Nach Lageso-Affäre in Berlin: Pewobe steigt ins Geschäft mit Obdachlosen ein
Sein Geschäft mit der Unterbringung von Flüchtlingen floriert bereits. Jetzt will der Berliner Unternehmer Helmuth Penz auch an Wohnungslosen verdienen. Seine Chancen sind gut.
Die Not der einen ist das Geschäftsfeld der anderen. Nachdem im Streit um die Nähe zwischen Berliner Baufirmen wie der Pewobe und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) erst externe Wirtschaftsprüfer beauftragt wurden und dann Lageso-Chef Franz Allert degradiert wurde, will der umstrittene Unternehmer Helmuth Penz im Sozialmarkt sogar expandieren. Penz verdient über seine Firma Pewobe schon jetzt gut an der Flüchtlingsunterbringung. Doch nun hat er eine weitere Marktlücke entdeckt: die Obdachlosenunterbringung. In dieses Geschäft wolle er verstärkt einsteigen, sagte Penz dem Tagesspiegel.
Der Piratenpolitiker Fabio Reinhardt ist alarmiert. „Wenn ein Betreiber wie Penz so etwas sagt, habe ich Bedenken, denn Obdachlosenunterkünfte werden noch schlechter als Flüchtlingsheime auf Einhaltung der Standards kontrolliert.“ Auch die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram mahnt zur Wachsamkeit: „In dem Geschäftsfeld ist noch was zu holen, keine Frage, aber man muss dann genau kontrollieren.“
Interessant sei auch der Zeitpunkt, so Bayram. Jetzt, wo dem Chef des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) die Zuständigkeit für die Flüchtlingsunterbringung entzogen worden sei, schwenke auch die Pewobe auf das Geschäftsfeld Obdachlose um, für das das Lageso weiterhin mit zuständig ist. Das könnte ein weiteres Indiz für die „besonders gute Geschäftsbeziehung“ zwischen Lageso und Pewobe sein.
Hostelbetreiber nehmen lieber Flüchtlinge - die bringen mehr Geld
Wie berichtet, prüft das Lageso nach dem Ärger seine Verträge mit Heimbetreibern wie der Pewobe oder der Awo, um die beiden größten zu nennen, genauer und damit langsamer. Zugleich strömen ungebremst Flüchtlinge nach Berlin; die Schaffung neuer Plätze hält nicht mit der Zahl der benötigten Plätze Schritt. Wenn in Notunterkünften und Vertragshostels alles belegt ist, gibt das Lageso Kostenübernahmescheine für weitere Hostels aus. Diese gelten blanko bis 50 Euro pro Person.
Rund 1800 Flüchtlinge sind aktuell mit Hilfe solcher Gutscheine untergebracht. Das kostet Millionen. Viele Hostels haben ihre Preise erhöht, um mehr kassieren zu können. Das wiederum trifft unter anderem die Obdachlosen, denn für sie sind die Bezirke zuständig, und die geben in der Regel nur 25 Euro aus. Da Flüchtlinge also mehr Geld bringen, werden sie von Hostel-Betreibern bevorzugt – und nun kommt Helmuth Penz ins Spiel.
Für unter 25 Euro pro Nacht könne er die Obdachlosen problemlos unterbringen, sagt er. „Ich kann schnell leisten“, so Penz. Er habe die Immobilien und das Personal, zumal man für Obdachlose weniger benötige als für Flüchtlinge. Penz will jetzt die Bezirke ansprechen; er hat gute Aussichten, zum Zuge zu kommen. „Das System ist implodiert“, berichtet etwa Sozialstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) aus Tempelhof-Schöneberg. „Es sind einfach zu viele Menschen. Auch wir stellen nur noch Kostenübernahmescheine aus.“ Ein Geschäft mit Penz? „Würden wir wahrscheinlich machen. Wir haben keine Wahl“, sagt Klotz.
Die Bezirke sind völlig überfordert
Auch Falko Liecke (CDU) aus Neukölln äußert sich ähnlich. „Herr Penz ist derzeit in einer komfortablen Situation“, sagt Liecke. „Das Problem ist, dass wir wirklich den Bedarf haben.“ Auch er würde grundsätzlich mit Penz Geschäfte machen – es käme auf die Konditionen an. In der Stadt gibt es rund 2000 weitere Personen, die derzeit in Lageso-Unterkünften wohnen, dort aber gar nicht mehr hineingehören, weil sie ihren Bescheid bereits erhalten haben. Auch sie fallen in die Zuständigkeit der Bezirke, die nach eigenen Angaben damit völlig überfordert sind.
Penz ist nicht der Einzige auf dem Markt. Von 114 Einrichtungen mit 5689 Plätzen wurden 25 von freigemeinnützigen Anbietern betrieben und 89 Einrichtungen mit 4344 Plätzen von gewerblichen Anbietern, darunter auch eine Nachfolgeorganisation der Treberhilfe. Das ist allerdings der Stand von Mitte 2013; er geht aus einer parlamentarischen Anfrage hervor. Neue Zahlen gibt es nicht; der Senat arbeitet nach eigenen Angaben an einer Wohnungslosenstatistik.
Derzeit kommen jeden Monat mehr als 3000 Flüchtlinge in der Stadt an. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Zahlen verdreifacht. 3092 Kostenübernahmeerklärungen wurden bis 18. Juni für 5667 Personen ausgestellt. Während im Jahr 2014 die Kosten bei sechs Millionen Euro lagen, sind in diesem Jahr allein bis 19. Juni schon 8,5 Millionen Euro dafür angefallen. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage hervor.
Das Lageso wird sicher vorerst weiter auf Penz zurückgreifen müssen – dem Senat fehlen eigene Immobilien. Zwar hat er einen Paradigmenwechsel beschlossen: Er will auf landeseigenen Grundstücken selbst Modulbauten errichten, um mehr Freiheit bei der Wahl der Betreiber zu haben. Im Bezirk Mitte ist dieser Plan schon gescheitert – es gibt kein entsprechendes Grundstück.
Fatina Keilani