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Polizeibeamte griffen am Freitag ein, als der neue Hausverwalter mit seinem Bautrupp im Haus unterwegs war.
© Foto: Paul Zinken/dpa

Autonomes Hausprojekt in Friedrichshain: Polizeieinsatz in der Rigaer 94 sorgt für Verwirrung

Während die Beamten am Freitag erneut Wohnungen durchsuchten, wollte der Eigentümer das teilbesetzte Haus offenbar räumen lassen.

Nach dem Einsatz der Polizei Berlin in der Rigaer Straße am Freitag herrscht weiterhin Verwirrung. Zunächst hatte die Polizei getwittert, dass es keinen Einsatz gäbe und auch „nichts geplant“ sei. Später musste die Behörde dies korrigieren und erklärte, dass Beamte am Freitagmorgen „im Treppenhaus und vor der Rigaer94 im Einsatz“ waren.

Bis zum späten Freitagabend um 21 Uhr brauchte die Pressestelle der Polizei dann, um verlässliche Informationen zu bekommen und die Vorgänge rund um das teilbesetzte Haus in Friedrichshain aufzuklären.

Am Ende bleibt zumindest die Erkenntnis, dass offenbar die eine Stelle der Polizei nicht wusste, was die andere tat – und das bei einem für die rot-rot-grüne Regierungskoalition politisch so heiklen Objekt. Überdies scheint die Skepsis der Innenverwaltung gegenüber dem Eigentümer des Hauses gewichen. Polizei und Hausverwalter arbeiten jetzt offenbar zusammen.

Der neue Hausverwalter wollte am Freitag offenbar mit Handwerkern und eigenem Sicherheitsdienst in eine besetzte Wohnung. Unklar blieb, ob die Polizei darin aktiv eingebunden war.

Eine Sprecherin der Polizei sagte, nach den Durchsuchungsmaßnahmen wegen gefährlicher Körperverletzung und gewerbsmäßigen Betrugs des Jobcenters am Donnerstag und den nächtlichen Auseinandersetzungen seien rund 20 Einsatzkräfte im näheren Umfeld gewesen. Es handelt sich um sogenannten Raumschutz.

Die Frage, ob die Polizei den Hausverwalter und die Handwerker begleitet habe, „können wir verneinen“, sagte die Sprecherin. Der Einsatzleiter sei zunächst lediglich ins Haus gegangen, um Kontakt zu den Sicherheitsleuten des Hausverwalters aufzunehmen.

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Dessen Arbeiter sollen nach allen bisher vorliegenden Informationen versucht haben, übers Dach ein Loch in eine Decke zu schlagen, um so in eine besetzte Wohnung im vierten Stockwerk zu gelangen und diese zu räumen. Doch das misslang, wie das Hausprojekt über Twitter verbreitete. Die Bauarbeiter seien wieder abgezogen oder von der Polizei „zurückgepfiffen worden“.

Fotos zeigen Polizeibeamte bei einer Räumung

Laut Polizei habe der Einsatzleiter an einer Wohnungstür im vierten Stock geklopft, es habe aber niemand reagiert. Später hätten die Beamten noch ein Streitgespräch im Haus wahrgenommen und seien erneut hineingegangen, um das zu klären. Im Treppenhaus sei Reizgas versprüht worden, die Beamten hätten das Haus dann wieder verlassen.

Aus der Polizei hieß es zudem, dass die Bauarbeiter bedrängt worden sein sollen und die Polizei deshalb geholfen habe. Von den Bewohnern der Rigaer 94 verbreitete Fotos zeigen jedoch, wie Beamte Möbel in einen Sperrmüllcontainer warfen. Den Angaben zufolge soll eine Wohnung im Erdgeschoss geräumt worden sein.

Eigentümer nicht bestätigt

Bislang hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) stets erklärt, dass die Eigentümerverhältnisse nicht geklärt seien. Daher hatte sich die Polizei weitgehend zurückgehalten. Die Eigentümerstruktur der Investmentgesellschaft mit Sitz in London, der das Haus Nummer 94 gehört, habe nicht aufgeklärt werden können.

Polizisten beobachten am Donnerstag eine Versammlung auf dem sogenannten "Dorfplatz" an der Ecke Liebig-/Rigaer Straße.
Polizisten beobachten am Donnerstag eine Versammlung auf dem sogenannten "Dorfplatz" an der Ecke Liebig-/Rigaer Straße.
© Jörg Carstensen/dpa

„Der Senat wird nicht mit jemanden verhandeln, von dem er nicht weiß, wer das ist“, sagte Geisel im März. Der Innensenator plädiert dafür, dass das Land Berlin die Immobilien kauft, um den früheren Hausbesetzerkiez zu befrieden. Bereits 2018 hatte das Landgericht eine Räumungsklage zur Autonomen-Kneipe „Kadterschmiede“ abgewiesen, weil Nachweise der Eigentümerfirma fehlten.

Im Umfeld der Rigaer Straße greifen Linksextremisten seit Jahren immer wieder Polizisten an, werfen mit Steinen und Farbbeuteln und beschädigen Autos.

Polizei durchsuchte bereits am Donnerstag

Am Donnerstag hatte die Polizei Räume in dem Wohnprojekt durchsucht. Eine Polizistin soll im Januar aus dem Haus heraus mit einem Laserpointer geblendet worden sein und eine Augenverletzung erlitten haben. Bei anderen vorliegenden Anschuldigungen geht es um erschlichene Sozialleistungen. Die Polizei beschlagnahmte zwei Laserpointer, eine Tierabwehrpistole, eine Schreckschusspistole, einen Paintball Marker, eine Maske und eine Sturmhaube.

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Die Vorgänge werden nun auf jeden Fall die Politik beschäftigen. Der Linke-Innenexperten Niklas Schrader will etwa wissen, ob die Polizei in Absprache mit der Innenbehörde die richterlich genehmigten Durchsuchungen am Donnerstag genutzt habe, „um weitere Ziele zu verfolgen“. Auch fragt sich Schrader, ob sich Hausverwalter und Polizei über das Urteil des Landgerichts von 2018 hinwegsetzt haben.

Tom Schreiber verteidigt den Einsatz

SPD-Innenexperte Tom Schreiber geht hingegen davon aus, dass der Einsatz völlig sauber war und der Nachweis, wer der Eigentümer des Gebäudes ist, eindeutig klar und die Zweifel ausräumt seien. Ansonsten hätte der Einsatz auch nicht in dieser Weise ablaufen können, sagte Schreiber.

Tatsächlich war der Hausverwalter bereits am Donnerstag mit einem Bautrupp im Haus – quasi im Schlepptau der Polizei. Dem RBB sagte er, dass im Haus illegal Strom abgezapft und gegen Bauvorschriften verstoßen werden.

Er habe auch Falltüren vorgefunden, die Menschen erschlagen könnten. Sein Bautrupp hat Stahltüren und Sperren beseitigt. Der Zustand im Haus sei lebensgefährlich. Sein Ziel sei es, die Wohnungen in reguläre Mietverhältnisse zu regulären Preisen nach dem Mietspiegel anzubieten.

Es müsse ein Ende haben, dass Nachbarn im Kiez angegriffen, andere Häuser beschädigt, Polizisten attackiert werden, „dass in Kinderzimmern Feuerwerksraketen landen“, „dass das hier aussieht wie im Gaza-Streifen“. Es sei Zeit, Kante zu zeigen

Nachdem Polizeipräsidentin Barbara Slowik 2019 einen „Entscheidungsvorbehalt der Behördenleitung zum gewaltsamen Eindringen in linke Szeneobjekte“ angewiesen hatte, ist nicht davon auszugehen, dass die Polizeiführung nichts von dem Einsatz am Freitag wusste.

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