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Der Autor ist Berliner Innensenator und Landesvorsitzender der CDU.
© dpa

CDU-Kandidat Frank Henkel zur Berlin-Wahl: "Neuanfang mit Müller? Als ob Blatter Ethikkommission leitet"

In einem Gastbeitrag erklärt der Innensenator und CDU-Spitzenkandidat, warum die Müller-SPD respektlos und selbstherrlich ist. Für Koalitionsgespräche sei es außerdem zu früh.

Kaum etwas ist so sinnlos wie Koalitionsdebatten vor einer Wahl. Es kommt ohnehin meist anders als gedacht. In den letzten Jahren ging Rot-Grün stets als Favorit in den Berliner Wahlkampf. 2001 und 2006 schmiedete die SPD dann lieber eine rot-rote Koalition. Auch 2011 setzten Wowereit und Müller die Grünen vor die Tür und stattdessen auf eine Regierung mit der CDU.

Umso verwunderlicher ist, dass Frau Pop sich weiter ergeben an die SPD kettet, als hätte ihre Partei aus den Erfahrungen der Vergangenheit nichts gelernt. Überhaupt ist es bemerkenswert, wie SPD und Grüne in diesen Tagen öffentlich über eine Koalition verhandeln, bevor ein Wahlergebnis feststeht. Ein solches Verhalten lässt jeglichen Respekt vor dem Wähler vermissen. Zumal ein rot-grünes Bündnis laut der jüngsten Umfrage meilenweit von einer Mehrheit entfernt wäre. Die SPD käme derzeit nur auf 21 Prozent, die Grünen auf 17. Wie die Sozialdemokraten angesichts solcher Werte glauben, Bedingungen diktieren zu können, erschließt sich mir nicht. Demut scheint jedenfalls nicht zum Wertekanon der Hauptstadt-SPD zu gehören.

Dieses respektlose Verhalten bestätigt aber, was viele seit Langem beklagen: Die Berliner SPD führt sich auf, als würde ihr die Stadt gehören. Die Selbstherrlichkeit ist sicher auch in einer viel zu langen Regierungsverantwortung begründet. Die SPD hat während der gesamten Berliner Nachkriegszeit stets mitregiert, nur unterbrochen von einer kurzen Phase in den 80er Jahren.

Seit 15 Jahren stellt die Partei den Regierenden Bürgermeister. Nach so vielen Jahren wird der Machterhalt zum Selbstzweck, die Inhalte rücken in den Hintergrund. Vor diesem Hintergrund ist es amüsant, wenn der SPD-Kandidat schreibt, es brauche jetzt ein neues Kapitel für Berlin. Wenn Michael Müller Teil eines neuen Kapitels sein möchte, dann ist das so, als ob Sepp Blatter die Ethikkommission der Fifa leitet.

Die SPD hat Probleme selbst verursacht

Denn Michael Müller ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Schon vor seiner Zeit als Senator und Regierender Bürgermeister hat er jahrelang im Schatten von Klaus Wowereit gewirkt. Als Vorsitzender hat er Fraktion und Partei auf Linie gebracht. Müller war es, der die rot-roten Sparbeschlüsse gegen alle Widerstände durch das Parlament gebracht hat. Ohne den Fraktionschef Müller hätte Wowereit nicht 1800 Stellen bei der Polizei abbauen können. Kein Polizist hat vergessen, was er der Berliner SPD zu verdanken hat: geschlossene Abschnitte, Personalmangel, Nullrunden, verrottete Schießstände, veraltete Ausrüstung.

Die Folgen spüren wir bis heute. Der massive Personalabbau in der Verwaltung hat tiefe Spuren hinterlassen. Allein bei den Bürgerämtern hat Rot-Rot jede fünfte Stelle gestrichen. Mit Wowereit, Platzeck und Müller haben SPD-Politiker seit vielen Jahren an der Spitze des BER-Aufsichtsrats gestanden und stehen es bis heute. Alles, was die Sozialdemokraten jetzt im Wahlkampf beklagen – steigende Mieten, marode Schulen, Verkehrsprobleme –, haben sie über Jahrzehnte selbst verursacht.

Erst unter Beteiligung der „Henkel-CDU“, die Müller jetzt so attackiert, hat es in Berlin eine Trendwende gegeben. Es hätte dem SPD- Kandidaten gut zu Gesicht gestanden, sich zu diesen gemeinsamen Erfolgen der Koalition zu bekennen. Stattdessen verleugnet er sie.

Berlin steht besser da als vor fünf Jahren

Ich tue das nicht. Die CDU hat die Probleme angepackt, die Rot-Rot hinterlassen hat. Wir sind 2011 angetreten, um dort aufzuräumen, wo Berlin nicht funktioniert. Das haben wir getan. Über 100 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Bürgerämter. Rund 1200 Stellen bei Polizei und Feuerwehr. So wenig Gewaltverbrechen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Drei Milliarden Euro Schulden weniger. Es läuft wahrlich noch nicht alles rund in unserer Stadt. Und doch steht Berlin deutlich besser da als vor fünf Jahren.

Diesen Aufwärtstrend müssen wir fortsetzen. Wir müssen weiter an der Lösung der Probleme arbeiten, die viele Menschen bewegen. Viele fragen sich: Kann ich meine Miete bezahlen, wo bekommt mein Kind die beste Bildung, finde ich in Berlin einen Job? Zudem haben wir sehr grundsätzliche Fragen zu klären. Wie garantieren wir Sicherheit und Freiheit angesichts einer deutlich präsenteren Terrorgefahr? Wie gehen wir mit der Veränderung um, die die Flüchtlingskrise in Deutschland mit sich bringt?

Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass unser Land unter den neuen Bedingungen wiedererkennbar bleibt. Dazu braucht es Haltung. Haltung heißt für mich, für seine Überzeugungen einzustehen. Auch dann, wenn es Gegenwind und nur geringe Erfolgsaussichten gibt. Deshalb halte ich auch aus, wenn ich für meine Forderung nach einem Burkaverbot kritisiert werde. Eine Burka gehört für mich nicht zu Deutschland. Sie ist für mich auch kein Zeichen von Weltoffenheit. Sie ist Zeichen für die Unterdrückung der Frau. Deshalb ist und bleibt mir diese Debatte wichtig.

Koalitionsdebatten sind sinnlos

Eine klare Haltung würde ich mir gelegentlich auch vom SPD- Kandidaten wünschen. In der Koalitionsfrage hat Müller es geschafft, in drei Tagen drei verschiedene Meinungen zu vertreten. Bei der Rigaer Straße wollte er erst Gespräche, dann eine harte Linie. Jetzt will seine SPD die Linksautonomen mit einem Haus beschenken.

Ein ähnliches Bild beim BER- Aufsichtsrat. Erst wollte Müller rein, dann raus, dann wieder rein. Es ist kein gutes Zeichen, wenn man den Eindruck hat, dass das Oberhaupt gerade in stürmischen Zeiten schwankt.

Wir brauchen in diesen Zeiten Haltung, und wir brauchen stabile Verhältnisse. Die Umfragen zeigen, dass die Regierungsbildung nach der Wahl kompliziert werden dürfte. Derzeit hätte keine Zweierkoalition eine Mehrheit. Selbst Rot-Rot-Grün käme laut jüngster Umfrage nur auf 54 Prozent. Es ist also alles offen. Ich kämpfe für eine starke CDU und ein starkes Berlin.

Eine klare Abgrenzung gibt es von mir zum linken und rechten Rand. In der Mitte müssen die Parteien koalitionsfähig bleiben. Wer jetzt schon Optionen ausschließt, kann sich am Ende schnell draußen wiederfinden. Die Grünen können ein Lied davon singen. Und ob Müller nach dem 18. September noch am Verhandlungstisch sitzt, weiß auch niemand. Bei den jetzigen Umfrageergebnissen würde er das SPD-Ergebnis von 2011 noch einmal um sieben Prozentpunkte unterbieten. Was dann kommt, weiß niemand. Deshalb: Kaum etwas ist so sinnlos wie Koalitionsdebatten vor einer Wahl.

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