Bilanz der "Revolutionären 1.-Mai-Demo": Mehr als 150 Festnahmen, 39 verletzte Beamte und ein "Danke Polizei"-Shirt
"Ein überwiegend störungsfreier 1. Mai", bilanzierte die Berliner Polizei Donnerstagfrüh. Bei der "Revolutionären 1.-Mai-Demo" ging es aber etwas rauer zu.
Mehr als 150 Festnahmen, 39 verletzte Beamte - das sind die ersten Zahlen, mit denen die Berliner Polizei am Donnerstag eine vorläufig Bilanz der "Revolutionären 1.-Mai-Demo" vom Vortag zog.
Generell hatte ein Sprecher kurz zuvor auf Anfrage des Tagesspiegels mitgeteilt: "Es war ein überwiegend störungsfreier 1. Mai." Noch habe man nicht alle Meldungen der Nacht aufbereitet, aber größere Zwischenfälle habe es auch in den späten Stunden des politisch aufgeladenen Maifeiertags nicht gegeben.
Brennende Mülltonnen in der Rigaer Straße
Die stärksten Reibungen zwischen Demonstrierenden aus dem linksradikalen, autonomen Milieu und der Polizei gab es bei der "Revolutionären 1.-Mai-Demo", die wie berichtet in diesem Jahr auch die Rigaer Straße führte, eine Hochburg der Hausbesetzerszene.
Norbert Cioma, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte am Donnerstagmorgen über die Ausschreitungen nach der Demonstration: "Dass insbesondere am Endplatz Kolleginnen und Kollegen massiv provoziert, beleidigt, körperlich angegriffen sowie mit Flaschen, Böllern und an anderen Orten auch gezielt mit Steinen beworfen werden, ist armselig und menschenverachtend."
Auch wenn sich der 1. Mai in die richtige Richtung entwickle, könne man unter diesen Umständen noch nicht von einem friedlichen 1. Mai sprechen. Die Polizei habe in den Abendstunden "viele polizeifeindliche Parolen und teilweise schwerste Straftaten sowie lautstark propagierte Sympathien bei Angriffen" auf Beamte erleben müssen.
Die im Vorfeld befürchtete Eskalation blieb allerdings aus. Lediglich zum Ende der Veranstaltung an der Warschauer Brücke, Ecke Revaler Straße wurden einige Flaschen und Steine geworfen.
Die Lage verschärfte sich hier kurzfristig etwas, weil die Demonstranten von hier über die Oberbaumbrücke in Richtung Kreuzberger Myfest marschieren wollte. Das wollte die Polizei aber nicht zulassen.
Cioma bilanziert: "Es gab eine Reihe von brenzligen Situationen, in denen meine Kolleginnen und Kollegen stets kühlen Kopf bewahrt und somit den durchaus spürbaren Wunsch nach Eskalation in Keim erstickt haben." Der GdP-Landeschef wies aber auch auf einen Kulturwandel in der Polizei hin: "Jeder draußen war, hat sich davon überzeugen können, dass die Berliner Polizei längst nicht mehr zum Feindbild taugt.".
In der Rigaer Straße wurden nach Auskunft der Polizei in der Nacht zu Donnerstag auch drei Mülltonnen in Brand gesetzt, vier Polizeibeamte mussten wegen Atemwegsstörungen behandelt werden. Die Mülltonnen wurden von der Feuerwehr gelöscht. Im vergleich zu früheren Jahren verlief diese Demonstration allerdings relativ ruhig.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) zog eine überwiegend positive Bilanz. „Berlin hat auch in diesem Jahr einen weitgehend friedlichen 1. Mai erlebt“, sagte Geisel. „Verantwortlich dafür war die hervorragende Arbeit der Polizei, deren Strategie zu 100 Prozent aufgegangen ist.“ Die Doppelstrategie der ausgestreckten Hand habe dafür gesorgt, dass vor allem die "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" fast ohne gewalttätige Zwischenfälle abgelaufen sei.
Es sei aber nicht hinnehmbar, dass erneut Polizisten bei ihrer Arbeit verletzt wurde. Geisel erklärte: "Die Straftäter sollten endlich begreifen: Die Polizei schützt unsere Grundrechte und die Menschen in Uniform sind Väter, Mütter, Freunde, Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt. Auf die wirft man keine Steine.“
Zugleich wertete Geisel den Ablauf des 1. Mai als positives Signal für die Demokratie. Berlin habe wieder einmal gezeigt, dass es zu Recht die Hauptstadt der Demonstrationen sei, sagte der Innensenator. „Die zahlreichen gut besuchten und friedlichen Demonstrationen und Kundgebungen am 1. Mai waren ein starkes Zeichen für unsere Demokratie", erklärte Geisel. "Wir Berlinerinnen und Berliner können stolz auf uns sein: wir sind politisch, wir sind engagiert und wir wissen, wie man feiert."
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger dankte am Donnerstag den Beamten von Polizei und Feuerwehr für ihren Einsatz am 1. Mai. „Es war beeindruckend zu sehen, wie die die Lage im Griff gehabt haben“, erklärte Dregger.
Der CDU-Fraktionschef hatte sich am Mittwochnachmittag selbst ein Bild vom Geschehen rund um die "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" im Stadtteil Friedrichshain gemacht. Er merkte an, dass sich auch „die weit überwiegende Mehrheit der Veranstaltungsteilnehmer wirklich friedlich verhalten hat“.
Dregger schränkte aber ein, angesichts von Festnahmen und Verletzungen von Polizeibeamten „können wir nicht von einem friedlichen 1. Mai reden.“ Das Vorgehen der Linksautonomen, ihre Demonstration auch diesmal – wie in den Jahren zuvor auch – nicht anzumelden, bezeichnete Dregger als „Straftat und Rechtsbruch“.
Für Aufsehen sorgte Dreggers Auftritt am 1. Mai in Friedrichshain. Dregger trug unter seinem Sakko ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift "Danke Polizei" und CDU-Parteilogo. Dregger berichtete am Donnerstag, er sei sogar von Mitgliedern des autonomen "schwarzen Blocks" gefragt worden, ob sie ihm das T-Shirt abkaufen könnten. Es wurde aber auch beobachtet, wie Dregger am Boxhagener Platz, als die Autonomen vorbeigezogen ist, sein Sakko lieber geschlossen hat.
Dreggers Amtskollegin auf Seiten der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, äußerte sich am Donnerstag ebenfalls zu den Geschehnissen des Vortags. „Zum zweiten Mal in Folge sind die Demonstrationen und Feierlichkeiten so friedlich wie lange nicht mehr verlaufen. Das Ziel, den Tag wieder politischer zu begehen, geht auf“, erklärte Kapek. Sie begrüßte es, „dass sich die Mai-Demos nicht mehr nur auf Kreuzberg konzentrieren, sondern zunehmend in ganz Berlin gefeiert wird“ und dankte allen Beteiligten „für diesen friedlichen und politischen 1. Mai.“
Ihre Gesamtbilanz des 1. Mai will die Polizei am Donnerstagmittag veröffentlichen. Und zwar, wie bereits im vergangenen Jahr, nicht auf einer Pressekonferenz, sondern wegen des relativ ruhigen Verlaufs des Tages nur per schriftlicher Mitteilung.
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Alexander Fröhlich, Lars von Törne, Helena Piontek, Robert Kiesel