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Der Turm des Roten Rathauses spiegelt sich in einer Scheibe.
© Sophia Kembowski/dpa

Berlins Verwaltung: Die Macht der Bezirke muss beschnitten werden

Der Zustand der Berliner Verwaltung zeigt: Die Bezirke müssen entmachtet werden. Aber was, wenn die ungenügende Landesverwaltung die Aufgaben übernimmt? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Fast 100 Jahre alt und kein bisschen weise? Die zweistufige Verwaltung, 1920 bei der Gründung Groß-Berlins entstanden, war eine geniale Formel, um die Konflikte zwischen den selbstständigen Städten und Gemeinden zu befrieden. In der verwaltungstechnischen Neuzeit, die in Berlin mit dem Mauerfall begann, hat die Zweistufigkeit die Abläufe zwischen Bezirken und Landesregierung erschwert. Die Stadtgesellschaft hat hier eine offene Wunde, weil sich selbstverständliche Ansprüche der Bürger und die Aufgaben einer dynamischen Stadtentwicklung reiben an einer unflexiblen Verwaltungsstruktur. Das Problem hatte schon der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit 2001 erkannt – die versprochene Verwaltungsreform gab es nie.

Der Zwang, viele Schulen zu bauen oder marode Gebäude durchgreifend zu sanieren, weil Berlin bis 2025 mehr als 80.000 zusätzliche Schüler unterbringen muss, kann deshalb ein Wendepunkt in der Debatte sein. Die Diskussion um eine Reform der zweistufigen Verwaltung haben sich die Bezirke selbst zuzuschreiben – und auch ihr Argument, bei ihnen sei in den Jahren der Berliner Finanznotlage überproportional viel Personal abgebaut worden, zieht heute nicht mehr. Die Krise der Bezirke ist auch eine Folge der eigenen, schlechten Arbeit.

Es ist unakzeptabel, dass Bezirke unterschiedliche Qualitäten von Bürgerdiensten anbieten oder manche Bezirke sich vorbildlich um Aufgaben kümmern, welche in anderen Bezirken vernachlässigt werden. Hamburg, ebenso wie Berlin Millionenstadt und Stadtstaat, wird da zwangsläufig zum Stichwortgeber. Dort sind die Bezirke weitgehend reine Verwaltungseinheiten, in denen Aufgaben exekutiert werden – anders als in Berlin, wo Bezirke eigene politische Entscheidungsgremien mit unterschiedlicher Agenda haben. Es ist daher nicht überraschend, dass die Bezirke den Reformplänen eher ablehnend gegenüberstehen.

Nach dem Mauerfall waren die Bezirke noch gestärkt worden

Nach dem Mauerfall, als eine neue Kompetenzverteilung schon einmal aktuell war, wurden die Bezirke sogar gestärkt. Auch dass die Parteien in den Bezirken ein dichtes Geflecht von Ämtern und Positionen haben, hat Reformen verhindert. Nun stellt sich die Aufgabe noch dringender. Ohne eine Beschneidung der Macht der Bezirke wird es nicht gehen. Dazu ist nicht einmal eine Änderung der Landesverfassung notwendig. Die Grundlage wäre eine pragmatische Bewertung, welche Aufgaben am besten unter zentraler Aufsicht erfüllt werden könnten. Das betrifft den Aufgabenkanon der Bürgerämter, denen dann zentral die Mittel und das Personal zugewiesen werden. Gleiches gilt für die skandalöse Situation der Standesämter, wo in einigen Bezirken junge Familien monatelang auf Geburtsurkunden und Elterngeld warten müssen.

Aber woraus speist sich die Hoffnung, mit der Konzentration auf Senatsebene würde alles besser werden? Denn auch die Landesverwaltung, aus der man gerne die Schuld für alles, was nicht funktioniert, auf die Bezirke abschiebt, steht nicht gut da. Die zentrale Berliner Verkehrslenkung, der es nicht gelingt, die Straßenbaustellen zu koordinieren, ist seit Jahren ebenso ein Ärgernis wie das chronisch desolate Kraftverkehrsamt. Auch beim Thema Schulbau bleibt Misstrauen. Denn die einst nach Hamburger Vorbild angekündigte landeseigene Schulbau-Gesellschaft wird nicht kommen. Dafür gibt es eine Dreiteilung der Aufgabe. Der Neubau wird einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft zugeteilt, weil die schon Fachleute und Erfahrung hat, doch daneben gibt es eine bezirkliche Verantwortung für kleinere Baumaßnahmen und zudem regionale SchulsanierungsGmbHs. Optimistisch stimmt das nicht.

Am Interesse der Berliner an einer Reform sollte der Senat nicht zweifeln. Dazu gehört, dass über zukunftsfähige Bezirksbehörden nicht nur in Fraktionsstuben debattiert wird, sondern die Stadtgesellschaft teilhat. Bei der städtebaulichen Entwicklung der neuen Hauptstadt war das selbstverständlich. Ein Stadtforum ganz neuer Art ist nötig, damit beim Jubiläum Groß-Berlins 2020 die zweistufige Verwaltung auf der Höhe der Zeit ist.

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