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Update

Waffen- und Drogenhandel in Berlin: Razzia im Clan-Milieu – Hauptverdächtiger ist ein Remmo

Es geht um Drogenhandel im großen Stil. Polizei und Spezialkräfte durchsuchten in Berlin und Brandenburg mehr als 20 Objekte. Im Visier: die Großfamilie Remmo.

Die Sicherheitsbehörden haben am Donnerstag zu einem weiteren Schlag gegen die organisierte Clankriminalität ausgeholt. Im Visier haben sie kriminelle Mitglieder der deutsch-arabischen Großfamilie Remmo. Um 6 Uhr rückten 500 Einsatzkräfte an mehreren Orten in Berlin und Brandenburg an. Mehr als 20 Objekte wurden durchsucht, ein 44-jähriger Clan-Angehöriger und ein 22-Jähriger wurden verhaftet. Ein weiteres 22-jähriges Mitglied der Remmo-Familie entwischte.

Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Drogenhandel in großem Stil und Körperverletzung. In weiteren Verfahren geht es auch um Steuerbetrug, die Finanzbehörden sind an dem Fall beteiligt. Die Ermittler sprechen von organisiertem Drogen- und Waffenhandel.

Bei der Razzia geht es um Ermittlungen in mehreren Fällen. Grund sind zum einen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen dem Remmo-Clan und Tschetschenen im November. Dabei hatten zunächst Tschetschenen einen Spätkauf in Neukölln attackiert, später kam es dann zu brutalen Racheaktionen von Mitgliedern der deutsch-arabischen Großfamilie. Auch Schusswaffen hatten die Gruppen. Die Behörden befürchteten, dass ein Bandenkrieg ausbrechen könnte.

Als besonders brutal ist den Behörden bei dem Gewaltausbruch ein berüchtigtes und einschlägig vorbestraftes Remmo-Mitglied aufgefallen. Trotz schwerer Straftaten kann der Mann bislang nicht zurück in den Libanon abgeschoben werden, woher er mit seiner Familie in den 1980er-Jahren gekommen war. Wegen seiner Vorstrafen stand er unter Führungsaufsicht, dennoch soll er brutal auf einen am Boden liegenden Tschetschenen eingeschlagen haben – während er eine elektronische Fußfessel trug.

Remmo-Mitglied soll Marihuana-Plantage und Koks-Taxi betrieben haben

Der 44-jährige Clan-Mann ist der Hauptbeschuldigte in den Ermittlungen. Er soll auch für groß angelegte Drogengeschäfte verantwortlich sein, darunter der Betrieb einer Marihuana-Plantage und eines "Koks-Taxis".

Beamte rückten zur Razzia in mehreren Bezirken an, darunter in Neukölln, Spandau, Wedding, Moabit, Schöneberg und Reinickendorf. Die Einsatzkräfte durchsuchten neben Wohnungen und Häusern in Berlin auch eine Lagerhalle im brandenburgischen Neuhardenberg. Dort soll die Bande um den Clan-Mann immer wieder Drogen in großen Mengen für den Weitertransport nach Berlin in Fässer verpackt haben. Zudem gab es eine Durchsuchung im ostbrandenburgischen Vierlinden.

Insgesamt kassierten die Ermittler Vermögenswerte von 300.000 Euro ein. Es handelte sich um sogenannte "Vermögensarrestbeschlüsse": Der Staat stellt damit sicher, dass er im Falle einer Verurteilung auf entsprechende Geldbeträge zugreifen kann, um entstandene Schäden zu decken - und sei es beim Finanzamt.

Geknackte Kryptohandys für den Messenger Encrochat führten zum Erfolg

Der eigentliche Erfolg in diesem Fall ist: Die meisten Erkenntnisse bei den Ermittlungen stammen laut "Spiegel" aus geknackten Kryptohandys, die über den bislang nicht zu knackenden Messengerdienst Encrochat verfügten und deshalb bei Kriminellen beliebt waren. Encrochat zählte rund 60.000 Kunden in über 120 Ländern, den Ermittlungen zufolge auch die Beschuldigten aus Berlin.

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Die Daten liefen über einen Server in Frankreich, im Frühjahr 2020 schafften es die Sicherheitsbehörden dort, in den Server zu gelangen und die Chatdaten der Nutzer mitzulesen. Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich gelang es im vergangenen Jahr, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen

Die Daten sind ein riesiger Schatz für Ermittler weltweit. Die Unterwelt wickelte ihre Geschäfte über Encrochat ab. Sie glaubten sich bei der Kommunikation über Encrochat vor den Behörden sicher – offene Plauderei statt codierter Sprache.

Encrochat und die Schockwellen bei den Verbrecherbanden

Das Eindringen in die technische Infrastruktur des Anbieters habe „Schockwellen durch organisierte Verbrecherbanden quer durch Europa“ geschickt, hieß es damals von der Justiz. Es gab in verschiedenen Ländern bereits Hunderte Festnahmen, Drogen und Bargeld in Millionenhöhe wurden beschlagnahmt.

Auch die deutschen Behörden profitieren von dem Erfolg. Rund 3000 Personen sollen in Deutschland ein Encrochat-Smartphone gehabt haben. Beim Bundeskriminalamt landeten etwa acht Millionen Chatnachnachrichten der Nutzer. Die werden seit Monaten vom BKA und den Landeskriminalämtern ausgewertet. Die Details sind streng geheim, um Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität nicht zu gefährden.

Innensenator Geisel: Alle anderthalb Tage ein Einsatz gegen Clankriminalität

Auch der hauptverdächtige Clan-Mann soll trotz diverser Auflagen der Gerichte ein Kryptohandy genutzt haben, um seine illegalen Geschäfte abzuwickeln, wie der "Spiegel" berichtet. Nun rückte am Donnerstagmorgen die Polizei an. Mehrere hundert Einsatzkräfte waren an der Razzia beteiligt, Hundertschaften und Spezialeinsatzkräfte wie die Anti-Terror-Einheit GSG9 des Bundes und SEK waren dabei. Neben der Berliner Polizei waren Einheiten der Brandenburger Polizei, des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und der Steuerfahndung an dem Einsatz beteiligt.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: „Wir lassen nicht nach in der konsequenten Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Und zwar unabhängig, von wem sie gerade beherrscht wird.“ 2020 habe es 240 Einsätze im Bereich der Clankriminalität gegeben, 71 im Verbund mit anderen Behörden. „Statistisch also alle 1,5 Tage. An unserer Entschlossenheit kann es keine Zweifel geben“, sagte Geisel.

„Wir begrüßen die aktuell laufenden Maßnahmen, weil der Rechtsstaat behördenübergreifend zeigen muss, dass er präsent ist und sich Organisierte Kriminalität nicht lohnt", sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die heutigen Maßnahmen zeigen auch, dass arabische Großfamilien in vielen Bereichen aktiv sind und so in mehreren OK-Ermittlungskomplexen auftauchen."

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