Tour durch Braunkohleregion: Parlamentarier finden keine gemeinsame Haltung zum Tagebau
Berliner und Brandenburger Abgeordnete besuchten zusammen den Tagebau Welzow Süd. Bei ihrer Tour konnten sie aber keine gemeinsame Haltung zu den Braunkohle-Plänen finden.
Begeistert sind die Berliner in der Lausitz nicht empfangen worden. Dass sich das Berliner Abgeordnetenhaus neuerdings für die Braunkohle-Pläne des benachbarten Bundeslandes interessiert, verfolgen viele in Brandenburg mit Misstrauen. Wochenlang hatten die brandenburgischen und die Berliner Ausschüsse darüber gestritten, was die Besucher aus der Stadt zu sehen bekommen sollten. Eines haben sie jedenfalls nicht gesehen: Das Bioenergiedorf Proschim, das der Erweiterung des Tagebaus Welzow Süd II weichen soll, ließen die beiden Busse der Abgeordneten aus.
Gesehen haben die Gäste aus Berlin und Potsdam am Ende den Tagebau Welzow Süd, ein brandneues Abwasserwerk, in dem Grubenwasser von Eisenoxid bereinigt wird. Sie haben eine Einleitungsstelle für „Öko-Wasser“ besichtigt, die gerade frisch saniert war. Vattenfall und das Landesbergamt Brandenburg nennen das gereinigte Wasser „Öko-Wasser“, weil es eine Landschaft vernässen soll, die entwässert worden war, um die Kohle zu fördern. Das Wasser werde noch Jahre nach dem Ende der Kohleförderung in die Landschaft geleitet, sagte der Vattenfall-Geohydrologe Thomas Koch.
Der verockerte Bach war aber wenige Schritte weiter im Wald trotzdem zu sehen, zumindest für die Abgeordneten, die über die Straßenbegrenzung kletterten, um sich das einmal genauer anzuschauen.
Nach Sommerpause gemeinsame Landesplanungskonferenz
Wo immer die Abgeordneten ankamen, die Demonstranten waren schon da. Greenpeace und einige kleinere Bürgerinitiativen bauten sich mit ihren Anti-Kohle-Plakaten vor einem der großen Löcher in der Landschaft auf, am Tagebau Welzow Süd. Auf das Transparent einer Bürgerinitiative gegen ein „Endlager im Altdöberner See“ trafen die beiden Busse mehrfach. Die Bürgerinitiative wehrt sich dagegen, dass Eisenschlamm im See versenkt werden soll.
Am Ende der Reise empfingen dann die Gewerkschaft IGBCE und einige Betriebsräte von Vattenfall die Politiker. Sie wollen, dass die Braunkohleförderung noch lange weitergeht, weil sie annehmen, dass das ihre Arbeitsplätze sichert.
Nach der Sommerpause soll die gemeinsame Landesplanungskonferenz der beiden Bundesländer tagen. Wie weit die Positionen voneinander entfernt sind, zeigte sich bei der öffentlichen Anhörung im Anschluss an die Ausschussreise. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) begründete mit der Rettung des Wirtschaftsstandorts Deutschland vor nicht wettbewerbsfähigen Strompreisen, dass die Braunkohle noch lange gebraucht werde.
Der Staatssekretär in der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Umwelt, Christian Gaebler, redete dagegen von den Sorgen im Berliner Wasserwerk Friedrichshagen über die hohen Sulfatwerte, die mit der Spree in die Trinkwasserbrunnen von rund zwei Millionen Berlinern gespült werden.
"Wir brauchen Klarheit"
Das Sulfat, das die Berliner so bedrückt, bleibt wohl noch länger ein Problem. Ingolf Arnold von Vattenfall sagt: „Sulfat ist eine ganz faule Verbindung.“ Doch seit dem vergangenen Herbst wird das Wasser nicht mehr direkt in die Spree geleitet, sondern „auf einem riesigen Gebiet verteilt“, berichtet Arnold. Das Sulfat fließe ins Grundwasser und bleibe da, hofft er. Ausschließen kann aber auch er nicht, dass es am Ende doch in der Spree landet. Vattenfall hofft, dass das Sulfat besser verdünnt wird und damit die Grenzwerte eingehalten werden können.
Die Bürgermeisterin von Welzow, Birgit Zuchold (SPD), beklagte vor allem die Unsicherheit. „Wir brauchen Klarheit“, sagte sie und forderte „unverzüglich“ einen Strukturfonds; die Verkaufspläne Vattenfalls und die Debatte um die Klimaabgabe verunsicherten die Bevölkerung. René Schuster von der Grünen Liga warb dagegen für Verständnis für Proschim, das „ein intaktes Dorf wäre, wären da nicht die Konflikte um den Tagebau".
Nicht nur Angst bremst Veränderungsprozess
Die Lausitzer Abgeordnete Heide Schinowsky (Grüne) beobachtet zwar seit Monaten, wie sich die Diskussion um die Braunkohle verändert. Wegen der Debatte um die Verockerung der Spree stellen inzwischen auch viele frühere Braunkohlebefürworter zumindest die Erweiterung der Tagebaue infrage. Nach dem „Strukturbruch der 1990er Jahre“ (Zuchold) ist die Lausitz noch weit davon entfernt, eine Brücke von der „Braunkohle in die Zukunft“ zu sein, wie der Chef des Landesbergamts, Klaus Freytag, das am Mittwoch beschrieb.
Schinowsky sagt: „Die Angst ist nicht auszuhalten.“ Und es ist offenbar nicht nur Angst, die den Veränderungsprozess in der Lausitz bremst. Bei der Anhörung im Seehotel Großräschen beklagte sich Vattenfall-Vorstand Hubertus Altmann: „Wir sind nicht die Schmutzfinken der Nation.“ Und sein Betriebsratschef Rüdiger Siebers warf den Abgeordneten und Umweltschützern vor, nicht genug Respekt für die Belegschaft aufzubringen. „Wir versorgen die Industrie mit Strom. Dafür müssen wir uns nicht entschuldigen.“
Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung des Textes fehlten einige Namen und der Name der Abgeordneten Schinowsky war falsch geschrieben. Entschuldigung.