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Hinterhalt. Der Täter muss sich nun vor Gericht verantworten.
© dpa

Endstation Hermannstraße: Auf der Spur des U-Bahn-Treters

Nicht erst seitdem am U-Bahnhof Hermannstraße eine Frau die Treppe hinuntergetreten wurde, ist die Station ein Unort. Die Neuköllner sind schockiert – aber nicht überrascht. Unser Blendle-Tipp.

Es ist kalt an der Hermannstraße. Bis hinunter in den U-Bahnhof zieht der feuchte Wind, weht den Menschen ins Gesicht, die die U8 hier alle paar Minuten ausspuckt. Gleich vor dem Lift – außer Betrieb, wie so oft – sitzt ein Mann in sich zusammen gesunken in seinem Rollstuhl, regungslos, aber er atmet noch. Die Bierflasche ist ihm aus der Hand gefallen, die Lache beginnt langsam am Boden zu trocknen. Die Fahrgäste strömen an ihm vorbei, die Blicke stur nach vorn gerichtet. Die Treppe hinauf zu den S-Bahn-Gleisen. Wer hier ankommt, will weg.

Der Bahnhof ist ein Unort. Nicht erst seit jener Tat, über die in ganz Berlin diskutiert und in halb Europa berichtet wird: Am 27. Oktober, kurz nach Mitternacht, zeichnet die Überwachungskamera zwischen S- und U-Bahn-Steig auf, wie ein Mann – Zigarette in der einen, Bierflasche in der anderen Hand – einer Frau auf der Treppe hinterhergeht, ihr auf halber Höhe in den Rücken tritt, zuschaut wie sie fällt, unten aufprallt.

Die Frau, so viel weiß man heute, ist eine aus der Ukraine stammende Berlinerin. Sie bricht sich in dieser Nacht den Arm, verletzt sich am Kopf und hätte, wie Notärzte sagen, sterben können. Der Mann schlendert mit drei Kumpanen davon – darunter seine zwei Brüder, wie sich herausstellt. Die Polizei kennt die Identität des heimtückischen Angreifers, verraten hat ihn wohl ein Bruder, den die Polizei am Montag vernommen hatte. Doch der mutmaßliche Täter, Svetoslav S., 27 Jahre, ist untergetaucht. Auf der Flucht, womöglich im Ausland.

Zurück bleiben Menschen wie Ayse und eine Mischung aus Unbehagen und Wut. Ayse, geboren in Neukölln, nun Fachabiturientin in Kreuzberg, zupft ihr Kopftuch zurecht. Wie alle hier kennt sie die Bilder der Überwachungskamera. Schön sei es an der Station sowieso nie gewesen, sagt sie. Angst habe sie keine. Und außerdem, das scheint sie tatsächlich zu glauben, trauten sich „solche Typen“ nicht an Frauen mit Kopftuch. Die wissen, sagt sie trotzig, mein Bruder haut sie alle um.

Über den Täter sagt Ayse noch: Kopf ab! Sie hebt ihren rechten Zeigefinger und führt ihn vom linken über den Hals zum rechten Ohr. Dann, rotes Leuchten, zurückbleiben bitte, Ayse steigt ein, die Bahn fährt los.

Oben, von der S-Bahn, kommen neue Umsteiger. Zehntausende passieren täglich den Bahnhof. Nur wenige bleiben länger hier. Also Richtung Süden, die lange Rolltreppe hinauf, vorbei an dem Blumenladen, wo die Verkäuferin skeptisch jeden Passanten mustert, weil bei ihr ständig geklaut werde. Auf dem gleichen Stockwerk steht hinter ihrer Kasse beim Discounter eine Frau, die ebenfalls ...

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