Fashion Week in Berlin: Mode machen ist Frauensache
Mode in Berlin ist inzwischen Frauensache. Viele Designerinnen kennen sich noch aus dem Studium und arbeiten bis heute zusammen, davon profitiert auch die Modewoche.
Nhu Duong ist jung, mutig in ihren Entwürfen. Die Schwedin mit vietnamesischen Wurzeln entwirft Mode, die nicht gemacht ist, um einem Mann zu gefallen. Doch sie hat mit ihren Kollektionen den Geschmack der Berlinerinnen getroffen; nach sechs Jahren in der Hauptstadt ist sie erstmals beim Förderprogramm der „Vogue“ dabei.
Als Nhu Duong 2012 von Stockholm nach Berlin kam, gab es noch die Modemesse Bread & Butter unter der Leitung von Karl-Heinz Müller. Von Michalsky bis zu Hugo Boss wurde viel Männermode gezeigt, unter den Designern waren mehr Männer als heute. Da hat sich viel geändert. Die Bread & Butter wurde an Zalando verkauft, Anita Tillmann zählt als Geschäftsführerin der Premium-Messe zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Berliner Mode und Ivanman ist als Männerlabel im Schauenplan allein. Im Vogue Salon nehmen mehr Frauen teil als Männer. Überhaupt zeigen diese Saison knapp doppelt so viele Designerinnen wie Designer.
Das können andere Modestädte nicht behaupten. Das Branchenportal „Business of Fashion“ schrieb vor mehr als einem Jahr, dass auf den großen Fashion Weeks, vor allem in Paris und Mailand, Designerinnen in der Unterzahl sind. Paris hat Balenciaga oder Saint Laurent, Mailand Gucci oder Marni. Bei allen ist ein Mann der Chefdesigner, alle sind millionenschwere Unternehmen mit meist männlichen CEOs, die über die Stelle des Kreativdirektors entscheiden. Frauen kriegen Kinder, sie bringen ein höheres Risiko mit sich, nicht pausenlos eine Position bekleiden zu können.
Nhu Duong zog es nach ihrem Abschluss nach Berlin, wie so viele Modeschaffende. „Hier kann ich in meinen Entwürfen freier sein und mich mit Menschen aus anderen Bereichen wie Kunst und Musik zusammentun. Man ist viel besser vernetzt.“
Um jungen Designern zu helfen, hat der Berliner Senat mehrere Förderprogramme entwickelt
Das findet auch Valeska Schmidt-Thomsen, die als Professorin für Modedesign an der Universität der Künste unterrichtet. „Berlin hat ein freundlicheres Umfeld. Im Vergleich zu anderen Modestädten sind die Lebenshaltungskosten geringer, Designer werden unterstützt und der Konkurrenzkampf ist nicht so hoch.“
Um jungen Designern zu helfen, hat der Berliner Senat mehrere Förderprogramme entwickelt. Unter anderem Mikrokredite und Coachings sollen beim Start unterstützen. Auch der Fashion Council Germany, der fast nur von Frauen gegründet wurde, begleitet junge Talente seit 2015 mit einem Mentorenprogramm bei der Fashion Week.
Das ist hilfreich, denn die Modeindustrie ist viel zu schnelllebig, um langfristig eine sichere Anstellung zu bieten. Viele Designer sind gezwungen, ihre Arbeitsstellen und damit ihre Wohnorte zu wechseln. Eine Situation, die einerseits die Familienplanung kompliziert macht, aber andererseits zur Selbstständigkeit ermutigen kann. Das Berliner Label Perret Schaad hat das auf seine eigene Art gelöst. Johanna Perret und Tutia Schaad gründeten ihr Label 2009. Im Team können sie Familie und das Geschäft miteinander verbinden. Viele Designerinnen kennen sich schon aus ihrer Studienzeit. Auch hier ist der Frauenüberschuss nicht zu übersehen: An der Kunsthochschule Weißensee waren 2013 75 Prozent der Modeabsolventen Frauen, 2015 sogar 91 Prozent. An der Udk schließen auch deutlich mehr Frauen ab.
Die Entwicklung der Berliner Modewoche zu einem wichtigen Standort im Bereich Nachhaltigkeit geht ebenfalls auf das Konto von Frauen. Mit der Ethical Fashion Show und dem Green Showroom, beide von Magdalena Schaffrin gegründet, widmen sich zwei Veranstaltungen der nachhaltigen Mode. Dazu kommen junge Marken wie Ewa Herzog und Zazi Vintage, die ethische und umweltschonende Aspekte in ihrer Produktion berücksichtigen. „Frauen setzen sich mit ethischen Maßstäben und Nachhaltigkeit häufiger auseinander als Männer“, sagt Valeska Schmidt-Thomsen.
Nhu Duong möchte ihr Label ebenfalls nachhaltig aufbauen, allerdings nicht im Sinne von Materialien. „Ich möchte Mode machen, die etwas bedeutet. Dann würde der Käufer die Kleidung länger tragen“, sagt sie. Zudem will sie ihr Studio in eine Verkaufsfläche umwandeln, auf der sie neue, internationale Designer und Künstler präsentieren kann. In der vernetzten Stadt Berlin arbeiten Frauen einfach zusammen.
Alexandra Kutek