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Bett an Bett: Die Johanniter Unfallhilfe richtet Ende 2014 eine Flüchtlingsnotunterkunft in der Sporthalle der Freien Universität Berlin ein.
© Björn Kietzmann

50 Euro pro Nacht im Hostel: Berlin muss mehr Flüchtlinge denn je unterbringen

Der Senat beschließt ein 50-Seiten-Flüchtlingskonzept. Ressorts sollen besser kooperieren. Die Unterbringung bleibt ein Problem: Im Juli werden 3500 Neuankömmlinge erwartet - so viel wie nie seit der Wiedervereinigung.

Auch in den Sommerferien wird sich der Senat mit ihnen befassen müssen – in diesen Wochen werden womöglich mehr Flüchtlinge in der Stadt ankommen, als die Behörden seit der Wiedervereinigung je registriert haben. Allein in diesem Juli werden behördenintern 3500 Neuankömmlinge erwartet.

Insgesamt könnten 2015 bis zu 30.000 neue Asylbewerber in Berlin leben – noch 2012, als die Bürgerkriege im Nahen Osten begannen, kamen weniger als 9000 Männer, Frauen und Kinder in die Stadt. Für die Neuankömmlinge aber gibt es seit Jahren zu wenig Räume, was den Senat zehntausende Euro pro Monat extra kostet.

Weil wie berichtet Heimplätze fehlen, können Vermieter privater Räume in Wohnungen und Hostels pro Tag und Flüchtling bis zu 50 Euro beim zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) abrechnen. Derzeit sind rund 1800 Flüchtlinge über dieses Gutschein-System untergebracht – und täglich kommen 100 neue Flüchtlinge in der Stadt an.

Folglich werden Privatanbieter selbst Schlafnischen vermieten können, die das Lageso wohl bezahlt, weil es die Männer, Frauen und Kinder nicht in die Obdachlosigkeit entlassen darf. Das Geschäft mit den Gutscheinen klappt auch, weil Sozialsenator Mario Czaja (CDU) nach Protesten keine Turnhallen mehr als Notunterkünfte mit Flüchtlingen belegen lassen will. Noch im Winter waren sieben Hallen in der Stadt zu Bettenlagern umfunktioniert worden.

Für landeseigene Heime gebe es Nachnutzer

Eigentlich, hatte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) kürzlich erklärt, wolle man Flüchtlinge möglichst in festen, landeseigenen Häusern unterbringen. Dies hätte den Vorteil, dass das Lageso die Heimbetreiber besser kontrollieren kann. Zudem könnten die Häuser dann in der Not nicht vorenthalten werden. Damit hatte Czaja auf die Lageso-Affäre um falsche Abrechnungen und zweifelhafte Verträge mit Heimbetreibern reagiert.

Auch ein Heimplatz kostet zwar Geld – so müssen Baukosten, Strom, Essen und Hausmeister bezahlt werden. Doch pro Kopf und Tag ist das oft nicht so viel, wie in einem Hostel berechnet wird. Zudem stünde ein landeseigenes Heim grundsätzlich länger zur Verfügung – etwa als Obdachlosenunterkunft. Die Mittel an Hostel- und Ferienwohnungsvermieter aber fließen als Privatgewinn ab.

Gesundheitskarte für Flüchtlinge entlastet Lageso

Inzwischen wird zu Flüchtlingen im Senat immerhin ressortübergreifend gearbeitet – immer wieder hatten sich die Verwaltungen blockiert, die Stimmung zwischen CDU-Mann Czaja und seinen SPD-Kollegen galt als angespannt. Am Dienstag nun hat die Koalition ein knapp 50-seitiges Papier verabschiedet, an dem fast alle Ressorts beteiligt waren: Demnach sollen neue Heime besser an den Nahverkehr angebunden sein, Kinder schneller unterrichtet werden und im Bleiberechtsfall sollen zügiger Sprach- und Berufsförderung erfolgen.

Das Lageso entlasten dürfte auch die geplante Gesundheitskarte: Bislang bekommen Asylbewerber im Quartal einen Krankenschein, über den die federführend zuständige AOK alle Behandlungen beim Lageso abrechnet. Mit dem Schein müssen in Praxen auch Überweisungen geholt werden – alles in allem ein kompliziertes System. Auf einer Gesundheitskarte werden wie bei Krankenkassenkarten üblich Daten gespeichert, einmal ausgehändigt, berechtigt sie zum Arztbesuch, das Lageso muss also nicht dauernd Krankenscheinausgaben organisieren.

Ebenfalls am Dienstag traf sich der Runde Tisch: Zu dem Gremium hatte Senator Czaja neben der Opposition Sozialverbände, Heimbetreiber, Kirchen und Flüchtlingsvertreter geladen – erste Ergebnisse werden in den nächsten Tagen erwartet.

Hannes Heine

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