IT-Konzept an Berliner Schulen floppt: Nutzlose Hochleistungsserver statt funktionierender Toiletten
Getippte Schülerlisten und selbstgebastelte Software, damit sollte es vorbei sein an Berlins Schulen. Das Senatsprojekt „eGovernment@school“ aber ist gescheitert. Ein teurer Flop, der symptomatisch ist für die Berliner Verwaltung. Ein Kommentar.
Der Begriff klang irgendwie gut: „eGovernment@school“ sollte Berlins Schulen und die Schulverwaltung in das 21. Jahrhundert hineinführen. So wollte es die Bildungsverwaltung. Vorbei die getippten Schülerlisten, vorbei die Fehleinschätzungen des Lehrerbedarfs, vorbei die selbstgebastelte und inkompatible Software, die in den Schulen kursiert. „Zentrale Schülerdatei“ und „elektronisches Klassenbuch“ lauteten die neuen Zauberwörter. Sechs Jahre ist das her.
Inzwischen ist der Begriff verbrannt. Er steht für verlorene Millioneninvestitionen und für überflüssige Hochleistungsserver in Schulen, die sich ansonsten nicht einmal saubere Toiletten leisten können. Er steht für sechs verlorene Jahre, in denen auf eine längst veraltete technische Lösung gesetzt wurde. Er steht für einen weiteren Vertrauensverlust in die Zurechnungsfähigkeit der Verwaltung. Er steht für den Versuch von Pädagogen in Führungspositionen, ein Problem zu lösen, das ihre Kompetenzen übersteigt.
Nun also: alles auf Anfang. Im Austausch mit Brandenburg und Hessen versuchen die Berliner jetzt, eine zeitgemäße zentrale Lösung zu finden. Immerhin eine Hoffnungsschimmer, der darin besteht, dass es statt dezentraler Server ein großes gemeinsames Rechenzentrum für alle Berliner Schulen geben soll. Es wird zwar nochmals Jahre dauern, bis die Schulen die Entlastung bekommen können, die sie so dringend brauchen. Aber immerhin wissen sie nun endlich, wo es lang geht.
Das Desaster um Berlins Schulen und ihren missglückten Aufbruch ins IT-Zeitalter hat allerdings noch eine zweite Ebene, die über die Schulverwaltung hinausgeht und in die Senatskanzlei hineinreicht. Deren Chef wird nicht müde zu betonen, wie wichtig es für Berlin ist, eine Art Vorreiter bei der Digitalisierung zu sein. Für eine Stadt, die neben der Kultur nicht viel mehr zu bieten hat als gutes Knowhow, ist das der richtige Ansatz. Nur – die praktische Politik passt nicht dazu.
Wie sonst wäre zu erklären, dass der rot-schwarze Senat fast die gesamte Legislaturperiode dazu brauchte, das geplante eGovernment-Gesetz auf den Weg zu bringen? Erst in diesem Herbst soll es endlich beraten werden. Deshalb sind nach wie vor alle Ressorts darauf angewiesen, ihre eigenen kleinen Lösungen zu finden, ohne dass sie über Fachkräfte verfügen.
Wohin so viel Ahnungslosigkeit führt, ist nicht nur in der Bildungsverwaltung zu betrachten. Auch andere Behörden wurschteln vor sich hin, als hätte es die technischen Fortschritte der vergangenen 20 Jahre nicht gegeben. Den Schulbereich allerdings trifft es besonders hart. Immerhin geht es hier um 400 000 Schüler und 30 000 Lehrkräfte, für die die Verwaltung zuständig ist: Jeder weitere Tag in der technologischen Steinzeit bedeutet hier einen ungeheuren Verlust. Die veralteten Strukturen stehlen den Pädagogen die Zeit, die sich eigentlich für ihre Schüler brauchen. Und sie nehmen den Bezirken und den Schulräten die Möglichkeit, ihre knappen Ressourcen optimal zu verteilen.
Vielleicht hatte der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, ja dieses Desaster vor Augen, als er vor einigen Tagen twitterte: „Die Digitalisierung der Verwaltung gesetzlich unterstützen!“ Nur: An wen war diese Forderung gerichtet, wenn nicht an ihn selbst?