Schlechter Umgang in Berliner Wirtschaftspolitik: Unternehmer maulen über Wirtschaftssenatorin Yzer
Die Wirtschaft verfolgt mit Entsetzen, wie die Berliner Politik mit Managern landeseigener Unternehmen umspringt. Welche Strategie hat die Wirtschaftssenatorin.
Eine Woche nach dem Rausschmiss rumort es noch immer in der Berliner Wirtschaft. Natürlich nicht offiziell und öffentlich – es ist ja auch nicht absehbar, wie lange man noch mit dieser Wirtschaftssenatorin kooperieren muss. Aber die Sorge treibt manche um, der Umgang mit Führungskräften landeseigener Unternehmen und Institutionen durch die Politik könnte nachhaltig Schaden anrichten für das Image des Wirtschaftsstandorts – und den Ruf der Berliner Politik.
Cornelia Yzer (CDU) hatte vergangene Woche in ihrer Funktion als Verwaltungsratsvorsitzende der Investitionsbank Berlin (IBB) die sofortige Abberufung des IBB-Vorstandschefs Ulrich Kissing durchgesetzt, weil der, wie schon sein Vorgänger, keine Sozialbeiträge gezahlt hat. Um die Sozialversicherungspflicht zu klären, hatte Kissing eine Statusklage vor dem Sozialgericht angestrengt und die Bank – nach Angaben Kissings – Rückstellungen für eine mögliche Beitragspflicht gebildet. Weil er den Verwaltungsrat nicht informierte, habe er seine Pflicht verletzt und Vertrauen zerstört, begründete Yzer die fristlose Kündigung. Ob die vor dem Arbeitsgericht Bestand hat, ist zweifelhaft. Der gefeuerte Banker hat gute Chancen, zumindest einen Teil des erst kürzlich bis 2017 verlängerten und pro Jahr mit gut 500 000 Euro dotierten Vertrags ausbezahlt zu bekommen.
"So geht man nicht mit Führungskräften um"
Der mögliche materielle Schaden ist indes nur ein Nebenaspekt. „So geht kein Eigentümer mit seinen Führungskräften um“, mault ein Berliner Unternehmer über den Stil der Senatorin, die nicht nur aus nichtigem Anlass einen bewährten Banker abgeschossen habe, sondern sich auch mit der erfolgreichen Führung der landeseigenen Messegesellschaft anlege und dabei eine bewährte Regel missachte. „Ich kümmere mich um die, die es nicht können, und nicht um die, die es können.“ Yzer sucht einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden für die Messe, weil der jetzige, Hans-Joachim Kamp, gegen ihren Willen Christian Göke als Messegeschäftsführer durchsetzte. Yzer hat dem Philips-Manager Kamp das Misstrauen ausgesprochen – aber findet sie jemanden, der gegen Kamp antritt? Bei der Aufsichtsratssitzung am 7. Juli kommt es zum Showdown.
Das ganze Theater drückt jetzt schon auf die Stimmung in der Messegesellschaft. Klaus Wowereit, der Kamp und Göke durchaus schätzt, schaut sich das alles mit zunehmendem Interesse an. „Das tut Berlin nicht gut“, ist in vielen Ecken der Wirtschaft zu hören. Professionalität und Souveränität sowie anständige Umgangsformen werden vermisst.
Yzer hatte beispielsweise gemeinsam mit einem Anwalt Kissing zum Gespräch gebeten. „So geht man nicht mit einem Vorstandsvorsitzenden um“, sagt jemand, der selbst in diversen Funktionen Führungs- und Aufsichtsaufgaben hat. Das mache man unter vier Augen. „Und welcher Spitzenmanager kommt denn noch in ein landeseigenes Berliner Unternehmen? Das tut sich keiner mehr an.“
Warum Yzer eigentlich unkündbar ist
Die einflussreichen Akteure in der Berliner Wirtschaft beobachten zunehmend argwöhnisch ihre Senatorin, die eigentlich – nach dem Scheitern der Vorgängerin Sybille von Obernitz – unkündbar ist. Jedenfalls würde CDU-Chef Frank Henkel ziemlich alt aussehen, wenn er sich eingestehen muss, binnen weniger Jahre zweimal daneben gegriffen zu haben. Eric Schweitzer und Jan Eder, die Chefs der IHK, halten sich noch zurück mit Kritik, weil sie das schlechte Gewissen plagt: Obernitz war ihre Empfehlung gewesen. Wenn die Kammerherren und dazu noch Handwerkspräsident Stephan Schwarz den Daumen senken, wird es aber eng für Yzer. Dieses Trio hat sich Einfluss und Autorität erarbeitet. Alle drei sind politisch ambitioniert und haben ihre Organisationen durch konzeptionelle Arbeit, Studien und Analysen zu Impulsgebern der Wirtschaftspolitik gemacht. Sie füllen dabei auch ein Vakuum, das gewissermaßen historisch bedingt ist: Es gibt in Berlin keine großen Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten mit Gewicht und Strahlkraft. Der letzte Global Player war Schering-Chef Hubertus Erlen, der durchaus auch städtische Belange im Blick hatte und nicht nur die Interessen der Firma. Mit der Übernahme durch Bayer sind indes Schering-Kompetenzen und Entscheidungsträger von Bayer nach Leverkusern verzogen.
Ein ehemaliger Schering-Vorstand ist Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und überaus tüchtig in einer Vielzahl von Ämtern und Funktionen. Stock hat maßgeblich mitgewirkt am Erfolg des Clusters Gesundheitswirtschaft und hat zudem die über viele Jahre lang nicht über das Planungsstadium hinauskommende Fusion von Technologiestiftung und Berlin Partner zu einer Wirtschafts- und Technologieförderung aus einer Hand bewerkstelligt – weniger die Wirtschaftssenatorin, die das gerne für sich beansprucht. Bei den meisten Sitzungen des Fusionsausschusses war Yzer nicht zugegen, was Stock ziemlich gewundert hat.
Rätselraten für Yzers Strategie
Ein Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik war in den vergangenen Jahren die Industrie. Unter dem zehn Jahre amtierenden Senator Harald Wolf (Linke) wurde ein Masterplan Industrie entwickelt mit 34 Projekten, bei Wowereit wurde zudem ein Steuerungskreis eingerichtet, der verwaltungsübergreifend industrierelevante Themen befördert. Yzer hält nichts von Masterplänen und Clustern, der Schwung ist raus aus dem Industriethema. Ende 2013 bekam die Senatorin deswegen Ärger mit Wowereit. Der Berliner DGB-Vize Christian Hoßbach half ihr dann aus der Patsche mit einem Konzept, das Masterplan und Steuerungskreis zusammenführt und nun vom Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, und Yzers Staatssekretär Guido Beermann betreut wird. Seit Monaten ist nichts passiert, was wohl auch an Beermann liegt, der in der Wirtschaft als ahnungslos gilt.
Wo ist die Strategie? Diese Frage ist derzeit häufiger zu hören, wenn man sich über die Wirtschaftssenatorin unterhält. Auch deshalb, weil ihre Personalpolitik so schwer zu verstehen ist.