Schlappe für Berlins Innensenator: Polizei muss Eigentümer in die teilbesetzte Rigaer Straße 94 begleiten
Ein Eigentümer soll Brandschutzmängel erkunden, die Polizei will ihn dabei nicht schützen. Das Verwaltungsgericht findet die Position des Landes widersprüchlich.
Die Berliner Polizei hat im Streit um das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 eine schwere Schlappe erlitten, die auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) trifft. Das Verwaltungsgericht hat per Beschluss entschieden, dass die Polizei dem Eigentümer des Hauses Schutz gewähren muss, um der Brandschutzanordnung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg nachzukommen. Das sagte ein Sprecher des Gerichts am Freitagmorgen.
Die Polizei hatte den Schutzantrag des Eigentümers verweigert. Zuvor hatte das Bezirksamt den Eigentümer im Dezember verpflichtet, den Brandschutz durch einen staatlich anerkannten Gutachter im Haus prüfen zu lassen und Mängel abzustellen.
Die Polizei wollte Eigentümer und Gutachter jedoch nicht schützen. Die Behörde begründete dies damit, dass der Eigentümer sich vor einem Zivilgericht zunächst den Zutritt erstreiten müsse.
Zudem zog sich die Polizei darauf zurück, dass Zivilgerichte zuvor die Vertretungsvollmachten von Anwälten nicht anerkannt hatten. Das wies das Verwaltungsgericht zurück. Es erkannte die Vertretungsvollmachten vollständig an.
Darüber hinaus entschied es: Wenn das Land Berlin den Eigentümer verpflichtet, akute Brandschutzgefahren zu überprüfen und abzustellen, dann müsse das Land den Eigentümer dabei auch vor gewaltbereiten Linksextremisten schützen.
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Das Gericht wies auch die Auffassung der Polizei zurück, der Eigentümer wolle nur seine zivilrechtlichen Interessen durchsetzen. Vielmehr gehe es um die Einhaltung des Brandschutzes und damit um den Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und anderer Personen, entschieden die Richter.
Hinzu komme, dass der Fall eilbedürftig sei. Sollte der Eigentümer Brandschutzanordnung des Bezirks nicht nachkommen, wird ihm vom Bezirksamt ein Bußgeld von einer halben Million Euro angedroht.
Mehrfach wies das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss darauf hin, dass die Position der Polizei in diesem Fall abwegig ist, nicht trägt und zu kurz greift. Für das Justiziariat der Polizei könnte die Blamage größer nicht sein.
Das Gericht hat in seinem 13-seitigen Beschluss detailliert dargelegt, dass die Polizei das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) des Landes Berlin völlig falsch angewandt hat.
[Tür-Klau im Berliner Besetzerkiez? :Das Geheimnis um die Haustür in der Rigaer Straße 94 – weiterlesen bei Tagesspiegel Plus ]
Politisch brisant: Die Führung um Polizeipräsidentin Barbara Slowik und die Verwaltung von Innensenator Geisel haben sich eng abgestimmt, als das Schutzersuchen abgelehnt worden ist. Ebenso bei den Stellungnahmen an das Verwaltungsgericht.
Verwaltungsgericht: Position der Polizei trägt nicht
In der Polizei selbst rumorte es deshalb. Von einer politischen Einflussnahme war die Rede, damit nicht nach geltendem Recht vorgegangen wird. Innensenator Geisel und die Polizei haben stets darauf gepocht, dass das Landgericht in mehreren Verfahren die Vertretungsvollmachten des Anwalts und des Geschäftsführers der Eigentümerfirma nicht anerkennt hat.
Dabei handelte es ich jedoch um zivilrechtliche Verfahren, entschieden wurde nur, was die Anwälte von Eigentümer und Bewohner vorgetragen haben. Unabhängig davon unterliegen Behörden einem Amtsermittlungsgrundsatz, sie können und müssen in ihren eigenen Verfahren selbst prüfen.
Die Brandschutzaffäre in der Rigaer 94
- Seit Februar 2016 wusste die Spitze des Bezirksamts von den Brandschutzproblemen
- Doch die Bauaufsicht durfte nicht einschreiten –Bezirksbürgermesiterin Monika Herrmann und Baustadtrat Florian Schmidt
- Innensenator Geisel prüfte seit März 2020, ob das Bezirksamt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nachgekommen ist.
- Im Herbst 2020 widersprach die oberste Landes-Bauaufsicht den Hinhaltemanövern von Herrmann und Schmidt.
- Die ganze Story: Chronik eines Rechtsbruchs – so schützte Florian Schmidt die Autonomen in der Rigaer 94.
- Schmidt gibt nach und verpflichtet Eigentümer: Doch Geisel will den Bezirk losschicken.
- Bezirk sieht Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung – doch die Polizei will nichts tun.
Der Eigentümer hatte der Polizei auch Unterlagen und Gutachten zum Nachweis der Vollmachten vorgelegt, über die nun auch das Verwaltungsgericht befunden hat. Statt die Nachweise selbst zu prüfen, beharrten Geisel und die Polizei darauf, dass der Eigentümer eine zivilrechtliche Entscheidung vorlegen müsse, um die Rigaer 94 zu betreten. Das erscheint nun aber, nach Lektüre der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, völlig absurd.
Der Eigentümer, ein Berliner, der sich aus Angst vor gewaltbereiten Linksextremisten hinter einem britischen Firmenkonstrukt verbirgt, hatte bereits am Donnerstag einen Sieg vor dem Kammergericht errungen. Der von Geisel geforderte zivilrechtliche Gerichtsbeschluss, der dem Eigentümer den Zutritt in die Rigaer 94 erlaubt, ist damit ebenso erbracht.
Das Kammergericht hatte entschieden, dass die Bewohner der Rigaer 94 einem staatlich anerkannten Gutachter für Brandschutz und Vertretern des Eigentümers Zugang zum Haus und einige Wohnungen gewähren müssen.
Vor allem aber: Zwei Gerichte haben auf einen Schlag erklärt, dass der Chef der britischen Firma und die deutschen Anwälte über ausreichende Vollmachten verfügen. Die Folge: Die Behörden können sich künftig nicht auf angeblich fehlende Vollmachten zurückziehen - sie müssen die Anwälte anerkennen und mit ihnen reden.
Linksextreme drohen nun mit Gewalt
Geisel erklärte am Freitag, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes "hinsichtlich der Bevollmächtigung des Eigentümers" gebe es nun "die Rechtssicherheit, die ich seit langem gefordert habe". Jetzt würden sich Eigentümervertreter, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Polizei Berlin kurzfristig auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. "Denn klar ist: Brandschutzfragen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden", sagte Geisel. Die Polizei werde Eigentümervertreter und Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg unterstützen.
Die linksextremistische Szene droht wegen der beiden Gerichtsbeschlüsse mit Gewalt. Zu erwarten sei ein „Invasionsversuch (...) mit geplanter Belagerung“ durch die Polizei, darauf gebe es nur eine Antwort: „Widerstand auf der Straße“, schrieben Unterstützer der Bewohner am Freitag im Internet.
Das Argument „Brandschutz“ sei nur vorgeschoben beim „Wunsch, das Haus zu vernichten und dem antikapitalistischen Widerstand in Berlin zu schwächen“. Man rufe alle auf, „sich auf den Tag X vorzubereiten“. „Dieser ist bei uns erneut jederzeit zu erwarten. Auf dass sich die Bullen an unseren Trümmern verschlucken.“ Man verspreche „allen Parteien und anderen Interessenten: Wenn wir untergehen, wird es keine Sieger geben“.