Streit um Berliner Hausprojekt "Liebig 34": Alternative Räume gehören zu einer lebendigen Stadt
Soll die Berliner Politik ein linkes Hausprojekt vor der Räumung schützen? Kritiker sind entsetzt. Doch die Stadt braucht solche Orte. Ein Kommentar.
Wie viel Freiraum kann, wie viel Freiraum will Berlin sich leisten? Mit seiner Forderung, über einen Ankauf des linken Hausprojekts „Liebig 34“ nachzudenken, hat der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, diese Debatte einmal mehr losgetreten. Timing und Thema passen: Der 1. Mai steht kurz bevor und die steigenden Mieten bewegen Berlin.
All jenen, die reflexartig „Kein Steuergeld für Extremisten“ rufen, muss klar sein: Häuser kann man räumen, Menschen nicht. Sie bleiben und suchen sich neue Rückzugsräume. Selbst ausgesprochen kritische Beobachter von Projekten wie der „Liebig 34“ betonen, dass dort keineswegs nur marodierende Staatsfeinde wohnen. Dort finden Menschen ein Zuhause, die alternative Lebenswege ausprobieren, die Gemeinschaft des Kollektivs der Abschottung hinter der eigenen Wohnungs- oder Haustür vorziehen.
Während die Stadt rasant wächst, werden die Räume für sie immer kleiner. Neben der „Liebig34“ verloren zum Jahreswechsel auch die Kiez-Kneipe „Syndikat“ in Neukölln und die Jugendzentren „Drugstore“ und „Potse“ ihre Mietverträge: Sie alle haben sich über Jahrzehnte etabliert und – weit über die eigenen vier Wände hinaus – für kulturelle Anreize gesorgt. Das lebendige Berlin, das wie kaum eine andere Stadt für alternative Lebensstile, für Freiheit und Toleranz bekannt und beliebt ist, lebt durch sie. Ihr Mosaik besteht aus unzähligen kleinen Steinen. Viele von ihnen sind schon weg. Andere bröckeln gerade ab.