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© Foto. ddp

Die Zukunft des ICC in Berlin: Millionen für ein silbernes Nichts

Am 9. April findet die letzte Veranstaltung im Berliner ICC statt - vorerst. Und dann? Ein Abriss ist unmöglich, ein Umbau schwierig. Selbst das verwaiste Gebäude wird Berlin Geld kosten. Drei Szenarien sind denkbar.

Licht aus und Tür zu! So einfach ist es nicht, das Internationale Congress Centrum (ICC) am Messedamm dicht zu machen. Nach der Aktionärsversammlung von Daimler am 9. April, der letzten Veranstaltung in Berlins berühmtem Kongressbau, wird es wohl noch eine Weile dauern, bis das gigantische Gebäude stillgelegt ist. Es darf nicht schimmeln, nicht brennen und die Wasserrohre müssen halten. Einbrüche sollen verhindert werden. Experten arbeiten seit Sommer 2013 an einem „Stillstandskonzept“. Es könnte bis Ende dieses Jahres dauern, bis sich das ICC im Leerlauf befindet. Aber diese Zukunft ist wohl noch das realistischste Szenario. Ein Überblick:

Die Stilllegung

Jürgen Nottmeyer, der als leitender Baudirektor des Senats für Planung und Fertigstellung des ICC bis zur Eröffnung am 2. April 1979 verantwortlich war, schätzt die Kosten des Stillstands auf „mindestens 1,5 Millionen Euro jährlich“. Außerdem müssten vorab zwei bis drei Millionen Euro für die fachgerechte Schließung in die Hand genommen werden. Das deckt sich mit internen Schätzungen des Senats und der landeseigenen Messe GmbH. „Ein größtmöglicher Erhaltungszustand ist zu sichern“, fordert Nottmeyer, der schon lange im Ruhestand ist. Aber sein Herz schlägt für das ICC.

Der 320 Meter lange Bau, der einen Raum von einer Million Kubikmeter umschließt, ist nicht nur ein Gebäude, sondern auch eine riesige Maschine. Deshalb kann nicht einfach alles abgestellt werden, das würde schnell zur Zerstörung des ICC führen. Brandschutz, Heizung und Belüftung müssen funktionsfähig bleiben, ebenso Teile des Stromnetzes, alle Wasserleitungen und die Sprinkleranlage. Vor allem die Rohrnetze würden sonst verrotten. Weitgehend stillgelegt werden können die Bühnentechnik, Aufzüge und Rolltreppen, Küche und Kühlräume.

Es geht auch nicht ohne Personal: technische Inspektoren, Wachschützer und Putzkräfte. „Man kann den Bau nicht sich selbst überlassen“, sagt Nottmeyer. Gemeinsam mit dem Diplom-Ingenieur Rainer Tepasse, Chef der Deutschen Gesellschaft für Anlagensicherheit und Projektmanagement, tüftelt er an Konzepten mit dem Ziel, das ICC nicht sterben zu lassen. Beide schlagen vor, das stillgelegte Gebäude für interessierte Besucher teilweise geöffnet zu halten. Mit Führungen durch das ICC, Infoständen, Galerie und kleinen Läden, Restaurant und Dachgarten. So ließe sich der „finanzielle Aufwand für die Stilllegungszeit positiv nutzen“.

Der Umbau

Ein schlafender Riese soll das Kongresszentrum nicht bleiben, sondern mithilfe der öffentlichen Hand und eines privaten Investors saniert, modernisiert und zu neuem Leben erweckt werden. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer will bis Mai verkünden, ob es wirtschaftlich tragfähige Nutzungskonzepte gibt. Mit einem Dutzend Unternehmen wurden Gespräche geführt, auch mit Branchenführern für Shopping-Center. Darunter sind wie berichtet ECE und MfI, die auch in Berlin solche Zentren betreiben. Diese Investoren warten aber erst ab, wie die Ausschreibung aussieht, danach werden sie mit spitzem Stift nachrechnen, ob sich die Großinvestition ins ICC lohnt.

Gedacht wird an einen Nutzungsmix aus gehobenem Einzelhandel, Hotelbetrieb und Messefläche. Dafür müsste das Gebäude aber teilweise umgebaut werden. „Das geht nicht“, sagen Nottmeyer und Tepasse, die das ICC in- und auswendig kennen. Jedenfalls nicht mit vertretbarem Aufwand. „Dimensionen, Größe und Komplexität der baulichen Konstruktion lassen Eingriffe für andere Nutzungen nur mit erheblichen Kosten zu“. Am ehesten ließe sich noch das Parkhaus umbauen, aber das wird gebraucht. Es gibt in der Gegend viel zu wenig Parkplätze. „Außerdem ist die Lage für einen Hotelbetreiber nicht attraktiv“, sagt Nottmeyer.

Der Abriss

Das wäre die Notlösung. Zeitweilig dachte der Senat darüber nach, das ICC mit den Wurzeln aus dem märkischen Sand zu reißen. Eine Machbarkeitsstudie der Architekten Gerkan, Marg und Partner (gmp) bezifferte die Kosten vor zehn Jahren auf 30 Millionen Euro. Der ehemalige Krupp-Manager und Stahlbauingenieur Heinz Oeter, der am Bau des ICC beteiligt war, widersprach. Mindestens 90 Millionen Euro werde das kosten. Nottmeyer sagte damals schon: „Alles Quatsch, der Abriss kostet weit über 200 Millionen Euro.“ Der Schätzung schloss sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dann an.

Die Beseitigung des Giganten ist aber nicht nur eine Frage des Geldes. Das ICC gründet 15 Meter tief im Boden, die dicht beieinander liegenden Fundamentbalken aus Stahlbeton sind bis zu vier Meter dick. Darin verankert sind Rundstützen mit einem Durchmesser von 2,50 Meter, die 60 Meter breite Stahlbetonbinder auf Neoprenlagern tragen. Auf ihnen lagert die Ebene mit den zwei großen Sälen und der Bühne. Überspannt wird der innere Gebäudekern von einem tausende Tonnen schweren Stahlfachwerk, dass auf den riesigen Treppenhäusern ruht.

Der Abriss wäre also eine gewaltige Aufgabe, nicht viel einfacher als der Bau des ICC. Stark befahrene Verkehrsadern wie Stadtautobahn und S-Bahn, Messedamm und Neue Kantstraße müssten für lange Zeit gesperrt werden. Und es drohten bei der Abtragung der Baumassen gefährliche Hebungen und Senkungen des hoch verdichteten Untergrunds. Vom Senat und den Koalitionsfraktionen SPD und CDU wird der Abriss nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezogen. Die Risiken sind zu groß. Der Imageschaden auch. Viele finden das ICC nicht schön, aber es ist ein preisgekröntes Baudenkmal Berlins.

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