Eine Ausstellung wie ein Clubbesuch: Neues Lichtkunst-Museum „Dark Matter“ eröffnet in Berlin
Zum Mauerjubiläum zog Christopher Bauder 2014 eine „Lichtgrenze“ durch Berlin. Nun eröffnet er sein eigenes Museum „Dark Matter“ in Lichtenberg.
Die Dunkelheit hat schon immer viele fasziniert. Egal ob Nachtwanderungen, Schwarze Löcher oder die Tiefsee – was mag sich dort, wo man nicht sehen kann, wohl verbergen? Und natürlich hat die Dunkelheit auch in der Pop- und Subkultur ihre Anhänger: vom Film Noir über Gothic und Dark Wave bis zu den „All black everything“-Technofans und Berghain-Jüngern aus Berlins Szenevierteln bis hin zu den Darkrooms der Schwulenszene.
Der Berliner Künstler Christopher Bauder, bekannt durch große Installationen für das CTM-Festival oder die „Lichtgrenze“ beim Mauerfall-Jubiläum 2014, hat ihr nun ein ganzes Museum gewidmet: „Dark Matter“, also „Dunkle Materie“, ist ab diesem Freitag für Besucher:innen geöffnet.
Allerdings geht es dort nicht um die Dunkelheit allein, sondern um ihr Zusammenspiel mit Bauders Lichtinstallationen. Insofern ist der Name auch als eine, grammatikalisch freie, Abwandlung von „dark matters“ („Dunkelheit zählt“) zu verstehen – Dunkelheit als Voraussetzung, das Licht wahrzunehmen.
Das Museum besteht aus drei außen wie innen in mattem Schwarz gestrichene Ausstellungshallen auf einem alten Industriegelände in Rummelsburg, direkt neben dem Technoclub Sisyphos. Und auch das Ausstellungserlebnis bei „Dark Matter“ kommt einem Besuch im Technoclub sehr nah: Die Installationen sind Kombinationen aus Licht, Bewegung und elektronischer Musik – quasi die Essenz des reinen Cluberlebnisses, runtergebrochen auf die intime Interaktion zwischen Besucher:in und Ort.
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Mal bestehen die Werke aus reinem Licht, wie bei „Liquid Sky“, wo sich eine Decke aus 800 statischen Lichtquellen durch verspiegelte Wände in die Unendlichkeit zu ziehen und durch die Variation in der Helligkeit der Lichtpunkte zu bewegen scheinen. Mal sind nur schwarze Kugeln vor einer erleuchteten Wand zu sehen, wie bei „Inverse“, der einzigen Installation, die eigens für „Dark Matter“ entstanden ist.
Bei „Grid“, der größten Installation, werden Kinetik und Licht kombiniert: In einer 45 Minuten andauernden Show schweben Leuchtröhren mit wechselnden Farben durch den Raum, mal langsam und meditativ zu ruhigen Klängen, mal abstrakt und bedrohlich zu düsteren Maschinensounds, wie ein Raumschiff, das gleich auf der Erde landet.
Die Musik zu „Grid“, die unweigerlich an den Sci-Fi-Film „Blade Runner“ denken lässt, stammt von Robert Henke. Der arbeitet unter dem Namen Monolake erfolgreich als DJ und ist Erfinder von Ableton, eine der bekanntesten Softwares für elektronische Musik.
Bauder macht auch Lichtinstallationen für große Bühnenshows
Technik spielt bei Christopher Bauders Arbeiten eine wichtige Rolle – wenn nicht gar die Wichtigste. Hinter der Produktion seiner Kunstwerke stecken seine eigenen Firmen, Kinetic Lights und White Void, mit denen er vor Corona Lichtinstallationen für Veranstaltungen gemacht hat – vor allem Konzerte und Festivals, auch in einem großen Club in Las Vegas hängt eines seiner Werke.
Wie die Installationen zu deuten sind, lässt der Künstler offen. Es gebe da schon Botschaften, aber die seien eher lose, assoziativ. Jeder könne seine eigenen Erfahrungen darauf projizieren. Schwer zugängliche, komplexe philosophische oder gesellschaftskritische Konzepte wie bei der Medienkunst der 1960er und 1970er Jahre gibt es hier nicht.
„Im Grunde arbeiten wir mit ganz simplen Taschenspielertricks“, sagt Bauder. „Wenn irgendwo etwas flimmert, sich Licht bewegt, dann schaut man da automatisch hin.“ Er mache bei seiner Kunst einfach, was ihm gefällt – und versuche nicht, künstlich beim Publikum anzuecken.
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Obwohl Bauder selbst in den Neunzigern nach Berlin kam, hier an der UdK studierte und auf Technopartys in Mitte ging, kann er mit der Nostalgie, die viele zu dieser Zeit hegen, nichts anfangen. "Man muss in die Zukunft schauen", sagt er, ewig in der Vergangenheit rumzustochern bringe ja niemanden weiter. "Mit Dark Matter schramme ich schon gefährlich nah an dieser Nostalgie-Grenze", sagt er und lacht, immerhin sei es eine Retrospektive seiner Arbeiten.
In einer Blockchain-Technologie sieht Bauder die Zukunft der Kunst
Auf jeden neuen Trend aufspringen will Bauder dennoch nicht. Worin er für sich und viele junge Künstler:innen ein zukunftsfähiges Modell sieht, sind NFTs, "Non-Fungible Tokens" - ein digitales Zertifikat auf einer Blockchain, das einem digitalen Kunstwerk zugeordnet ist. So kann man auch mit digitaler Kunst Geld verdienen.
Zudem mache es die Blockchain-Technologie möglich, dass mehrere Menschen Anteile an einem Kunstwerk haben, und so weitere Werke des Künstlers oder der Künstlerin finanzieren können - quasi das demokratisierte Mäzenentum des 21. Jahrhunderts.
Bauder passt damit zu einer Liberalisierung des Kunstbegriffs, die in den letzten Jahren weltweit, aber auch in Berlin zu beobachten ist. Neben diesen neuen Finanzierungsformen zeigen auch gutbesuchte Ausstellungen wie Bauders „Skalar“ 2018 im Kraftwerk, oder im vergangenen Sommer „Overmorrow“ im Friedrichshainer Club Wilde Renate und die Boros-Berghain-Schau, dass es für Künstler:innen durchaus Möglichkeiten abseits des elitären Hochkunstbetriebs gibt – und, wie groß der Wunsch auch eines in der Subkultur verankerten Publikums nach Kunsterfahrungen außerhalb des klassischen Ausstellungsraums und der etablierten Museen ist.
In diesem Sinne ist „Dark Matter“ mehr als zeitgemäß – als positives Spektakel, als Gegenstück zum „White Cube“. Und als unschuldiger Clubbesuch, in einer Zeit, die noch ohne Clubbesuche auskommen muss.
Köpenicker Chaussee 46, Lichtenberg. Mi-Do von 14 bis 21 Uhr, Fr-Sa 12 bis 22 Uhr, So 12 bis 21 Uhr. Tickets kosten 16 Euro, nur online buchbar unter www.tickettailor.com/events/darkmatterberlin.