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Bundesbauminister Peter Ramsauer will das Marx-Engels-Denkmal weg haben.
© dapd

Vorschlag des Ministers: Ramsauer will Marx-Engels-Denkmal stürzen

Bundesbauminister Peter Ramsauer sähe das Marx-Engels-Denkmal am liebsten auf dem Friedhof Friedrichsfelde – es wäre nicht das erste, das umziehen muss.

Die beiden Herren sind schon einmal umgezogen, wenn auch nur rund 100 Meter. Seit September 2009 warten die Bronzefiguren von Karl Marx und Friedrich Engels nicht mehr am angestammten Platz, sondern nahe der Liebknechtbrücke auf den Untergang des Kapitalismus. Sie waren den Bauplänen der BVG für die neue U-Bahnlinie 5 im Wege, für sieben Jahre, so die Planung, müssen sie daher auf ihrem provisorischen Platz ausharren, danach soll es zurückgehen. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) hätte es lieber, wenn die Galionsfiguren des Sozialismus noch weiter reisen würden, raus aus dem Zentrum und hinein in den Friedhof Friedrichsfelde, wenn man so will, als ständige Totenwache für Karl, Rosa und die anderen dort begrabenen Sozialisten.

Der Vorschlag fiel anlässlich eines Besuchs der Humboldt-Box, wie Ramsauers Sprecherin Britta Rohde bestätigte, die in dem denkmalpolitischen Vorstoß nur einen an Berlins Senator für Stadtentwicklung gerichteten Vorschlag sieht. Auch das Umfeld des Schlossneubaus müsse neu gestaltet werden, da sollte man alles einbeziehen. Aus der Verwaltung von Senator Michael Müller (SPD) wurde schon abgewinkt und das „Bekenntnis zum alten Standort im Zentrum der Stadt“ bekräftigt, wie seine Sprecherin Daniela Augenstein sagte. Sie verwies auf den geplanten Wettbewerb für das Rathausforum. Es sei zwar möglich, dass die Doppelskulptur nicht mehr ganz exakt auf dem Originalplatz stehe werde, aber „Schloss und Denkmal haben nebeneinander Platz“.

Auch Kulturstaatssekretär André Schmitz ist gegen „eine Auslagerung nach Friedrichsfelde, um aus der dortigen Gedenkstätte eine Art sozialistischen Streichelzoo zu machen“. Bei einer Neugestaltung des Gründungsortes von Berlin, möglichst angeleitet durch den historischen Stadtplan, habe das Denkmal als „Zeugnis einer ganz bestimmten Geschichtsepoche“ eine würdige Aufstellung zu erfahren. Die Linke reagierte empört: „Peter Ramsauer hat offenbar jeden Bezug zur Realität verloren“, wetterte der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, und buchte die Idee des Ministers unter „geschichtslose Fantasien“ ab.

Die Linke ist empört.

Vonseiten der Grünen wurde dem Minister „blanker Populismus“ vorgeworfen, wie die stadtentwicklungspolitische Sprecherin Antje Kepek sagte. In der Vergangenheit sei häufig der Fehler gemacht worden, politisch nicht gewollte Bauten auszumerzen. Marx und Engels seien aber nicht Stalin und könnten durchaus einen Platz in der Berliner Mitte haben. Den haben sie seit 1986, als Mittelpunkt eines Ensembles von politischen Bildwerken verschiedener Künstler, das als Gesamtheit unter Denkmalschutz steht.

Den sitzenden Marx und den stehenden Engels – Spitzname: Sacco und Jacketti – hatte der Bildhauer Ludwig Engelhardt geschaffen, der 1973 von dem DDR-Staatskünstler Fritz Cremer für die Leitung der auf dem späteren Marx-Engels-Forum tätigen Künstlergruppe vorgeschlagen worden war. Wie Friedrich Nostiz, Schöpfer der nahen Edelstahl-Doppelstelen, geschildert hat, war die DDR-Führung um Erich Honecker anfangs irritiert über die so gar nicht vom sozialistischen Heroismus geprägten Figuren. Es habe auch Vorschläge gegeben, die beiden auf hohe Sockel zu stellen, was Engelhardt verhinderte. Offizielle Feiern habe es dort nie gegeben.

Doch wenngleich es nicht so aussieht, als würden Marx und Engels von ihrem Forum verschwinden: Neu wäre solch eine Denkmal-Wanderung nicht in Berlin. Manches Erinnerungsstück hat man hier sogar komplett entsorgt, so etwa den Sowjetführer Lenin, der 1991 abgebaut und im Köpenicker Forst verbuddelt wurde, im Rahmen einer Dauerausstellung auf der Zitadelle Spandau aber wiederauferstehen soll.

In „Good Bye, Lenin!“ kam der Abbau sogar ins Kino, wenngleich der realen Figur nicht wie im Film gezeigt ein Hubschrauberflug spendiert wurde. In der DDR waren die Zeugnisse Preußens oft nicht willkommen. Das Reiterbildnis Friedrichs II. etwa war von 1950 bis 1980 nach Potsdam ausgelagert, lag dort zeitweise nur rum. Ebenso musste die Neue Wache von 1951 bis 2002 ohne die Standbilder der Militärführer Gerhard von Scharnhorst und Friedrich Wilhelm Bülow auskommen – auch dies ein Beispiel dafür, wie zeitabhängig der Blick auf ein Denkmal und die jeweilige historische Person doch ist. Die „Puppenallee“ Wilhelms II. im Tiergarten wurde nicht etwa restauriert, sondern eingelagert. Eine besonders bewegte Reise hat der Flensburger Löwe hinter sich, der an einen Sieg der Dänen über die deutschen Schleswig-Holsteiner 1850 erinnert: 1862 als dänisches Siegerdenkmal in Flensburg aufgestellt, nach dem deutschen Sieg über die Dänen 1864 nach Berlin geholt, 1945 nach Kopenhagen umgezogen und 2011 wieder nach Flensburg. In Wannsee steht seit 1974 eine Kopie.

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