Kneipe in Berlin-Kreuzberg: „Meuterei“ verweigert Schlüsselübergabe
Die linke Kneipe Meuterei hat ab Samstag keinen Mietvertrag mehr. Doch das Kneipenkollektiv kündigt an, die Schlüssel nicht herauszugeben.
Die Bar ist verraucht, die Musik laut und das Bier günstig. Doch bald soll es damit vorbei sein. Der Eigentümer hat den Mietvertrag der Meuterei in der Reichenbergerstraße 58 nicht verlängert. Über dem Tresen hat deshalb jemand einen Countdown angebracht. Das Display zeigt in roten Zahlen an, wie viele Tage der Bar noch bleiben. Am Freitag steht dort „1“. Was danach kommt, ist ungewiss.
Auch die Szenekneipe Syndikat in Neukölln hat zu Jahresbeginn ihre Schlüsselrückgabe verweigert, ebenso das autonome Jugendzentrum Potse in Schöneberg und das feministische Hausprojekt Liebig34 in Friedrichshain. „Wir reihen uns sozusagen in eine Tradition ein“, sagt Heiko vom Meuterei-Kollektiv. Die Bar müsse auf jeden Fall erhalten bleiben. „Wir wollen ein Zeichen setzen gegen Verdrängung im Kiez“, sagt Heiko.
Von der seien neben Wohnungsmietern auch zunehmend kleine Gewerbe betroffen. Doch man müsse „nicht alles hinnehmen, was auf dem Immobilienmarkt passiert“, meint der Aktivist. Die Meuterei war auch an der Kampagne gegen den Google-Campus beteiligt, der gleich um die Ecke geplant war. Dass der Tech-Konzern im letzten Jahr einen Rückzieher machte, sieht Heiko als Erfolg der Vernetzung von Anwohnern.
Die im Kiez auch als „Meute“ bekannte Kneipe bezog ihre Räume vor zehn Jahren. Damals gehörte das Haus dem angeschlagenen Immobilienimperium des Filmproduzenten Artur „Atze“ Brauner. Doch 2011 wurde es an die Firma Zelos Properties verkauft. Deren Geschäftsführer Goran Nenadic betreibt dem Auskunftsportal Northdata zufolge ein umfangreiches Netzwerk von Immobilienunternehmen. Dutzende Firmen teilen sich eine Postadresse im brandenburgischen Zossen.
Bereits zur letzten Verlängerung bekam die Meute eine Kündigung
In den letzten Jahren hat der Eigentümer alle Wohnungen in der Reichenbergerstraße 58 saniert und als Eigentumswohnungen verkauft. Nur bei der Gewerbeeinheit blieb alles beim Alten. Das Kollektiv habe die Miete stets pünktlich bezahlt, sagt Heiko. Doch der Vertrag muss alle fünf Jahre verlängert werden. Bereits zur letzten Verlängerung habe Nenadic der Meuterei eine Kündigung geschickt. Doch den nachfolgenden Rechtsstreit habe der Eigentümer verloren. Der Vertrag wurde noch einmal verlängert – läuft nun aber am 31. Mai aus.
Bereits vor fünf Jahren habe der Eigentümer der Meuterei angeboten, die Räume selbst zu kaufen, sagt Heiko. Für 300.000 Euro. Dann habe der Eigentümer aber einen Rückzieher gemacht. Inzwischen wäre die Meuterei sogar dazu bereit, die Räume selbst zu kaufen. Die Finanzierung könnte über eine Genossenschaft wie zum Beispiel das Miethäuser-Syndikat realisiert werden, vermutet Heiko.
„Wir wollen aber, das alles so bleibt, wie es ist“
Doch jetzt verlange der Eigentümer mindestens 650.000 Euro. Das entspräche dem mehr als 800fachen einer aktuellen Monatsmiete. Das Kollektiv könne das nicht finanzieren, ohne die Preise massiv zu erhöhen. „Wir wollen aber, das alles so bleibt, wie es ist“, sagt Heiko. Deshalb habe das Kollektiv das Angebot abgelehnt – und angekündigt, die Räume einfach weiter zu den alten Konditionen nutzen zu wollen.
„Ohne die Meuterei würde dem Kiez etwas fehlen“, sagt die Stadtteilarbeiterin Christine Gohlke. Die Bar sei mehr als eine normale Kneipe, sondern vielmehr „ein sozialer Ort“. Einmal im Jahr findet auf der Reichenbergerstraße ein großes Kiezfest statt, das Gohlke mitorganisiert. Die Meuterei sei dabei ein „wichtiger Kooperationspartner“. In den Räumen des Kollektivs finden auch regelmäßig kostenlose Mieter- und Sozialberatungen statt. Das sei eine große Hilfe für viele Anwohner, sagt Gohlke.
Deshalb engagiert sie sich in einer Initiative namens „Leute für die Meute“. Die hat für den Freitag ab 16 Uhr eine Kundgebung in der Reichenberger Straße angemeldet. Sollten die Schlüssel tatsächlich nicht übergeben werden, kann der Eigentümer eine Räumungsklage anstrengen. Die Zelos Properties GmbH in Zossen war kurzfristig nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.