Fashion Week in Berlin: Modeschauen werden live übertragen
Die Berlin Fashion Week wird weniger elitär. Durch den Livestream vieler Schauen soll die Modewoche für alle zugänglich werden.
Dieses Mal haben die Veranstalter der Mercedes-Benz Fashion Week extra ein großes Schild am Zugang aufgestellt: „Willkommen“. Damit niemand denkt, diese Fashion Week sei eine geschlossene Veranstaltung. Hier darf jeder rein. Auf jeden Fall bis in das schwarze Gebäude, das extra vor dem E-Werk an der Wilhelmstraße aufgebaut wurde. Hier stehen nicht nur Bildschirme, auf denen man die Modenschauen teils live verfolgen kann, es werden auch Kleider von Designern ausgestellt.
Auch wenn so noch immer nicht alle direkt am Laufsteg sitzen – im Internet werden inzwischen viele Schauen live gezeigt und anschließend in einer Dauerschleife wiederholt. Einige Designer setzen sogar nur noch auf eine digitale Modenschau wie zum Beispiel die Berliner Designerin Lana Müller. Die lädt ihre Gäste am Mittwoch zum gemeinsamen Filmgucken ein. „Mit der digitalen Ausrichtung soll für ein besseres Verständnis für Mode in der breiten Öffentlichkeit gesorgt werden“, sagt Mona Moll, Pressesprecherin von Mercedes-Benz.
Ein zähes Jahr für die Modebranche
Traditionell sind Fashion Weeks weltweit eine eher elitäre Veranstaltung. Ohne Einladung kommt man weder auf die Messen noch zu den Schauen, zu denen die Designer ihre Gäste direkt einladen. Aber längst geht es nicht mehr darum, sich nur untereinander auszutauschen oder Kleidung an Einzelhändler zu verkaufen, sondern vor allem darum, sich als Marke bekannt zu machen.
Die Modebranche hat ein sehr zähes Jahr hinter sich. Durch den langen Sommer sind die Umsätze so stark eingebrochen, dass sich viele Händler überlegen, ob sie überhaupt die Reise nach Berlin antreten sollen. Das bekommt zum Beispiel die Designerin Malaika Raiss zu spüren, die im Gegensatz zur vergangenen Saison nur sehr wenige Termine mit Einkäufern machen konnte. Auch einige Berliner Designer tauchen bei dieser Modewoche nicht auf. LalaBerlin, Vladimir Karaleev und Hien Le zeigen ihre Kollektionen in Kopenhagen oder Paris.
Die Stimmung ist also alles andere als euphorisch. Allen ist bewusst, dass die Fashion Week auf dem Prüfstand steht und sich diese Saison zeigen muss, woher neue Impulse kommen sollen.
Keine großen Namen
Umso wichtiger ist es, die Kunden direkt anzusprechen. Genau das tun größeren Labels wie Riani, Marc Cain oder Sportalm Kitzbühel. Sie stecken ihr Marketingbudget in Schauen, die eher an Happenings erinnern als an klassische Produktpräsentationen. Da tanzen Modern-Dance-Formationen und hauen sich Schuhplattler gegenseitig auf ihre in Lederhosen steckenden Hinterteile. In der ersten Reihe sitzen neben Bloggerinnen und Prominenz auch gute Kundinnen, die sich eine Teilnahme ershoppt haben.
Trotzdem wird es wohl ein wenig leiser werden, auch weil die lautesten Protagonisten diesmal fehlen. Michael Michalsky scheint damit beschäftigt, Taschentücherboxen zu entwerfen, und auch Guido Maria Kretschmer ist dieses Mal nicht dabei. Dafür zeigte Harald Glööckler – mehr Knallcharge als Designer – schon am Sonntag inoffiziell seinen Karneval.
Große Namen, wie in der vergangenen Saison Hugo Boss, stehen dieses Mal ebenfalls nicht auf dem Schauenkalender. Die Schau von Hugo im Sommer 2018 wirkte wie eine Rückkehr zu alten Berliner Zeiten, so aufwendig war die Veranstaltung von der Schau über den Liveact bis hin zur Currywurst danach inszeniert. Doch es war wohl ein einmaliges Gastspiel, weil die dazugehörige Kollektion mit Imagekampagne auf Berlin ausgerichtet war.
Schwerpunkt nachhaltige Mode
Über die neue Kleidung für Herbst/Winter 2019–2020 informieren sich die meisten der 70 000 Besucher sowieso eher auf den sieben Modemessen. Die wichtigsten sind neben den Platzhirschen Premium und Panorama die neu ausgerichtete Messe Neonyt, auf der ausschließlich nachhaltige Modemarken ausstellen. Inzwischen ist dieser Bereich zu einem echten Schwerpunkt der Berliner Fashion Week geworden, so viel nachhaltige Mode gibt es sonst nirgendwo in Europa zu sehen. Dafür ist die Bread & Butter nun wirklich Geschichte. Auch wenn die Messe schon seit 2015 nicht mehr Teil der Fashion Week ist, hatte Zalando die Messe als buntes Publikumsevent weitergeführt. Aber vor Kurzem verkündete der Onlinehändler, sich künftig auf die digitale Präsenz konzentrieren zu wollen.
Es ist die dritte Saison, seit die amerikanische Vermarktungsagentur IMG nicht mehr die Modenschauen in Berlin organisiert und sich der Sponsor Mercedes-Benz sehr viel stärker in die inhaltliche Planung einmischt und nicht mehr nur die finanziellen Mittel stellt. Der Autobauer will wohl auch dafür sorgen, dass das Image der Fashion Week zu seinem eigenen passt: „Seit dem Relaunch arbeiten wir sehr viel stärker auf lokaler Ebene und mit der Berliner Agentur Nowadays in sehr guter Partnerschaft. Dies ermöglicht uns größere Gestaltungsfreiheit, einen engeren, persönlichen Kontakt mit den Designern und mehr Einfluss auf die Wahl weiterer Sponsoren“, sagt Moll.
Mit den Modenschauen wird es aber wohl noch eine Weile weitergehen. Auch wenn das bei Mercedes-Benz durchaus infrage gestellt wurde. „Wir haben uns auch gefragt: Braucht es das Schauenformat noch? Am Ende haben sich viele Designer doch eine klassische Schau gewünscht. Vielleicht, weil Designer auch Künstler sind und die Bühne brauchen.“
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