zum Hauptinhalt
Ein Obdachlosencamp am Zooverbindungsweg im Großen Tiergarten.
© Jörn Hasselmann
Update

Berlin-Mitte: Polizei räumt Obdachlosencamp im Tiergarten

Nach wochenlangen politischen Diskussionen wurde das Zeltlager im Großen Tiergarten aufgelöst. Es befand sich dort, wo vor wenigen Wochen eine Frau ermordet wurde.

Von Laura Hofmann

Es ist eins der bekanntesten Obdachlosencamps der Stadt und war vor wenigen Wochen Tatort eines Mordes. Das Zeltlager am Zooverbindungsweg, der den Großen Tiergarten mit dem Bahnhof Zoo verbindet, wurde am Montag geräumt. Im Einsatz war das Ordnungsamt des Bezirks Mitte und die Berliner Polizei.

In den vergangenen Wochen war das Thema Obdachlose im Tiergarten in der Stadt heftig debattiert worden, ausgelöst durch den Mord an der Kunsthistorikerin Susanne Fontaine, die überfallen und umgebracht wurde, als sie auf dem Heimweg vom Restaurant "Schleusenkrug" zum Bahnhof Zoo war. Mutmaßlicher Täter ist der 18-jährige Ilyas A. aus Tschetschenien, der zum Zeitpunkt der Tat eigentlich schon nicht mehr in Berlin hätte sein dürfen.

Räumung als "letztes Mittel"

In einer Pressemitteilung des Bezirks wird die Räumung bezeichnet als "konsequente Fortsetzung der stetigen Bemühungen des Bezirkes, die Fehlnutzung des Tiergartens und des öffentlichen Raums in anderen Teilen des Bezirks im Rahmen seiner Möglichkeiten einzudämmen".

Die Auflösung des illegalen Camps durch die Behörden werde "nur als letztes Mittel" eingesetzt, weil soziale Arbeit, zum Beispiel von freien Trägern, im Vorfeld nicht zum Erfolg geführt habe. Die Betroffenen waren durch den Außendienst des Ordnungsamtes über die anstehende Räumung informiert und über Hilfsangebote wie Notübernachtungen, Beratungen und Kältehilfen aufgeklärt worden.

Stephan von Dassel, grüner Bürgermeister von Mitte, sagte auf Anfrage, er wisse, dass eine bloße Räumung der Camps keine Lösung sein könne. „Wir können die rechtswidrigen Zustände im Tiergarten nicht hinnehmen und sind verpflichtet, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen." Dennoch empfinde er persönlich jede Räumung eines illegalen Zeltlagers als "schmerzhaft", weil sie das Grundproblem der Obdachlosigkeit nicht löse.

Die Grünfläche neben dem Zooverbindungsweg ist vermüllt.
Die Grünfläche neben dem Zooverbindungsweg ist vermüllt.
© Jörn Hasselmann

Im Tiergarten hatten sich nach Angaben des Bezirks bis zuletzt 60 bis 80 Personen dauerhaft aufgehalten. Wie viele Personen von der Räumung am Montag betroffen waren, konnte von Dassel nicht sagen. Bei der Aktion sei es zu keinerlei Zwischenfällen gekommen, teilte die Polizei mit.

Von Dassel begrüßt die Vereinbarung im Rat der Bürgermeister, schnellstmöglich das "überfällige" gesamtstädtische Konzept  für den Umgang mit Obdachlosigkeit zu entwickeln. Am vergangenen Donnerstag hatten sich die Bezirkschef auf eine ressortübergreifende  Arbeitsgemeinschaft geeinigt, um die Obdachlosigkeit in ganz Berlin anzugehen. Sie forderten den Senat auf, umgehend eine regelmäßige Strategiekonferenz zum gesamtstädtischen Umgang mit Obdachlosigkeit einzuberufen. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) kündigte nach dem Treffen an, die Bezirke, die laut Gesetz für die Obdachlosen- und Wohnungslosenhilfe zuständig sind, mit mehr Personal zu unterstützen.

Kritik von der Linken

Rüdiger Lötzer, sozialpolitischer Sprecher der Linken in der BVV Mitte, kritisierte das Bezirksamt in einem Beitrag auf Facebook. Seit einem halben Jahr gebe es einen Beschluss der BVV Mitte, dass die Räumungen von Obdachlosenlagern ausgesetzt werden sollen, bis der Bezirk gemeinsam mit dem Senat ausreichend Unterkünfte für obdachlose Menschen habe. Die gebe es bis heute aber nicht, die Menschen würden also entweder bald zurück kommen oder in anderen Berliner Bezirken auftauchen. "Was heißt hier, die Obdachlosen seien auf "Hilfsangebote" hingewiesen worden? Sie haben kein Dach über dem Kopf, ist das so schwer zu verstehen?"

Grüne Basis stellt sich hinter ihren Bürgermeister

Die Grünen in Mitte haben sich vergangene Woche hinter ihren Bürgermeister gestellt. Bei einer Mitgliederversammlung wurde hitzig über die von von Dassel angestoßene Obdachlosen-Problematik diskutiert. Die Basis kritisierte das Verhalten der grünen Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, die diese aus Protest gegen von Dassel boykottiert hatten. Lediglich fünf der 14 Mitglieder waren anwesend, nur drei fehlten entschuldigt.

In einer Pressemitteilung ließ die Partei verlauten, die Bezirksgruppe unterstütze die Politik des Bürgermeisters von Dassel zum Thema Obdachlosigkeit und Armutsbekämpfung. In der Sache gehen die Positionen zwischen Basis und Bezirksregierung dann aber doch auseinander: Die Bezirksgruppe lehnt Abschiebungen von obdachlosen Menschen als Lösungsweg ab. Von Dassel hatte Anfang Oktober mit der Aussage provoziert, Abschiebungen von aggressiven osteuropäischen Obdachlosen dürften kein Tabu mehr sein.

Zur Startseite