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Hier brennt eine Sporthalle, in der eine Notunterkunft vorgesehen war.
© dpa

Festnahmen in Brandenburg: Mindestens fünf Personen gehören zur Nauener Neonazi-Terrorzelle

Nach einer Serie von Anschlägen hat die Polizei eine Neonazi-Terrorzelle in Nauen ausgehoben. Dringend tatverdächtig ist auch ein NPD-Politiker. Die Ermittlungen sind noch längst nicht beendet.

Eine brennende Flüchtlingsunterkunft, ein in Flammen stehendes Auto, Attacken auf Parteibüros der Linken: Für ihre rechtsextremistischen Anschläge in Nauen verabredete sich eine „rechte Stadtguerilla“, wie sie Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nennt, über den Kurznachrichtendienst Whatsapp. Und sie sorgte damit in Nauen, einer Stadt mit 17 000 Einwohnern im brandenburgischen Havelland westlich von Berlin, für ein Klima der Angst.

Nauen im August 2015, noch vor der sogenannten Flüchtlingskrise, als tausende Asylbewerber nach Deutschland kamen: Die Stadt gerät deutschlandweit in die Schlagzeilen. In der Nacht zum 25. August wird eine als Notunterkunft für Asylbewerber vorgesehene Sporthalle einer Schule in Brand gesetzt. Nach wenigen Minuten steht das Gebäude lichterloh in Flammen – die Täter verwendeten Brandbeschleuniger. Trauriger Höhepunkt für die Kleinstadt, der schwerste rechtsextreme Anschlag auf eine geplante Asylunterkunft in Brandenburg seit 20 Jahren – aber nur eine von vielen Attacken in Nauen.

Ähnlicher Anschlag stand bevor

Ein ähnlicher Anschlag stand jetzt nach Angaben der Ermittler kurz bevor, deshalb griffen sie zu. Sie mussten abwägen: entweder die Tatverdächtigen länger beobachten, intensiver in ihrem Umfeld ermitteln oder weitere Gefahren abwehren. Die Ermittler entschieden sich einzugreifen. Es ging um Hinweise, dass eine Traglufthalle, in der Asylbewerber in direkter Nachbarschaft zur niedergebrannten Sporthalle unterkommen sollen, Ziel eines Anschlags werden könnte.

Für die Sicherheitsbehörden hatte der Fall von Beginn an oberste Priorität. Eine Sonderkommission mit 45 Beamten ermittelte, darunter Spezialisten des Landeskriminalamtes. Der Verfassungsschutz wird aktiv, auch Bundesbehörden werden eingeschaltet. Doch die Ermittlungsarbeit gestaltete sich schwierig: „Die haben sich Alibis verschafft. Am Anfang sah das fast wasserdicht aus. Sie haben konspirativ gearbeitet und sich extrem abgeschottet“, sagt Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke.

Wie groß die Neonazi-Zelle tatsächlich war, ist noch nicht klar – die Ermittler sprechen von mindestens fünf Personen. Zu bestätigen scheint sich aber: Die Gruppe war offenbar für eine ganze Reihe von Anschlägen verantwortlich. Neben dem Anschlag auf die Sporthalle geht es um einen Sprengstoffanschlag auf einen Discounter, Attacken auf ein Parteibüro der Linkspartei, die Stürmung einer Stadtverordnetenversammlung, die über Asylunterkünfte beriet, und einen Brandanschlag auf das Auto eines Polen.

Verdächtige sind aktive Neonazis

In diesem Fall durchsuchten die Ermittler am Dienstag mehrere Wohnungen; die Razzia brachte einen entscheidenden Durchbruch. Dringend tatverdächtig sind der Nauener NPD-Politiker Maik Schneider (29), der Stadtverordneter ist und im Kreistag Havelland sitzt, sowie Dennis W. (28) und Frauke K. (22). Schneider sitzt seit Dienstag in Untersuchungshaft. Der gelernte Erzieher ist der Kopf der Gruppe und eine Führungsfigur in der braunen Szene im Westen Brandenburgs, etwa in der Neonazi-Gruppe „Freie Kräfte Neuruppin/Osthavelland“. Dennis W. aber war für die Ermittler nicht anzutreffen, er versteckte sich. Erst am Freitagvormittag gelang es Fahndern, den 28-Jährigen festzunehmen. Dass der Tag der Razzia mit dem Beginn des NPD-Verbotsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zusammenfiel, sei Zufall, hieß es aus Sicherheitskreisen. Zu der Gruppe sollen nach bisherigem Ermittlungsstand auch Christopher L. und Christian B. gehören. Sie sind als aktive Neonazis bekannt.

Polizeipräsident Hans-Jürger Mörke spricht offen von einer rechten Zelle. Ermittler stufen die Serie von Anschlägen als durchaus terroristisch ein. Weitere Taten werden den Neonazis zugerechnet, die Ermittlungen laufen aber noch: Etwa zu einem Brandanschlag auf das Auto lokaler Linken-Politiker. Und zu einem in der Stadt verteilten Aufruf zu absolutem Widerstand gegen die „Invasion der Ausländer“ samt Anleitung, wie man Plastiksprengstoff und Rohrbomben baut.

Experten und Sicherheitsbehörden hatten nach Bekanntwerden der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) im Jahr 2011 wiederholt vor dem Entstehen neuer Neonazi-Terrorzellen auch in Brandenburg gewarnt.

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