15 Prozent offene Stellen: In der Berliner Verwaltung fehlt massiv Personal
Fast 15 Prozent der Stellen in Senatsverwaltungen und Bezirksämtern sind derzeit offen. 2018 müssen 8600 neue Mitarbeiter angeheuert werden. Ist das zu schaffen?
„Ich bin fasziniert, mit welchem Elan die Kolleginnen und Kollegen unter diesen Bedingungen noch ihre Arbeit machen“, sagt Martina Kirstan. Sie ist im Sozialamt Neukölln beschäftigt und sitzt im Vorstand des Hauptpersonalrats (HPR) des Landes Berlin. Zwar habe der Senat das Problem erkannt, das mit der Sparpolitik des vergangenen Jahrzehnts entstanden sei. Der öffentliche Dienst werde wieder personell verstärkt und die Besetzungsverfahren für freie Stellen liefen auf Hochtouren. Aber: „Die Lücken sind so groß geworden, dass sie in absehbarer Zeit kaum zu stopfen sind“, sagt Kirstan.
In den Personalversammlungen, die bis zum Jahresende in den Senats- und Bezirksbehörden stattgefunden haben, wurden fast überall die gleichen Klagen laut. Selbst jene Stellen, die altersbedingt frei werden, können kaum zeitnah besetzt werden. Noch schwieriger sei es, für zusätzliche Stellen qualifiziertes Personal und Büroräume zu finden. Vor allem die Schulen und Kitas, Polizei, Feuerwehr und Haftanstalten, Bau- und Sozialämter, Gesundheits- und Jugendeinrichtungen suchen dringend Personal.
Für diese Mangelberufe wurde bisher nicht genug ausgebildet und viele Bewerber gehen lieber zu Bundesbehörden oder nach Brandenburg. Dort wird in der Regel besser bezahlt. Die Dauer der Besetzungsverfahren, sagt HPR-Vorständlerin Kirstan, sei in der Regel nicht das Problem.
Es fehle schlichtweg an Interessenten, und wenn jemand gefunden sei, der vorher in einer anderen Behörde gearbeitet habe, gehe oft das Geschacher los, bis der neue Mitarbeiter die alte Stelle verlassen könne. „Das kann Monate dauern.“ Und hoch qualifizierte Beschäftigte wanderten gern in andere Bundesländer oder in die private Wirtschaft ab.
Neues Personal, alte Probleme
Auch der Senat weiß, dass es eine Herkulesaufgabe ist, die öffentliche Verwaltung in der wachsenden Stadt Berlin so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben als kommunaler Dienstleister erfüllen kann. Allein in diesem Jahr scheiden etwa 3800 Mitarbeiter altersbedingt aus. Diese Stellen müssen möglichst schnell wieder besetzt werden.
Hinzu kommen im neuen Jahr fast 4800 Vollzeitstellen, mit denen die Landesverwaltung personell aufgestockt werden soll. Das bedeutet, dass allein 2018 rund 8600 neue Mitarbeiter für die Senatsverwaltungen und Bezirksämter angeheuert werden müssen. In den kommenden Jahren sind die Zahlen ähnlich hoch. Im neuen „Personalmanagementbericht“ des Senats, der dem Tagesspiegel vorliegt, spricht Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) von einer „beträchtlichen Herausforderung“. Angesichts der ernsten Lage eine eher zurückhaltende Formulierung.
Denn nach den bisherigen Erfahrungen wird es nicht gelingen, für alle neuen Stellen zeitnah neues Personal zu finden. Obwohl der Senat inzwischen auf beschleunigte Auswahlverfahren, zusätzliche Ausbildung, bessere Bezahlung und massive Werbekampagnen, auch mit Hilfe von Facebook, Twitter und Snapchat setzt. So waren im Juni 2017 von den 108 621 Stellen in der Berliner Verwaltung 3935 Stellen (3,6 Prozent) unbesetzt, teilte die Finanzverwaltung auf Anfrage mit. Davon waren 1533 Stellen länger als ein halbes Jahr vakant.
Hoher Krankenstand in bestimmten Bereichen
Hinzu kommt der hohe Krankenstand, der die öffentlichen Einrichtungen und Behörden unterschiedlich stark trifft. Während die Mitarbeiter an den oberen Gerichten, in der Senatskanzlei und den Finanzämtern meistens putzmunter sind, melden sich die Beschäftigten der Haftanstalten, Polizei und Feuerwehr, aber auch der Ordnungsämter und der Amtsgerichte besonders häufig krank.
In den Bezirksämtern sind es Marzahn-Hellersdorf und Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Pankow, in denen ein ungesundes Klima herrscht. Seit 2007 hat sich der Krankenstand im Berliner Landesdienst deutlich erhöht. 2016 fehlten die Bediensteten im Durchschnitt 37,5 Tage. Für 2017 gibt es noch keine Zahlen.
Die fachlich zuständige Finanzverwaltung weist darauf hin, dass Berlin damit dem Bundestrend der vergangenen zehn Jahre folge. So seien die Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen erheblich gestiegen, und es gebe die These, dass die Höhe des Krankenstands eng verknüpft sei mit der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz.
Die ist im Moment offenbar nicht sehr groß. Außerdem habe der Personalabbau in den vergangenen Jahren zu einer Arbeitsverdichtung geführt, die anfälliger für Krankheiten mache. Gleiches gelte für das kontinuierlich steigende Durchschnittsalter der Mitarbeiter.
Bevölkerungsentwicklung als "Blick in die Glaskugel"
In jedem Fall fehlen die Kollegen, wenn sie krank sind. Rechnet man die vakanten Stellen hinzu, sind in Berlin regelmäßig fast 15 Prozent des theoretisch vorhandenen Personals nicht einsatzfähig. Erschwerend kommt hinzu, dass der Senat bei der Frage, wie viel öffentliches Personal die Metropole Berlin langfristig einplanen sollte, weitgehend im Dunkel tappt.
Die Entwicklung der Bevölkerungszahl, so Finanzsenator Kollatz-Ahnen, „erinnert an mancher Stelle an den Blick in die Kristallkugel“. Deshalb erfordere die Personalplanung ein „hohes Maß an Flexibilität und kreativen Lösungen“. Die Orientierung streng nach Zahlen, Daten und Fakten sei kaum möglich.
Wenn es um die Frage geht, wie viele IT-Fachkräfte die Berliner Verwaltung benötigt, ist der Senat jetzt schon faktenlos. „Es kann angenommen werden, dass weit über 2000 Beschäftigte mit Aufgaben in diesem Bereich befasst sind“, heißt es in einem internen Papier. Nachprüfbare Daten gibt es aber nicht.
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