Museum der Moderne in Berlin: Neues Leben fürs Kulturforum
An der Potsdamer Straße in Berlin ragt eine Freifläche ins Bild, die eigentlich das Herz des Quartiers sein sollte. Nur leider schlägt es nicht. Nun soll der öde Sandplatz einem Neubau für die moderne Kunst weichen.
„Fürchterliche Brache“, sagt der Mann mit schlohweißem Haar und munteren Augen. Er gibt sich als Freund der Kultur, Teilzeitberliner und Medienwissenschaftler zu erkennen. Eben hat er das Kulturforum gequert, die sandige Freifläche mit Bäumen und Kunstobjekten, Bänken und Stufen, und gedacht, was fast alle denken: unwirtliche Zone, missglückte Inszenierung, gestaltlose Leere.
So kann das nicht weitergehen, ist das Credo der Raumästheten seit Jahren. Nun wollen Kulturpolitiker des Bundes wie berichtet mit einem Museumsneubau für die Kunst der klassischen Moderne dem Kulturforum neues Leben einhauchen und gleichzeitig Platz für die Schätze aus den Depots schaffen. Ein genialer Schachzug, so scheint es, dennoch konterkariert die Idee die bisherigen Planungsentwürfe des Senats.
Masterplan verschwand in der Versenkung
Hans Stimmann, Berlins langjähriger Baudirektor, hatte vorgeschlagen, vor der Matthäikirche und auf dem Parkplatz der Philharmonie privates Bauen zuzulassen. Mit den durch den Grundstücksverkauf erzielten Einnahmen sollte ein Geflecht aus Wegverbindungen mit grünen Inseln finanziert werden, eine Tiergartenerweiterung über die Potsdamer Straße hinweg. 2006 wurde das Konzept zum Masterplan erhoben und verschwand anschließend in der Versenkung.
Zusammen mit den Anrainern entwickelte die amtierende Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ein neues Konzept, eine „Planung hart an der Realität“ – was bedeutet, dass wenig Geld zur Verfügung steht. „Die großen städtebaulichen Entwicklungsszenarien mussten scheitern, da weder Nutzungsdruck noch Finanzierungen vorhanden waren“, schreibt Lüscher in einem aktuellen Flyer. Eine Freiraumplanung aus der Not geboren.
Die große Freifläche an der Potsdamer Straße – die „fürchterliche Brache“ – sei das „Herz des Kulturforums“, schreibt Lüscher, „kommunikativer Freiraum und funktionale Schnittstelle“. Ab 2016 sollte das Herz grüner werden, ein neues Pflaster erhalten, „mehr Aufenthaltsqualität“. Dieses wenig ambitionierte Vorhaben hat sich nun wohl erledigt. „Wir begrüßen, dass der Bund am Forum etwas verbesssern möchte, das ist ein gutes Signal“, erklärt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die Freiraum-Pläne müssten eben angepasst werden.
Kunstobjekte, die schwer zu entziffern sind
Kein Herzschlag zu hören, nur lärmender Verkehr. Der Platz wirkt wie eine Abwurfstelle für Kunstobjekte, die schwierig zu entziffern sind. Steinbrocken und Stahlplatten dominieren das Gelände, über das die Menschen hasten, ein Transitraum, der selbst den jungen Bäumen wenig Nahrung zu bieten schient. Ein Dutzend Stümpfe und leere Baumscheiben zeugen davon. Blickfang ist nur die alte Platane an der Nordwestecke. Sie wird sicherlich erhalten bleiben.
Viel Kultur hier, aber kaum Forum. Das Kulturforum-Bashing wird seit Jahrzehnten betrieben, weil das Quartier nie zuende gebaut wurde. Auf der Freifläche hatte Philharmonie-Baumeister Hans Scharoun ein terrassenartiges Gästehaus des Senats geplant. Außerdem sollte die Potsdamer Straße viel schmaler ausfallen und in einen Kreisel münden. Eklatante Geburtsfehler, die nie korrigiert wurden, weil immer das Geld fehlte.
Florian Mausbach, Ex-Präsident des Bundesamtes für Bauwesen, plädierte im Tagesspiegel für einen Neubau auf der ebenfalls vielbeklagten Piazetta, dem langgezogenen Anstieg zur Gemäldegalerie. Die Freifläche an der Potsdamer Straße wollte er zum „Lustgarten der Moderne“ machen, mit Platz „zum Entspannen und Feiern“.
"Imbiss am Kulturforum" existiert seit 22 Jahren
Was Ahmed Korubay für richtig hält, hat bisher niemand gefragt. Der Gastronom betreibt seit drei Jahren den „Imbiss am Kulturforum“, das einzige Bollwerk gegen die Ödnis. Korubay verkauft den Latte Macchiato, der am Potsdamer Platz fünf Euro kostet, für die Hälfte. Studenten aus der Stabi gegenüber erhalten noch einen Sonderrabatt.
Korubay zieht die Freiflächenpläne, die erst im Sommer präsentiert wurden, aus einer Ablage und zuckt mit den Schultern. Von einem Neubau direkt hinter seinem Imbiss wisse er nichts. „Ich habe einen Kredit aufgenommen für den Imbiss“, da hängt jetzt einiges dran. Seit 22 Jahren gebe es die Bude hier schon, ein Relikt der Nachwendezeit. Vermieter sei die Kirche. Heute bekäme er dafür wohl keine Genehmigung mehr.
Die Piazetta dient im Sommer als Tribüne für das beliebte Open-Air-Kino. Auch für die Skateboard-Szene hat die Rampe eine große Bedeutung. Das Skateboard ist inzwischen eine Ikone der Jugendkultur. Die Piazetta erfüllt den Anspruch, „kommunikativer Freiraum und funktionale Schnittstelle“ zu sein, auch wenn sie nicht wirklich schön ist.
Das „Herz“ des Kulturforums dagegen hat einen irreparablen Infarkt erlitten. Ein neues Herz wäre die beste Lösung.