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Langstrecke! Senator Geisel holt schon mal das Kleingeld in der Tram raus.
© imago/Bernd Friedel

Andreas Geisel und seine Pläne für Berlin: Mehr U-Bahn-Linien gibt's erstmal nicht

Verkehrssenator Andreas Geisel hat oft neue Straßenbahntrassen-Ideen. Das bringt ihm Kritik ein: Er müsse bald mal was umsetzen. Und was macht die S-Bahn?

In vier Städten in Deutschland rollt eine klassische U-Bahn. Doch während es in Hamburg, München und Nürnberg konkrete Pläne gibt, die Netze zu erweitern, ist Berlin davon weit entfernt. Zu Recht?

Bauen unter der Erde ist teuer und die Arbeiten dauern lang; verbunden meist mit erheblichen Einschränkungen auch an der Oberfläche. Der 2,2 Kilometer lange Lückenschluss der U 5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor soll 525 Millionen Euro kosten. Mindestens. Straßenbahn-Gleise dagegen sind viel billiger zu haben und schneller zu legen – zumindest theoretisch.

Fünf neue Straßenbahnlinien

In Berlin ist es bisher jedoch nicht gelungen, die Vorteile umzusetzen. Nach der Wende ist das Netz gen Westen nur langsam erweitert worden. Pläne für neue Strecken, zum Teil auf alten Trassen, gibt es seit Jahren – entwickelt von Initiativen wie dem Fahrgastverband Igeb.

Die Senatsplaner konzentrieren sich bisher auf fünf Strecken: Die Verlängerung vom Hauptbahnhof zur Turmstraße. Das Verlegen der Gleise direkt an den Bahnhof Ostkreuz, den Lückenschluss zwischen Adlershof und Schöneweide, den zweigleisigen Ausbau in Mahlsdorf und das Verlegen der Endstation zum dortigen S-Bahnhof sowie die Neubaustrecke vom Alexanderplatz über die Leipziger/Französische Straße bis zum Potsdamer Platz.

Während es für die ersten vier Projekte immerhin bereits zum Teil konkrete Planungen gibt, ist bei der Route zum Potsdamer Platz noch nicht einmal die Streckenführung geklärt. Bauen lassen will Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) ohnehin erst, wenn die Arbeiten an der U 5 abgeschlossen sind – nach derzeitigem Stand Mitte/Ende 2020.

Wir werden um mehr U-Bahn wohl nicht herum kommen, wenn die Stadt im derzeitigen Tempo weiter wächst. Mittlerweile herrscht an allen Ecken der Verkehrsinfarkt: beim Auto, beim Rad. Und der ÖPNV platzt auch aus allen Nähten. Wenn er denn fährt.

schreibt NutzerIn Bellaterra1

"Nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen"

Geisel hat zwar seit seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr mächtig Druck gemacht für den Straßenbahn-Bau auch im Westteil der Stadt, aber bisher ist es bei der Absicht geblieben. Geisel müsse jetzt vom „Ankündigungs- in den Änderungsmodus“ wechseln, fordert Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Es sei an der Zeit, Pläne für ein Straßenbahn-Netz, das den Namen verdiene, auch im Westteil der Stadt zu entwickeln.

Wie bei den Senatsplanern spielt auch bei der Igeb ein weiterer Ausbau der U-Bahn keine Rolle. „Aber die Trassen für Strecken, die früher geplant waren, soll man freihalten“, fordert Wieseke. Planer, die angesichts der Straßenbahn-Euphorie anonym bleiben wollen, haben dagegen schon jetzt Pläne für die U-Bahn: Sie wollen die Lücke der U3 zwischen Krumme Lanke und dem S-Bahnhof Mexikoplatz schließen und die Pläne für eine U-Bahn ins Märkische Viertel und nach Lankwitz wiederbeleben. Alle drei Strecken könnten kostengünstig gebaut werden, argumentieren sie.

Der Bau der U-Bahn könnte billiger werden

Der Grundwasserspiegel, der den Bau der U5 so teuer macht, sei bei diesen vorgeschlagenen Strecken sehr niedrig; bauen könne man im – trockenen – märkischen Sand mit der traditionellen Berliner Bauweise: Grube ausheben, Deckel darüber und darunter weiter bauen. So gäbe es auch nur geringe Einschränkungen für den Auto-, Rad- und Fußgängerverkehr.

Die U-Bahn ins Märkische Viertel und nach Lankwitz?

Die Befürworter sind überzeugt, dass die Kilometerkosten 60 Millionen Euro bis 80 Millionen Euro nicht übersteigen werden. Die Differenz zum Straßenbahn-Bau, der mit 10 Millionen Euro bis 20 Millionen Euro auskommen kann, wäre dann nicht so groß wie beim Bau der U 5. Dafür wäre die U-Bahn aber auch leistungsfähiger als die Straßenbahn, werben die U-Bahn-Freunde. Vor Jahrzehnten gab es für den Weiterbau der U 8 ins Märkische Viertel und der U 9 nach Lankwitz-Kirche schon fast ausgearbeitete Pläne. Nachdem im Westteil der Stadt aber 1984 die BVG im Auftrag des Senats den Betrieb der S-Bahn übernommen hatte, steckte man das Geld in den Wiederaufbau des heruntergekommenen S-Bahn-Netzes. Die U8 schaffte es 1994 nur noch bis zum S-Bahnhof Wittenau. Und Lankwitz mit dem prognostizierten hohen Fahrgastpotenzial ging leer aus.

Wieseke fordert, vor einem eventuellen Weiterbau am U-Bahn-Netz, die Kosten „ehrlich“ zu prüfen. Sie dürften nicht schöngerechnet werden. Die Igeb könne sich dann auch vorstellen, die Lücke Krumme Lanke–Mexikoplatz zu schließen. Auch die Strecke nach Lankwitz könne eine Option sei. Dagegen müsse das Märkische Viertel mit der Straßenbahn erschlossen werden – durch eine Linie von Pankow zunächst mindestens bis zum S- und U-Bahnhof Wittenau. In Senatsplänen taucht diese Verbindung aber bisher nicht auf. Das Verlängern der U 1 von der Warschauer Brücke zum Ostkreuz hat auch nicht Geisel, sondern der damalige Berliner Bahnchef Ingulf Leuschel vorgeschlagen.

Spandau kann nur die Straßenbahn retten

Auch die Probleme mit den überlasteten Bus-Verbindungen in Spandau könnten nur mit einer Straßenbahn gelöst werden, ist Wieseke überzeugt. Bei Bau der U 7 hat man zwar vorgesehen, eines Tages auch die U 2 von Ruhleben bis zum Falkenhagener Feld zu führen, und hat dafür bereits den Bahnhof Rathaus Spandau viergleisig gebaut, doch daran denkt man derzeit nicht. Aber auch für einen Tram-Ausbau gibt es beim Senat keine Pläne.

Selbst der beabsichtigte Weiterbau der S-Bahn Richtung Falkensee oder alternativ ins Falkenhagener Feld ist auch unter Geisels Führung des Verkehrsressorts bisher nicht vorangekommen. Immerhin kann er sich, anders als seine Vorgänger, aber vorstellen, dass auf der Stammbahn zwischen Potsdam, Zehlendorf und dem Potsdamer Platz in vielleicht zehn Jahren wieder Züge fahren könnten, während er für die Siemensbahn eine Nutzung als Rad-Schnellweg nicht ausschließt. Eine Straßenbahn kommt hier jedenfalls nicht in Frage.

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