Berlin-Neukölln: Kiezkneipe "Syndikat" enttarnt Immobilienriesen
Ein Neuköllner Kollektiv erreicht nach Kündigung die Hausbesitzer nicht. Dafür findet es Briefkastenfirmen und eine Familie mit tausenden Immobilieneinheiten.
- Laura Hofmann
- Madlen Haarbach
Die Neuköllner Kiezkneipe „Syndikat“ wehrt sich weiter gegen ihre drohende Verdrängung. Das Kollektiv wollte herausfinden, wer Eigentümer ihrer Ladenflächen ist – und stieß dabei auf einen Immobilienriesen, der in Berlin bis zu 6000 Immobilieneinheiten besitzen soll.
Im Sommer wurde der Kneipe nach 33 Jahren der Mietvertrag gekündigt. Das wollten die Macher jedoch nicht einfach hinnehmen: Sie mobilisierten zu Demonstrationen und Protestaktionen, appellierten an das Bezirksamt – und recherchierten in Luxemburg nach der Briefkastenfirma, die in ihrem Mietvertrag stand.
Dabei stießen sie auf 75 weitere Firmen, die alle Briefkästen an der gleichen Adresse besitzen. Hinter all jenen Firmen steckt, so die Vermutung, die Pears Global Real Estate, ein britischer Immobilienriese in der Hand der Familie Pears. Allein in Berlin sollen der Pears laut eigenen Angaben bis zu 6000 Immobilieneinheiten gehören.
„Die erste Spur zur Pears waren die Unterschriften auf einigen Vollmachten, die uns zugesendet wurden“, sagt Christian, ein Vertreter des Syndikats, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung veröffentlichen möchte. Die gleichen Namen wie bei den Unterschriften tauchten in Zusammenhang mit anderen der 76 Briefkastenfirmen auf. Alle ließen sich auch auf die Pears zurückführen. Hilfreich sei hierfür auch ein Blick in das dänische Handelsregister gewesen, in dem die Namen der Eigentümer transparent erkennbar seien.
„Es tut mir leid, das Gespräch ist jetzt beendet“
Versucht man, den Berliner Sitz der Pears zu kontaktieren, wird das Telefon zwar abgehoben. Als der Name „Syndikat“ fällt, erklärt die Dame am anderen Ende der Leitung jedoch nur: „Es tut mir leid, das Gespräch ist jetzt beendet“, und legt grußlos auf. Die deutsche Homepage der Firma ist seit Tagen nicht erreichbar.
Das Syndikat-Kollektiv hat nach eigenen Angaben bislang keine Reaktion von Seiten der Eigentümer erhalten, auch die Hausverwaltung DIM reagiere seit einigen Wochen nicht auf Anfragen und Gesprächsangebote. „Als Hausverwalter handelt die DIM im Auftrag des Eigentümers. Wir können den Sachverhalt nicht kommentieren“, erklärte das Unternehmen auf Tagesspiegel-Nachfrage.
Das Syndikat versucht nun, Mieter der 76 Firmen zu finden, die zur Pears Global Real Estate gehören und deren Namen fast alle auf „Properties“ enden. Dabei zeichnet sich ein Bild ab: In Berlin gibt es mehrere Geschäfte, denen von Pears-Firmen gekündigt wurde, etwa dem Blumenladen „Pusteblume“ in Friedrichshain oder dem „Heimwerk“ in Moabit, ein seit 50 Jahren existierendes Handwerksgeschäft – wie im Kreuzberg – und im Mitte-Newsletter des Tagesspiegels bereits berichtet. In beiden Fällen wurde die Kündigung von der Hausverwaltung Klingsöhr ausgesprochen. Das erwies sich aber als rechtlich nicht zulässig, weil die Verwaltung dafür keine Vollmacht hatte.
Nachdem der Tagesspiegel über Carmen Lessoued-Metzdorf und ihren Blumenladen „Pusteblume“ berichtet hatte, wurde ihr ein Mietvertrag über drei weitere Jahre angeboten. Den lasse sie jetzt zunächst von einem Anwalt prüfen. Michael Mikoleyzcak sollte sein „Heimwerk“ bis Ende des Jahres räumen. Nach der Berichterstattung wurde auch ihm ein neuer Mietvertrag angeboten. „Ich bin erst mal erleichtert“, sagt er. Doch ob er den Vertrag guten Gewissens unterschreiben kann, ist noch unklar.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war von bis zu 6000 Häusern die Rede. Gemeint sind Immobilieneinheiten. Wir haben dies korrigiert.