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Die „Berlin History“-App zeigt die Vergangenheit der Stadt. Die Geschichts-App gibt es für Android und Apple.
© Teresa Roelcke

Orte des Widerstands: Mit einer App an das Stauffenberg-Attentat erinnern

Die „Berlin History“-App zeigt die Vergangenheit der Stadt. Zum 75. Jahrestag des Attentats auf Hitler wird der Widerstandskampf gegen die Nazis thematisiert.

„Ständige Ausstellung / Das NAZI-PARADIES / Krieg Hunger Lüge Gestapo / Wie lange noch?“ Zettel mit dieser Aufschrift klebten Mitglieder der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ am 17. Mai 1942 an Hauswände in mehreren Berliner Bezirken. Der Text spielte auf die nationalsozialistische Propagandaausstellung „Das Sowjet-Paradies“ an, die im Lustgarten stattfand.

Sie sollte den Krieg gegen die Sowjetunion legitimieren. Fritz Thiel hatte die Klebezettel organisiert. In der Gegend zwischen Kurfürstendamm und Uhlandstraße zogen Otto Gollnow und Liane Berkowitz los und plakatierten, getarnt als Liebespaar. Harro Schulze-Boysen lief mit einer Waffe hinterher und deckte die beiden.

Ein Foto dieses Klebezettels erscheint, wenn man in der „Berlin History“-App auf den olivfarbenen Pin tippt, der im Stadtplan die Ecke Kurfürstendamm/Uhlandstraße markiert. Ab Samstag werden rund neunzig solcher olivfarbenen Pins in der kostenlosen App zu finden sein. Zum 75. Jahrestag des Stauffenberg-Attentats auf Hitler schalten die Gestalter der App den Themenbereich „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ frei.

Nicht nur Materialien zum 20. Juli kann man dann in der App finden, sondern auch zur Roten Kapelle, zu der die Klebezettel-Aktivisten gehörten, zum Kreisauer Kreis und zu Menschen im Widerstand generell, wie Ute Stiepani von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) erzählt. Die Gedenkstätte stellt für die App die Inhalte zum Thema Widerstand gegen den Nationalsozialismus bereit.

Die „Berlin-History“-App ist seit Februar nutzbar

„Wir starten jetzt erstmal mit 50 Pins auf dem Stadtplan und 40 weiteren Geschichten, Biografien und Ähnlichem. Aber wöchentlich sollen neue Inhalte dazukommen“, sagt Stiepani. „Als Nächstes wollen wir Informationen zum Widerstand aus der Arbeiterbewegung einpflegen, zum Widerstand aus christlichem Glauben heraus, und zu den stillen Helden – Menschen also, die während des Nationalsozialismus den Jüdinnen und Juden geholfen haben.“

Tippt man in der App auf das Foto mit dem Klebezettel, gelangt man zu einem kurzen Text über die Aktion. Von dort aus kann man weiterklicken: Zu einem Einführungstext über die Rote Kapelle oder kurzen Biografien und Fotos der beteiligten Personen. „Die biografische Ebene steht bei uns immer im Zentrum“, sagt Stiepani.

Eine Reihe weiterer Formate sollen noch dazukommen: Rundgänge mit Audioguide und eine Zeitleiste zum Beispiel. Beides gibt es schon für andere Themen, denn die „Berlin-History“-App ist schon seit Februar dieses Jahres nutzbar. So kann man zehn Fotos des Brandenburger Tors von 1899 bis 2016 in einer Zeitleiste über den Bildschirm ziehen lassen: mit Pferdekutsche, hinter der Mauer und in Werbung gehüllt.

Historische Karten lassen sich passgenau an aktuelle anlegen

Eine Themenseite zu politischen Denkmälern führt zu Bildern des riesigen Lenin-Denkmals aus DDR- Zeiten, das auf dem heutigen Platz der Vereinten Nationen stand. Ein kurzes Video zeigt zudem, wie der Kopf 2015 aus dem Köpenicker Forst ausgebuddelt wurde, wo er seit dem Abriss 1991 lagerte.

Der vielfältige Fundus an Materialien, die die App zugänglich macht, reicht bis zu historischen Karten, die sich passgenau auf die aktuelle Karte legen lassen. So stößt man auf die großen Gärten, die 1910 zu jedem Ministerium gehörten und sich in der Wilhelmstraße bis zur heutigen Ebertstraße zogen – die Straße „In den Ministergärten“ erinnert heute noch daran.

Die alten Karten stammen von einem privaten Sammler, der sich gefreut hat, dass sich endlich jemand für seinen Kartenschatz interessiert, wie Oliver Brentzel erzählt. Brentzel hat in seinem Webdesignbüro die Geschichts-App mit aufgebaut, und zwar lange Zeit ehrenamtlich. Das Ziel sei aber, dass das Team aus etwa zehn Mitarbeitern auch davon leben könne.

Ein Angebot an Schulen soll entwickelt werden

Ein gemeinnütziger Verein unter Vorsitz des ehemaligen Gedenkstättenreferenten des Senats, Rainer Klemke, trägt die App, die Gelder kommen überwiegend von den Kooperationspartnern wie der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die App sei sehr gut angenommen worden: „Direkt nach der Veröffentlichung im Februar war sie mehrere Tage auf Platz 1 der deutschsprachigen Bildungs- Apps“, sagt Brentzel.

Auch ein Angebot für Schulen soll noch entwickelt werden. Schülergruppen könnten dann in Projektarbeit etwa über Widerstandskämpfer im eigenen Viertel forschen und die Ergebnisse nach fachlicher Prüfung in die Karte einspeisen. Solche Projekte gab es auch bisher schon, sagt Gedenkstättendirektor Johannes Tuchel. Aber bis jetzt waren die Karten, die aus diesen Projekten entstanden, kaum zugänglich.

Mit der Geschichts- App soll sich das jetzt ändern. Trotzdem: „Das Digitale soll das Analoge nicht ersetzen, sondern ergänzen“, sagt Tuchel. Es werde weiterhin Ausstellungen und gedruckte Bücher geben. Die vierzehnbändige Monografiereihe zum Widerstand in den Bezirken sei als inhaltliche Grundlage für die App ohnehin nicht wegzudenken: „Ob App oder Buch – das sind am Ende einfach unterschiedliche Aggregatszustände.“

Weitere Informationen zur App unter www.berlinhistory.app

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