Wahlergebnis von 21 Prozent in anderen SPD-Landesverbänden sofort weg vom Fenster wäre“. Aber jetzt, da Rot-Rot-Grün in greifbarer Nähe ist, wird sich die Berliner SPD an ihrem Regierungs- und Parteichef nicht versündigen, man bemüht sich zähneknirschend um Loyalität und Geschlossenheit, alles andere wäre für die angeschlagene Regierungspartei existenzbedrohend.
Es gibt Gerüchte, dass Geisel Innensenator werden könnte
Aber Geisel, den Müller im Kabinett halten will, ist stark gefährdet. Zunächst hieß es, er müsse den Verkehrs- und Umweltbereich abgeben, das gewaltige Stadtentwicklungsressort solle entsprechend abgespeckt werden. Damit könnte sogar Müller leben. Doch kursieren inzwischen Gerüchte, Geisel könne Finanzsenator werden, er habe schließlich als Bezirksbürgermeister auch Haushaltspolitik gelernt. Jene Genossen, die die fachliche und intellektuelle Kompetenz des Amtsinhabers Matthias Kollatz-Ahnen schätzen, schütteln nur den Kopf. Zwar agiert der amtierende Finanzsenator gelegentlich querköpfig und eigensinnig, aber er gilt als loyal und untadelig links. Und er genießt, von punktueller Kritik abgesehen, das Vertrauen der Abgeordnetenhausfraktion und von dessen Chef Raed Saleh.
Das Gerücht um einen Finanzsenator Geisel deutet also eher darauf hin, dass Müller seinen Vertrauten, wie auch immer, im Senat halten will. Zumal es auch Spekulationen gibt, Geisel könne Innensenator werden.
Spannend wird auch der Streit ums Kulturressort
Rein formal ist es so, dass der Regierende Bürgermeister, sobald er vom Parlament gewählt ist, die Senatsmitglieder eigenverantwortlich ernennt. Aller politischen Erfahrung nach wird aber kein Regierungschef, der bei gesundem Verstand ist, Senatsmitglieder gegen den Willen der eigenen Fraktion durchsetzen. Es sei denn, er ist so stark, dass er mit seinem Amtsverzicht drohen kann. Das gilt für Müller aber eher nicht.
Im Machtkampf zwischen den Genossen Müller und Saleh könnte Geisel demnach ein Verlierer werden. Solche Problemfälle löst man in Koalitionsverhandlungen relativ elegant, indem das besagte Ressort an einen Regierungspartner abgegeben wird. Finanzen wollen die Sozialdemokraten in jedem Fall behalten.
Spannend könnte noch der Streit um das Kulturressort werden, das nach dem Abgang von Klaus Wowereit in der Senatskanzlei, also bei Müller blieb. Müsste er es hergeben, etwa an die Linke, wäre das ein Prestigeverlust, aber verschmerzbar. Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, soll wohl bleiben, Müller will ihn halten. Das Tauziehen zwischen den SPD-Abgeordneten Iris Spranger und Ralf Wieland um das Amt des Parlamentspräsidenten ist dagegen Fraktionsangelegenheit, da kann der Regierende gelassen zuschauen.