Bei manchen zu voll, woanders zu leer: Neustart der Berliner Gastronomie lief durchwachsen
Das erste Wochenende nach der Zwangspause lief nicht für alle Gaststätten gut. Es bleibt die Hoffnung auf gutes Wetter und Draußensitzen.
In und vor Berlins Restaurants darf wieder gegessen und getrunken werden. Bilanz des Wochenendes: Gehwege wurden mit Tischen vollgestopft, Kellner vergaßen ihre Masken, in einer Pizzeria in Wedding verabschiedete der Chef Stammgäste mit Küsschen, vergaß aber, Kontaktdaten aufzunehmen.
Das erledigte dafür andernorts die Polizei: 22 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Eindämmungsverordnung gab es am Wochenende, darunter auch wegen illegaler Kneipenöffnungen und Verletzung der Abstandsregeln. Auch im Promirestaurant Borchardt rückten Polizisten an, weil zu viele Gäste da waren.
„Aus unserer Sicht war das Wochenende eine Katastrophe“, sagte der Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Berlin, Uwe Schild, der „Morgenpost“. Derart niedrige Umsätze hätten viele Betriebe noch nie gemacht, aus unternehmerischer Sicht wäre es schlauer gewesen, Cafés und Restaurants geschlossen zu lassen, so Schild.
Die Leute haben sich daran gewöhnt, weniger zu konsumieren
Auch der Inhaber des Café Berio, das seit Jahrzehnten eine Institution im Nollendorfkiez ist, stellt fest: „Der Besucherandrang blieb aus.“ War früher am Wochenende schon um 10 Uhr morgens kaum ein Platz mehr frei, sei man davon jetzt „weit entfernt“. Viele hätten in der Zeit des Shutdowns gemerkt, dass man auch eine Woche ohne größeren Konsum gut verbringen kann. „Diese Änderungen im Alltag der Menschen kann ich nachvollziehen. Als Gastronom muss ich mich daran jetzt anpassen.“
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Ähnlich schwach verlief der Neustart in Treptow-Köpenick: Das erste Wochenende war nicht so umwerfend, sagt der Dehoga-Beauftragte für den Bezirk, Svend Rickmer Goed vom Evelin’s an der Müggelspreepromenade. „Es ist nicht so angelaufen, wie man sich das vorgestellt hat“. Also nicht so wie bei den Friseuren, die quasi überrannt wurden. Viele ältere Gäste hätten noch Angst sich in ein Restaurant zu setzen.
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In Friedrichshain-Kreuzberg waren viele Plätze belegt
Andernorts lief es besser: Viele Kreuzberger Cafés waren am Samstagvormittag gut besucht, vor einigen angesagten Restaurants bildeten sich später Schlangen. Der Rummelsburger Club Sisyphos, der am Wochenende zwar nicht zum Tanzen, aber zum Essen mit Musik öffnete, vermeldete zwischenzeitlich, keine freien Plätze mehr zu haben.
Die Gastronomen können also vor allem auf gutes Wetter hoffen und damit auf Gäste an den Außenplätzen, wo die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus geringer ist. Prognose: Kommt Sonne, folgt Umsatz.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will seine gastronomischen Betriebe deshalb besonders unterstützen und bietet eine Ausnahmegenehmigung an, um Tische und Stühle auf die Straße zu stellen. So könnten bald ganze Schankstraßen entstehen, die von Freitag bis Sonntag zwischen 11 und 22 Uhr für den Autoverkehr gesperrt sind.
Gastronomen konnten dazu bis Sonntagabend Anträge stellen. Bisher haben sich laut Bezirksamt circa 300 Interessenten gemeldet, wie es am Montag auf Nachfrage hieß.