Hauptstadtflughafen BER: Risiken und Nebenwirkungen des neuen Eröffnungstermins
Am heutigen Freitag soll der Herbst 2020 als Eröffnungstermin des Pannenflughafens verkündet werden. Ein Überblick über mögliche Stolperfallen.
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will nach der Aufsichtsratssitzung am Freitag verkünden, dass der unvollendete Berliner Airport im Herbst 2020 eröffnet werden soll. Das Misstrauen in Bevölkerung und Politik könnte kaum größer sein. Das zeigte am Donnerstag auch eine Aktuelle Stunde im Potsdamer Landtag zum Thema „Wie belastbar ist ein neuer Eröffnungstermin?“, in der Abgeordnete aller Parteien massive Zweifel anmeldeten, verlorenes Vertrauen beklagten.
Und dem widersprach Staatssekretär Rainer Bretschneider nicht, der auch BER-Chefaufseher ist. Auf Forderungen nach „einem Plan B“ reagierte er so: Jede Gesellschaft sei „gut beraten, strategische Planungen und Überlegungen in jedweder Hinsicht zu führen“. Welche Risiken gibt es für den angepeilten BER-Abflug 2020? Ein Überblick.
Risiken auf der Baustelle
Seit der geplatzten Eröffnung 2012 ist es nicht gelungen, das Terminalgebäude mit seinen 4300 Räumen zu sanieren und/oder fertig zu bauen. Der im September angekündigte Termin, dass die Bauarbeiten am 31. August 2018 beendet seien, ist schon geplatzt. Es wird wieder einige Monate länger dauern.
Für den Eröffnungstermin 2020 ist intern nun dem Vernehmen nach ein Bauende für den Jahreswechsel 2018/2019 angepeilt. Aber allein für den Umbau der falsch dimensionieren Sprinkleranlage, bei der 2,5 Kilometer Rohre ausgetauscht werden müssen, haben die Arbeiten nicht einmal begonnen. Die die nötigen Ausführungsplanungen sind noch nicht da. Auch anderen Firmen fehlen weiterhin Pläne, um arbeiten zu können.
Prognose: Gebaut wird bis 2019.
Risiken bei Tests und Abnahmen
Der TÜV Rheinland hat dem Flughafen gerade eine lange Liste von „systemischen Mängeln“ – also im Gesamtterminal – attestiert, die für eine Abnahme beseitigt werden müssen. Dabei wurden bisher nur Einzelsysteme getestet.
Für eine Freigabe des Terminals durch TÜV und Behörden, in dem vom ersten Tag an täglich 60 000 Passagiere abgefertigt werden sollen, muss alles im Zusammenspiel funktionieren: Brandmeldung, Entrauchung, Frischluftzufuhr, Sicherheitsstromnetz etc. – dass das gleich klappt, ist unrealistisch. Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warnt, dass das Terminal am Ende möglicherweise gar nicht abnahmefähig sei. Flughafen und Baufirmen halten es immer noch für technisch beherrschbar.
Prognose: Neue Probleme, neue Verzögerungen. Mindestens.
Risiken im Terminplan 2020
Flughafenchef Lütke Daldrup hat in den wenigen Monaten seit Amtsantritt die Baustelle systematisch durchchecken lassen. Danach musste er, der vorher jahrelang BER-Staatssekretär und Aufsichtsrat war, die Termine um Jahre verschieben: Sein Terminplan hat Reserven und Puffer, aber sie sind mit acht, neun Monaten überschaubar. Zum Vergleich: Allein die Anfang 2017 publik gewordenen Probleme mit der Sprinkleranlage und den Automatiktüren warfen den BER um zwei Jahre zurück. Für Tests, Abnahmen, Mietereinbauten und den ORAT-Probebetrieb mit tausenden Komparsen kalkuliert er rund vierzehn Monate, die sich an das Bauende anschließen.
Prognose: Wieder Zeit-Wettlauf.
Risiken bei den Finanzen
Es geht um eine halbe Milliarde Euro, die fehlt, nachdem bereits 6,6 Milliarden Euro für den einst mit 2,5 Milliarden Euro kalkulierten Hauptstadt-Airport bewilligt worden sind. Neue öffentliche Mittel aus den Haushalten sind politisch kaum noch vermittel- und durchsetzbar, zudem hat ein erneutes Notifizerungsverfahren bei der EU, das zwingend wäre, kaum Erfolgsaussichten. Anderseits hätte ein Kollaps wegen der dann fälligen Kredite Auswirkungen in Milliardenhöhe für die Länderhaushalte Berlins und Brandenburgs.
Prognose: Vielleicht lösbar.
Risiken im Management
Intern wird BER in der Berlin-Brandenburger Flughafengesellschaft (FBB) schon mal mit „Bis zum Erreichen der Rente“ übersetzt. Das Baumanagement der Flughafengesellschaft ist bürokratisch und hat lange Entscheidungswege. Auch deshalb hatten Lütke Daldrup und Aufsichtsratschef Reiner Bretschneider versucht, einen Baugeschäftsführer zu holen, was vor allem am Veto Brandenburgs scheiterte. Nun macht Lütke Daldrup weiter alles selbst, muss aber zeitaufwendig Parlamenten und Regierungen Rede und Antwort stehen. Der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg fordert, einen Profi-Baumanager zu engagieren.
Prognose: Hohe Pannengefahr.