Modernisierung der Schulverwaltung: Supergau@school
Vor acht Jahren geplant, vor sechs Jahren beschlossen und nun einkassiert: Das IT-Konzept für Berlins Schulen landet auf dem Müll.
Das Ziel klang plausibel, und einen schönen Namen gab es auch: Das 60 Millionen Euro teure Projekt „eGovernment@school“ sollte Berlins Schulen zum Sprung ins digitale Zeitalter verhelfen. Vorbei die selbstgestrickte Stundenplansoftware, vorbei die mühselig komponierten Schülerlisten, die per Auto zum Schulamt gefahren werden, vorbei die ungenaue Personalplanung. Eine gemeinsame IT-Infrastruktur und einheitliche IT-Systeme sollten den Schulen und ihren zuständigen Behörden ab Ende 2011 Entlastung verschaffen, wurde versprochen. Seit Mitte 2015 steht hingegen fest: Das Konzept steht wieder am Anfang. Über 38 Millionen Euro sind bereits verbraucht. Mindestens.
Die Mitteilung liest sich eher unspektakulär: „Der Ansatz zur Etablierung einer dezentralen einheitlichen IT-Infrastruktur .... wird nicht weiterverfolgt“, heißt es im aktuellen Bericht der Bildungsverwaltung an den Hauptausschuss, der dem Tagesspiegel vorliegt. Stattdessen solle es einen „zentralen Serverbetrieb in einem Rechenzentrum“ geben. Damit ist klar: Der seit Jahren betriebene Einbau von Serverräumen an den Schulen und die damit zusammenhängende Verkabelung war ebenso überflüssig wie der Einkauf der großen teuren Server, die zum Großteil schon an die Schulen ausgeliefert wurden.
Vor allem aber: Die Schulen werden noch lange auf die versprochene Entlastung warten müssen. Wann sie endlich mit einer spürbaren Arbeitserleichterung rechnen können, ist bislang unklar wie die Kosten, die der zentral ausgerichtete Neustart verursachen wird.
„Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen“
„Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen“, kommentiert der Grünen-Abgeordnete Thomas Birk den lang erwarteten Bericht an den Hauptausschuss. Insbesondere sei nicht klar, wie eGovernment@school noch in den Doppelhaushalt 2016/17 eingebracht werden könne, der aktuell verhandelt wird. Denn der Hauptausschuss will das Thema erstmal an den Ausschuss für digitale Verwaltung delegieren. Vor der Sommerpause wird also wohl nichts entschieden.
Das hat auch damit zu tun, dass das weitere Vorgehen offen ist. So hat die Verwaltung noch nicht entschieden, was die künftige zentrale Struktur bieten soll: Zur Auswahl steht eine komplexe Variante aus Hessen und eine einfache aus Brandenburg. Birk fragt sich, warum noch nicht einmal diese wichtige Grundsatzentscheidung gefällt wurde, obwohl schon seit 2014 der Stopp der dezentralen Berliner Variante greifbar war.
Tatsächlich scheint die Entscheidungsfindung im Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) extrem zäh zu verlaufen. So hatte ihr Staatssekretär Mark Rackles (SPD) schon im Juni 2014 in Aussicht gestellt, dass einen Monat später die Entscheidung für oder gegen den dezentralen Berliner Weg fallen sollte. Stattdessen dauerte es bis jetzt.
Der Rechnungshof sieht Millionenschaden
Auch sonst gibt es viele offene Fragen. Völlig unklar ist zum Beispiel, welchen Betrag die Bezirke bisher ausgegeben haben, um die nun wohl überflüssigen Serverräume herzurichten. Die Antwort dürfte auch den Rechnungshof interessieren, der ohnehin schon lange das missglückte Projekt verfolgt. Die Prüfer hatten in ihrem letzten Bericht Anfang Mai insbesondere moniert, dass die Bildungsverwaltung viel zu früh Hardware für eGovernment@school angeschafft habe: Dadurch seien „finanzielle Nachteile von bis zu 16 Millionen Euro entstanden“, hieß es. Da das Projekt nun völlig neu ausgerichtet wird, dürfte der Schaden noch viel höher ausfallen, da auch etliche Schulungen überflüssig waren.
Rackles selbst nennt in dem Bericht an den Hauptausschuss noch viele weitere Probleme. Dazu gehört etwa, dass sein Haus keine Verwaltungs-, Test-, Schulungs-, Konferenz- und Gremienräumlichkeiten hat, um die zentrale Ausrichtung des Konzepts zu begleiten. „Bis so etwas aufgebaut ist, vergeht in der Regel schon ein Jahr“, gibt Birk zu bedenken. Vor diesem Hintergrund und angesichts der anderen offenen Fragen „darf gerätselt werden, welche Zeitvorstellung der Senat hat und was die armen Schulen bis dahin machen sollen“, resümiert Birk, der auch Fraktionssprecher für Verwaltungsmodernisierung ist.
Die Schulen wurden im Unklaren gelassen
Der Rechnungshof prangert aber nicht nur die Geldverschwendung an. Er vermisst auch einen aufrichtigen Umgang mit den Problemen. So habe die Bildungsverwaltung im März 2013 dem Hauptausschuss berichtet, dass das „initiale Projekt eGovernment@School mit dem Jahr 2012 abgeschlossen“ worden sei – obwohl schon damals feststand, dass es enorme Schwierigkeiten gab. Sie habe auch behauptet, dass während der Vorphase die Wirtschaftlichkeit und die Finanzierung untersucht worden seien. Entsprechende Beweisunterlagen habe Scheeres aber nicht vorgelegt, bemängelt der Rechnungshof. Zudem seien die Schulen „über den Sachstand und die Planungen der Senatsverwaltung nicht mehr informiert“ worden. In der Folge haben viele Schulleiter mit dem Thema abgeschlossen. Die verwaisten Serverräume werden inzwischen ignoriert bestenfalls nur noch mit Schulterzucken quittiert. Angesichts der baulichen Mängel und der allseits fehlenden Gelder ärgern sich die Schulen aber massiv darüber, dass für rund 10 000 Euro die anspruchsvollen Server angeschafft wurden, die bereits veraltet waren, bevor sie ans Netz gingen.
„Die Bildungsverwaltung hätte viel schneller umsteuern müssen“, kritisiert Birk. „Kompetenzgerangel und Machtkämpfe“ hätten das aber verhindert. Er nennt den Vorgang einen „Supergau“.