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Michael Müller ist Regierender Bürgermeister von Berlin und Landesvorsitzender der SPD.
© dpa
Exklusiv

Gastbeitrag des Regierenden Bürgermeisters: "Ein neues Kapitel für Berlin - ohne Henkel-CDU"

In einem Beitrag für den Tagesspiegel grenzt sich der Regierende Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat von seinem bisherigen Koalitionspartner ab und setzt auf eine rot-grüne Zweierkoalition.

Eins wird in diesen Tagen immer klarer. Am 18. September treffen wir eine Richtungsentscheidung für unsere Stadt: Bleibt Berlin die erfolgreiche und menschliche Metropole in Europa, in der alle gut und friedlich miteinander leben können, oder vergiften Angstmacherei und Ausgrenzung das Klima unseres Zusammenlebens? Bleibt Berlin mit seiner Weltoffenheit ein Zentrum der Kultur und Wissenschaft, oder wenden sich die Menschen von dieser Stadt ab?

Wir müssen alle unsere Kraft darauf verwenden, die Vielfalt und den Zusammenhalt Berlins zu erhalten – denn nur so bleibt unsere Stadt menschlich und wirtschaftlich erfolgreich. In den letzten Wochen ist deutlich geworden: Nicht alle politischen Kräfte sehen im weltoffenen Berlin die Zukunft. Rechtspopulisten versuchen, die Stadt zu spalten, indem sie Intoleranz und Hass predigen. Und leider scheint auch die Führung der Berliner CDU dem Populismuskurs auf den Leim gegangen zu sein. Die CDU geht am rechten Rand der Gesellschaft auf Stimmenfang: Häuserwahlkampf, Burkaverbot, Bundeswehr im Inneren oder Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft – die Kette der verzweifelten Stimmenhascherei wird immer länger. Eine populistische Aktion jagt die nächste, ohne dass auch nur eine Lösung für die Probleme der Menschen angeboten wird. Da, wo zusammengeführt werden muss, versucht die CDU zu spalten. Da, wo der kühle Kopf gefordert ist, wird wild herumgeredet. Verantwortungsvolle politische Führung sieht anders aus.

"Wir wollen keine Ausgrenzungs-, sondern Integrationspolitik"

Die überwiegende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner will ein selbstbewusstes, mutiges und soziales Berlin. Das heißt: Niemand soll Angst haben, dass der Wandel der Stadt sie oder ihn an den Rand drängt. Berlin braucht ein Jahrzehnt der Investitionen in Personal und Infrastruktur. Wir müssen die Verwaltung und öffentlichen Dienste der Stadt wieder leistungsfähig machen. Berlin soll eine offene, tolerante Metropole sein. Berlin soll die Hauptstadt der Freiheit sein. Berlin muss die leistungsfähige Wissenschaftsmetropole bleiben und den Standort der neuen digitalen Industrien entwickeln.

Partner in spe? Michael Müller (Mitte) kürzlich bei einer Gedenkveranstaltung zum Mauerbau mit Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop und dem Berliner Linken-Chef Klaus Lederer.
Partner in spe? Michael Müller (Mitte) kürzlich bei einer Gedenkveranstaltung zum Mauerbau mit Grünen-Spitzenkandidatin Ramona Pop und dem Berliner Linken-Chef Klaus Lederer.
© picture alliance / dpa

Die letzten Wochen haben noch deutlicher gemacht: SPD und die heutige Berliner CDU haben fundamental unterschiedliche Vorstellungen davon, wie dieses wachsende Berlin in der Zukunft gestaltet werden soll, in welchem Berlin wir leben wollen: Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass man bei der inneren Sicherheit immer eine kluge Mischung verschiedener polizeilicher und (!) politischer Instrumente braucht. Wir Sozialdemokraten vertreten die Auffassung, dass alle Lebensweisen zu respektieren und gleichberechtigt sind – auch bei der Ehe. Wir Sozialdemokraten wollen keine Ausgrenzungs-, sondern Integrationspolitik. Wir Sozialdemokraten wollen gute Arbeit und bezahlbare Wohnungen für alle.

Wer wie die Berliner SPD seit 1989 (also fast 30 Jahre lang) nahezu ununterbrochen in Berlin Regierungsverantwortung trägt, der ist maßgeblich für die Zustände in dieser Stadt mitverantwortlich und sollte sich erstmal an die eigene Nase fassen.

schreibt NutzerIn spreeathen

"Berlin sozial und nachhaltig entwickeln"

Ich liebe mein Berlin, und ich bin mit Leidenschaft Regierender Bürgermeister. Die Herausforderung, Berlin in eine weiter erfolgreiche Zukunft zu führen, wächst genauso schnell wie die Stadt selbst. Sicher, Berlin ist attraktiv und immer noch die menschliche Metropole, vor allem, wenn wir sie mit den sozialen Verhältnissen großer europäischer Nachbarstädte vergleichen. Aber wir können nicht übersehen, dass unser Berlin in den kommenden Jahren vor großen Aufgaben und wir gemeinsam vor viel Arbeit stehen. Denn damit das wachsende Berlin menschlich bleibt, muss es in vielen Bereichen „mitwachsen“. Da ist zunächst die große Aufgabe, innerhalb weniger Jahre zehntausende neue und vor allem bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen. Das können wir leisten, wenn wir jeden verfügbaren Euro in diesem Bereich in die Förderung bezahlbarer Mietwohnungen stecken. Da ist die Aufgabe, unsere Schulen in ganz Berlin, in allen Kiezen, besser und auch größer zu machen. Das bedeutet massive Investitionen in Bauten, Ausstattung und Personal. Jede Schule soll saniert werden. Das wachsende Berlin muss ein sicheres Berlin sein, und deshalb werden wir auch in Sicherheit investieren – mit mehr Polizisten und einer besser ausgestatteten Polizei.

Jeden Tag bewege ich mich durch die Stadt, sehe, wo wir vorankommen, aber auch, wo es noch nicht klappt. Viele Probleme sind auch Folgen einer zehnjährigen finanziellen Rosskur, durch die wir Berlin – auch gegen viele Widerstände – führen mussten, um handlungsfähig zu bleiben. Die SPD hat an führender Stelle Berlin finanziell saniert und zugleich die Stadt erfolgreich gestaltet – zu dem heute beliebten Ziel für zehntausende neue Berlinerinnen und Berliner sowie vielen Millionen Besuchern jährlich. Jetzt ist die Zeit gekommen, neue Spielräume zu nutzen und Berlin weiter besser zu machen.

"Ich träume nicht von einer Liebesheirat"

Dies alles zeigt: Mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus müssen wir ein neues Kapitel für Berlin aufschlagen. Aber das können wir nur, wenn die Berlinerinnen und Berliner klare Verhältnisse schaffen und eine verlässliche Regierungsbildung ermöglichen. Dazu brauchen wir eine starke SPD, weil nur so das ganze Berlin im Blick bleibt. 2001 war es die SPD, die den Mut hatte, alte Gräben zuzuschütten und über eine neue Koalition die Einigung der Stadt zu vollenden. Heute stehen wir vor der Herausforderung, das wachsende Berlin sozial und nachhaltig zu entwickeln.

Seit diesen Tagen ist mir klarer denn je: Nur eine Koalition jenseits der Henkel-CDU kann ein besseres Berlin gestalten. Und dabei hat eine rot-grüne Zweierkoalition das Potenzial, den Herausforderungen des wachsenden Berlins am besten gerecht zu werden.

"Die Berliner Grünen müssen sich entscheiden"

Auch so eine Koalition muss Anforderungen gerecht werden. Ich träume nicht den sozialökologischen Traum von einer Liebesheirat. Es ist klar, dass dabei nicht jede Mietwohnung durch eine Pappel verhindert werden darf. Dass das ganze Berlin und nicht nur einige wenige Teile davon profitieren müssen. Dass die Berliner sich nicht vorschreiben lassen, wie sie leben und arbeiten wollen. Aber aus der tiefen Kenntnis des Wesens der Stadt und ihrer Herausforderungen kann eine solche Koalition ein neuer Anfang sein. Für meine Partei, die regierungserfahrene SPD. Und für die Grünen, die lange in der Opposition allen alles versprochen haben, aber künftig mitentscheiden und auch Verantwortung übernehmen müssten.

Auch die Berliner Grünen müssen sich nun entscheiden: Wollen sie weiter den schwarz-grünen Traum mit der Henkel/Czaja-CDU träumen? Oder sind sie bereit zu einer rot-grünen Koalition der Weltoffenheit und sozialen Verantwortung für alle Berlinerinnen und Berliner? Einer Koalition der Investitionen, der sozialen Gerechtigkeit und der Sicherung von Arbeitsplätzen.

Ich bin dazu bereit, denn eine weitere erfolgreiche Zukunft der Stadt braucht Partner, die das Berlin von morgen gestalten und nicht in das Alte zurückwollen.

Michael Müller ist Regierender Bürgermeister von Berlin und Landesvorsitzender der SPD.

Michael Müller

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