25 Jahre Mauerfall: Die Mauer soll schweben
Eine "Lichtgrenze" aus leuchtenden Ballons wird am 9. November gen Himmel steigen - ein Weltereignis, gestaltet von den Künstlerbrüdern Christopher und Marc Bauder.
Wer hat eigentlich die „Lichtgrenze“ erfunden, jene 15 Kilometer lange innerstädtische Installation von 8000 leuchtenden Ballons, die als Höhepunkt der Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November in den Himmel fliegen sollen und sich dann, wie einst die Mauer, in Luft auflösen? Zwei Brüder haben sich die Aktion ausgedacht. „Schaut auf diese Stadt!“, so soll die Welt staunen.
Christopher und Marc Bauders Wiege stand zwar am Bodensee, aber die beiden sind in einem Zimmer aufgewachsen „und haben schon immer alles Mögliche zusammen veranstaltet“, sagt Christopher, mit 41 ein Jahr älter als Marc. Sie leben und arbeiten seit Jahren in Berlin, beide tragen Bart, Christopher verzichtet im Gegensatz zu Marc auf lange Haare.
Ein Regisseur und ein Lichtkünstler
Die Künstler haben, jeder auf seine Weise, das Licht und die Lichtkunst in ihrem beruflichen Repertoire: Marc ist Regisseur, arbeitet gerade an einem Spielfilm („Der Mentor“) für die ARD, erhielt den Preis der deutschen Filmkritik für seinen Dokumentarfilm „Master of the Universe“ und verarbeitete in „Keine verlorene Zeit“ die tragische Geschichte der Eltern seiner Frau Dörte Franke, die 1982 nach mehrjähriger Haft in der DDR von der Bundesrepublik freigekauft wurden. Der Film versucht zu ergründen, weshalb Menschen in einer Diktatur plötzlich Nein sagen. Marc ging auf Spurensuche, die führte ihn zu wichtigen Menschen und Orten, etwa ins Frauengefängnis Hoheneck und zu Insassinnen, die noch heute miteinander verbunden sind, die sagen können: Ich bin aufrecht geblieben, mir und meiner Familie gegenüber. Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reicht, macht Marc Bauder auch schon im preisgekrönten Spielfilmdebüt „Das System“ sichtbar.
Christopher Bauder ist ein international gefragter Lichtkünstler und Designer. „Objekt, Raum, Klang und Licht sind die Schlüsselelemente meiner Arbeiten“, sagt der Gründer des Designstudios Whitevoid, das gerade zum „Fest des Lichtes“ in Frankreich eingeladen wurde.
Beide haben überlegt, was sie zum 25. Jahrestag des Mauerfalls dem Veranstalter Kulturprojekte Berlin anbieten könnten. Dabei sind sie auf die „Bewusstmachung der Trennung“ durch die Lichtgrenze gekommen: Christopher liefert die Technik zu der 15,3 Kilometer langen Parade beleuchteter Ballons, die die einstige Grenze markieren „und wo der Verlauf der Mauer auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß, immer an den Ballons lang, erkundet werden kann“. Die Logistik steuert der Veranstalter Kulturprojekte Berlin bei, Marc Bauder sorgt für „emotionale Reisen vom Mauerbau bis zum Mauerfall“ – Filme, die auf zehn Meter großen Videoleinwänden an sechs markanten Orten gezeigt werden. Dazu sichtete er, der im November 1989 noch nicht einmal 15 Jahre alt war, 120 Stunden lang Dokumentarmaterial, eine wundersame Zeitreise, bei der es nur ganz vereinzelte Blicke vom Osten auf die Mauer gab, zum Beispiel in Defa-Filmen. Oder in Schulungsstreifen des Ministeriums für Staatssicherheit, in dessen Nachlass ein Film gefunden wurde, der zeigt, wie an der Oberbaumbrücke ein Flüchtling trotz acht Treffern aus den Waffen der Mauerschützen in den Westen schwimmen konnte.
"Die größte Installation Berlins - abgesehen von der Mauer"
Christopher Bauder arbeitet an Kunstinstallationen für Gent, Wolfsburg oder Mexiko. Doch die zum 9. November für die Hauptstadt Berlin liegt beiden besonders am Herzen. Mit Stelenfuß, einem Carbonrohr und dem 60-Zentimeter-Ballon ist die Installation 3,40 Meter hoch. Jede Stele besteht aus 40 Einzelteilen und wiegt samt wassergefülltem Fuß 20 Kilo. Bei der Aktion lässt Helium die Ballons abheben. 60 000 Batterien in den Sockeln liefern den Saft für die Beleuchtung.
Der Massenaufstieg am 9. November ist genehmigt, mit den Ballons werden viele kleine Karten mit Erlebnissen und Wünschen der „Ballonpaten“ auf die Reise geschickt. „Es wird die größte Installation, die Berlin gesehen hat“, sagt Marc Bauder. „Mal abgesehen von der Mauer.“