Rot-Rot-Grün: Millionen für Pädagogen an Berliner Brennpunkten
300 Euro im Monat für Lehrer, eine vorgezogene Gehaltserhöhung für Erzieher: So will Berlins Koalition die Schulen im sozialen Brennpunkt stärken.
Die Rechnung war schwierig. So schwierig, dass Koalition und Senat darüber neun Monate lang debattieren mussten. Nun aber scheint die Lösung greifbar: Nicht nur Lehrer, sondern auch Erzieher sollen von den mehr als 17 Millionen Euro profitieren, die Rot-Rot-Grün im Doppelhaushalt 2018/19 für Gehaltszuschläge in Brennpunktschulen vorgesehen hatte. Es wäre das erste Mal, dass Berlin eine derartige Zulage zahlt.
„Wir wollen die notwendige Gesetzesänderung gleich zu Beginn der Sitzungszeit auf den Weg bringen, so dass wir noch vor Ende 2018 mit der Zulage rechnen“, teilte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasic, dem Tagesspiegel am Wochenende auf Anfrage mit. Demnach könnten rund 2000 Lehrkräfte etwa 300 Euro pro Monat zusätzlich erhalten. Bei den Erziehern hingegen ist keine bestimmte Summe vorgesehen. Stattdessen soll bei Ihnen die nächsthöhere Gehaltsstufe zeitlich vorweggenommen werden: „Das kann bei jeder Person anders ausfallen – zwischen 70 und 350 Euro“, erläutert die Weddinger Abgeordnete.
Ein Lockmittel für die Brennpunkte
Im Detail ist allerdings noch einiges zu klären – auch die 300 Euro für die Lehrer stehen noch nicht endgültig fest. „Wir haben das letzte Gespräch mit der Senatsverwaltung für Finanzen noch nicht geführt, ich hoffe aber, dass wir es schaffen, dass es bei der vereinbarten Höhe von 300 Euro bleibt“, betont Lasic. Sie hatte die Brennpunktzulage innerhalb der Koalition aus zwei Gründen vorangetrieben: zum einen als Zeichen der Wertschätzung für die Pädagogen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, und zum anderen als Anreiz für ausgebildete Lehrer, sich für eine Brennpunktschule zu entscheiden. Denn der Lehrermangel hat dazu geführt, dass sich Quereinsteiger in den Brennpunkten ballen.
Arbeitsentlastung oder mehr Geld?
Als die rot-rot-grünen Bildungspolitikerinnen Ende November die Zulage für Brennpunktlehrer von jährlich 8,6 Millionen Euro einhellig ankündigten, war nicht absehbar, dass die Diskussion so lange dauern würde. Dann aber begannen die Probleme. Die erste Verzögerung hing damit zusammen, dass nicht klar war, wie groß man den Kreis der Schulen ziehen sollte: Sollten viele Lehrer einen kleinen Zuschlag oder wenige Lehrer einen größeren Zuschlag bekommen? Damit zusammen hing die Frage, ab welcher Armutsquote die Schulen profitieren sollten: Ab 75 Prozent Hartz-IV-Quote ihrer Schüler, ab 80 oder ab 85 Prozent?
Mitten hinein in diesen Klärungsprozess kam im Februar die Überlegung, dass den Brennpunktlehrern mit einer Arbeitsentlastung in Höhe von zwei Unterrichtsstunden mehr gedient sein könnte als mit einer Zulage. Daher wurde die Zulage zunächst verworfen – bis im Mai die Bildungsverwaltung klar machte, dass es wegen des Lehrermangels gar nicht möglich sein würde, den Brennpunktlehrern zwei Stunden Unterrichtsverpflichtung zu erlassen. Denn wenn 2000 Lehrer jeweils zwei Wochenstunden weniger unterrichten, braucht man rein rechnerisch rund 150 Lehrer zusätzlich – Lehrer, die Berlin nicht hat.
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Der Lehrermangel gab den Ausschlag
Inzwischen ist die Lage sogar noch ernster als im Mai: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) musste bekanntgeben, dass sich die Lehrerlücken dieses Jahr noch nicht einmal mit Quereinsteigern schließen lassen. Der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann geht mittlerweile davon aus, dass „hunderte Lehrer ohne volle Lehrbefähigung“ (LovLs) – also Lehrer ohne Studium in einem Unterrichtsfach der Berliner Schule – die Lücken stopfen werden, wie er am Freitag im Gespräch mit dem Tagesspiegel ankündigte. Damit wäre die Situation noch wesentlich ernster als 2017.
Hunderte Lehrer ohne Fachwissen?
Angesichts des Lehrermangels bleibt der Koalition also nichts Anderes übrig, als die 17 Millionen Euro in Form einer Zulage auszugeben – wie ursprünglich vorgesehen. Wobei im Laufe der Diskussion die Stimmen lauter geworden waren, die sagten, dass es nicht tragbar sei, einseitig den Lehrern das Gehalt zu erhöhen, wenn die Erzieher an Brennpunktschulen schon jetzt nur halb soviel Geld wie sie verdienen.
Das Geld reicht für rund 50 Schulen
Die Erzieher zu berücksichtigen, ist inzwischen finanziell möglich, denn dadurch, dass die für 2018 vorgesehenen Millionen noch gar nicht angetastet wurden, ist Geld quasi übrig. Inzwischen ergab, so Lasic, die Rechnerei, dass das Geld für alle Lehrer und Erzieher an rund 50 Schulen reichen könnte – und zwar an jenen Schulen, die mehr als 80 Prozent Hartz-IV-Kinder haben. Die übrigen rund 600 allgemeinbildenden Schulen haben weniger Schüler aus armen Familien: Der berlinweite Durchschnitt liegt bei rund 35 Prozent.