zum Hauptinhalt
Um das Berliner Trinkwasser kümmern sich jetzt Bachflohkrebse.
© dpa/picture-alliance

Kleine Saubermänner: Bachflohkrebse kümmern sich um das Berliner Trinkwasser

Bisher überwachten Moderlieschen die Reinheit des Berliner Trinkwassers. Doch die Behörden schicken sie in Rente. Jetzt dürfen Bachflohkrebse ran.

Berlins Trinkwasser muss sauber bleiben. Um sicherzustellen, dass keine Keime oder Schadstoffe ins Netz gelangen, werden PH-Wert, Trübung, Sauerstoffgehalt und mehr in den Wasserwerken permanent online überwacht. Außerdem werden regelmäßig Proben analysiert. Weil das allerdings immer einige Zeit dauert, betreiben die Berliner Wasserbetriebe ein Frühwarnsystem – mit tierischer Unterstützung.

Einsatz für Leucaspius delineatus. Jeweils acht der zur Familie der Karpfen gehörenden Moderlieschen sind in den drei größten Berliner Wasserwerken Beelitzhof, Friedrichshagen und Tegel zum Schichtdienst eingeteilt. Die bis zu zehn Zentimeter langen einheimischen Schwarmfische arbeiten in Biotoximetern, in wasserdurchströmten Aquarien, ständig beobachtet von Kameras. Schwimmen sie ganz oben oder ganz unten ist das ein Hinweis auf Schadstoffe im Wasser. Dann wird per Computer automatisch Alarm ausgelöst, das Wasser zusätzlich analysiert und im Zweifelsfall nicht ins Netz eingespeist.

Besonders sensibel bei Verunreinigungen

Kein schlechtes Leben für die Moderlieschen, nach jeder Schicht werden sie in einen sechswöchigen Erholungsurlaub geschickt. Dennoch gehen sie jetzt in Rente. Da es sich um Wirbeltiere handelt, wird ihr Einsatz behördlich als Tierversuch eingestuft und nicht mehr genehmigt. Die Ablösung steht schon bereit: Gammarus Pulex. Ende Mai nehmen die ersten acht Bachflohkrebse, maximal zwei Zentimeter kleine Kerlchen, im Zwischenpumpwerk Kleistpark die Arbeit auf.

Sie können den Moderlieschen-Job auch, weil sie besonders sensibel auf Verunreinigungen reagieren. Die Wirbellosen absolvieren ihren Dienst in der „Sensa Disc“, die von der Kieler Firma Sensatec mit den Berliner Wasserbetrieben entwickelt und 18 Monate lang an zwei Standorten getestet wurde.

Sie verfügt über acht kleine Kammern, deren Sensoren registrieren, wenn sich die Krebse darin schneller als gewöhnlich bewegen oder atmen, was auf eine Verunreinigung des Wasser hinweisen könnte. Die Messwerte erscheinen, ähnlich wie EKG-Kurven, auf dem Bildschirm einer Zentralstation, die ab einer bestimmten Überschreitung der Standardwerte einen Alarm auslöst.

Nach einwöchigem Einsatz werden sie abgelöst

Bachflohkrebse leben in der Natur in stehenden oder schwach fließenden Gewässern und ernähren sich von abgestorbenem Laub. Sie werden auch als Futter für Fische, Reptilien und Schildkröten gezüchtet. Im Wasserwerk haben die Krebse, die zehn Tage ohne Nahrung auskommen, kein schlechtes Leben. Nach jeweils einwöchigem Einsatz werden sie abgelöst, können sich in einem Sammelbecken erholen und bis zum nächsten Dienst sattfressen.

Bis zum Jahresende sollen fünf SensaDiscs im Betrieb sein, mittelfristig ist die Beschaffung von mehreren Dutzend Einheiten geplant, sagt Stephan Natz, Sprecher der Wasserbetriebe. So soll das Frühwarnsystem engmaschiger werden. Da die Scheibe wesentlich kleiner als Biotoximeter ist, soll sie, mit einem Funksender zur Datenübermittlung ausgestattet, künftig auch an Knotenpunkten im Wassernetz installiert werden.

Zur Startseite