Berliner Verwaltung: Mehr Personal reicht noch nicht!
Die Berliner Verwaltung braucht strukturelle Veränderungen, meint Hans Altendorf, von 1993 bis 2001 Verwaltungschef der Bildungsbehörde. Ein Gastkommentar.
Schaut man auf die Koalitionsvereinbarung von 2016, das öffentliche Erscheinungsbild der Berliner Verwaltung und die Debattenbeiträge zum Thema in dieser Zeitung, so drängen sich drei Themen für einen Kommentar auf.
Personal
Es scheint allgemeines Einvernehmen darüber zu bestehen, dass eine Aufstockung von Personal an vielen Stellen dringlich geboten und tatkräftig zu realisieren sei. Es fehlt hier die Ergänzung, dass dies zwar eine notwendige, keineswegs aber eine hinreichende Bedingung für die Problemlösung darstellt.
Leider hat sich die (West-)Berliner Verwaltung bis 1990, solange sie über im Bundesvergleich weit überdurchschnittliche Ressourcen verfügte, keineswegs durch eine erhöhte Leistungsfähigkeit profilieren können. Woran das auch gelegen haben mag: Vorsicht ist geboten, von quantitativen Effekten tragfähige Lösungen zu erwarten.
Natürlich sind motivierte und wertgeschätzte Mitarbeiter eine unabdingbare Voraussetzung für gute Verwaltung. Aber dem Bürger geht es zuvörderst um die verlässliche Erbringung von Dienstleistungen auf hohem, mindestens verträglichem Niveau – gern geboten von kompetenten und freundlichen Mitarbeitern. Motivation lässt sich nachhaltig nur herstellen und sichern, wenn sich die Beschäftigten als Teil einer leistungsfähigen Verwaltung wahrnehmen – und nicht als missmutige, unterbezahlte Akteure eines „failing state“.
Wenn sich der von allen erstrebte Zustand nicht so schnell herstellen lassen kann – manches braucht wohl in der Tat seine Zeit –, muss in den Aufbruch, den Mentalitätswandel, nicht nur in die zusätzlich benötigten Fachkräfte investiert werden. Das bedeutet Aufmerksamkeit für das vorhandene Personal; neue Leute sind schneller, als man sich versieht, in die vorhandenen „Kulturen“ integriert.
Anhebungen der Gehälter sind geboten, reichen aber nicht. So sollten die oberen Führungskräfte gezielt dahingehend unterstützt werden, nicht nur im eigenen Fachbereich Spitze zu sein, sondern sich in der Gesamtverantwortung für „gute Verwaltung in Berlin“ zu sehen.
Struktur
Berlin und Hamburg haben sich immer wieder auf verschiedenen Ebenen über geeignete Verwaltungsstrukturen einer großstädtischen Einheitsgemeinde ausgetauscht. Traditionell sind die Kompetenzen der Bezirksämter in Hamburg schwächer ausgeprägt als in Berlin. Ein kleiner Ausdruck dafür ist, dass dem Berliner Bezirksbürgermeister in Hamburg – etwas schlichter – ein Bezirksamtsleiter gegenübersteht.
Das ist aber nicht das Wesentliche. Klarheit in der Aufgabenverteilung, der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten muss verhindern, dass die viel beschriebene „organisierte Unverantwortlichkeit“ herrschen kann. Ob es hier in Berlin ein Regelungs- oder ein Umsetzungsdefizit gibt, bedarf der Klärung. Dass es ein Defizit gibt, erscheint evident.
Bei aller Sympathie für dezentrale Verantwortung, die im kommunalen Regelfall Vorzug genießen sollte, dürfte aber letztlich kein Zweifel daran bestehen, dass der Senat, der Regierende Bürgermeister, für die wesentlichen Angelegenheiten der Stadt und ihrer Entwicklung die politische Verantwortung trägt und deshalb auch mit seinen Senatoren die entsprechenden administrativen Befugnisse haben muss. In vergleichbaren Debatten haben auch die Hamburger Bezirkspolitiker stärkere Kompetenzen reklamiert, als es die gesetzlichen Regelungen vorsehen. Klare Kompetenzverteilungen wissen aber alle zu schätzen.
Krisenmanagement
Eine gute Entwicklung hin zu einer auch öffentlich als leistungsfähig wahrgenommenen Verwaltung kann Versagen und Schlechtleistung in Dimensionen, wie sie in (manchen) Bürger- und Standesämtern, in Kfz-Meldestellen etc. aufgetreten sind, in Zukunft vermeiden. Rat- und Hilflosigkeit im bisherigen Umgang mit diesen Problemlagen könnten aber beendet werden, auch wenn die Entstehung unvorhersehbarer Probleme nicht ausgeschlossen werden kann.
Deshalb bedarf es nicht Senatsklausuren, die sich Wochen später damit befassen, ob und wie eine bezirksübergreifende Hilfestellung sicherzustellen ist, sondern der Etablierung einer Einheit, die bei einer Gefährdung z. B. der kommunalen Grundfunktionen mit Interventionsbefugnis zur Behebung von Missständen ausgestattet ist.
Überbezirkliche Selbstregulierung verdient natürlich den Vorzug – sie müsste aber politisch verantwortlich funktionieren. Deshalb bedarf es auf Senatsebene einer kompetenten Institution zur Prävention und zum Krisenmanagement. Probleme und Unzufriedenheiten wird es mit der öffentlichen Verwaltung immer wieder geben.
Damit kann man auch umgehen. Was in Berlin auffällt, ist, dass politisch zugelassen wird, wenn sich zunächst lokale Probleme zu – jedenfalls partiellem – strukturellen Versagen basaler kommunaler Dienstleistungen entwickeln. Das darf nicht passieren. Es hat ganz schädliche Wirkungen nicht nur für den Ruf der Stadt und ihrer Verwaltung, sondern darunter für die Motivation der Mitarbeiter und die Chancen, qualifizierte und veränderungsbereite neue Kräfte für einen Aufbruch für eine „gute Verwaltung in Berlin“ zu gewinnen.
Hans Altendorf