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Besucher beim MyFest in Berlin Kreuzberg.
© Mike Wolff

Straßenkunst, Nackensteaks, Smarties mit Rabatt: Das neue Myfest begeistert die Besucher

Das Myfest ist eine fröhliche Party ohne großes Gedränge, bei der sich alle wohlfühlen. Nur die Händler beklagen geringen Umsatz.

Der Typ mit dem weißen T-Shirt und dem „Games of Throne“-Aufdruck trägt ja nicht bloß eine Sonnenbrille und einen schwarzen Vollbart im kantigen Gesicht, das allein sieht schon einschüchternd aus. An seinen Oberarmen wölben sich ja auch noch gewaltige Muskeln, es wäre also grundsätzlich kein Fehler, man hörte auf das, was er so anweist.

Und sein Kommando, in größter Lautstärke, ist klar: „Essen, trinken, weitergehen.“ In dieser Reihenfolge natürlich, er steht ja hinter einem Stand, auf dem Nackensteaks und Bratwürste auf dem Rost liegen, er will jetzt Umsatz machen. Außerdem fuchtelt er noch mit einem Pappteller.

Dumm nur, dass trotzdem alle vorbeigehen. Gut, ein paar Leute auf dem Mariannenplatz bleiben schon stehen, okay, aber weder essen sie noch trinken sie. Aber das Weitergehen, das klappt problemlos.

Dabei sind ja genügend Leute da, im Kern des Myfestes herrscht Betrieb. Ein paar Meter weiter greift ein türkischer Musiker mit mächtigem, grauen Schnauzbart in die Tasten seiner Leier und singt mit größter Intensität und vor vielen Dutzend Zuhörern. Vor der Bühne haben sich die Leute an den Händen gefasst und einen großen Kreis gebildet. Jetzt haben sie erkennbar großen Spaß bei türkischen Tänzen.

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Doch der Steakverkäufer steht für ein generelles Problem von Verkäufern. Es ist nicht knüppelvoll. Es gibt genügend Lücken zwischen den Menschen, man kann problemlos gehen, ohne ständig Schultern einziehen zu müssen oder im Menschen-Stau stecken zu bleiben. Es gibt weniger Verkaufsstände als früher, es gibt weniger Besucher, die durch die Straßen in Kreuzberg, rund um den Mariannenplatz, ziehen, es herrscht eine angenehme, fröhliche, entspannte Atmosphäre. Man hat Platz.

In der Kneipe läuft es besser

Ja, leider, sagt die Wirtin einer Kneipe an der Ecke Naunyn-/Mariannenstraße. Auch sie hätte gerne mehr Menschen, auch sie spürt Einbußen beim Umsatz. „Ich bin Gastronomin, ich verliere hier doch total viel Geld, wenn wenig Leute kommen. Hier ist doch nichts los.“ Naja, es ist 14 Uhr, beste Verkaufszeit, natürlich ist etwas los, nur ihren gefrorenen Joghurt, den sie vor ihrer Kneipe anbietet, den wollen nicht allzu viele Besucher. Die Mutter mit ihren drei Kindern ist eine Ausnahme. Die Kids bekommen den Joghurt mit Smarties und Schokoladensoße sogar mit etwas Rabatt. Zuerst hatte die Wirtin nur einen Jungen mit Sonnenbrille um ihren Stand schleichen sehen. „Der hat kein Geld, der bekommt 50 Cent Rabatt“, sagte sie. Der Junge tauchte dann aber kurz darauf mit seinen Geschwistern auf, also erhielten alle drei Kinder Preisnachlass. Ehrensache.

In ihrer Kneipe läuft es besser, da sitzen die Leute. Vielleicht sind sie ja auch angelockt durch das Angebot, das auf einem Spruchband über dem Eingang angepriesen wird. Unter dem Hinweis „Bier, Wein, Erdbeerbowle“ steht noch: „saubere Toiletten“.

Ein paar Meter weiter sitzen Jürgen Kamlowsky und seine Frau Lüdfye quasi in der ersten Reihe. Sie haben sich an einen kleinen Holztisch vor einer Hauswand gesetzt, so können sie in aller Ruhe die Menschen beobachten, die an ihnen vorbeiflanieren. „Es ist viel ruhiger als früher“, sagt Jürgen Kamlowsky, ein Rentner mit offenem Gesicht und kurzen, grauen Haaren. Das gefällt ihm und seiner Frau, das Entschleunigte und diese überschaubare Menschenmenge. Sie haben ja auch die anderen Zeiten miterlebt, sie wohnen in Kreuzberg, sie kommen jedes Jahr zum Myfest. „Wir lieben Kreuzberg, wir würden hier nie wegziehen“, sagt er.

Später werden sie noch zum Kottbusser Tor gehen. „Wir verbinden das Myfest immer mit einem Spaziergang“, sagt Lüdfye Kamlowsky. Der Spaziergang hat ein klares Timing. Zu den Zeiten, in denen die Demo durch den Kiez zieht, sind sie immer zu Hause. Randale kennen sie nur aus dem Fernsehen. Außerdem habe seine Frau „etwas Angst, wenn es so eng zugeht“, sagt Jürgen Kamlowsky.

Umweltamt hält die Fluchtwege frei

Dann hätte es Lüdfye Kamlowsky auf der Kreuzung Naunyn-/Mariannenstraße sicher nicht gefallen. Da bilden rund 150 Menschen einen großen Kreis. In der Mitte steht ein Straßenkünstler in blauen Hosen und mit breiten Hosenträgern, der mal mit fünf Keulen jongliert, mal seinen Bowler von der rechten Fußspitze auf seinen Kopf wirbeln lässt oder mit einer Fackel hantiert. Und das alles zu ohrenbetäubend lauter Rockmusik, die aus einer Box dröhnt.

Der Typ kommt aus Neuseeland, hat seinen Künstlernamen „Zaktakular“ auf ein großes Schild geschrieben und fragt irgendwann: „Wie viele Leute hier sprechen Deutsch?“ Etwa 15 Hände heben sich. Es ist nicht sonderlich aufregend, was „Zaktakular“ da bietet, aber den Leuten gefällt’s.

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Nicht allen allerdings. Unter den Zuhörern sind auch Mitarbeiter des Kreuzberger Umweltamts, und die sagen „Zaktakular“ freundlich, aber bestimmt, dass er gerne jonglieren darf, aber bitte nicht zu lauter Musik. Die lockt Leute an, die dann den Raum verdichten. Und das ist hier ganz schlecht. Die Ansage des Umweltamts ist durchaus nachvollziehbar. „Die Fluchtwege müssen frei bleiben“, sagt der Mitarbeiter.

Auf der anderen Seite der U-Bahnlinie ist auch alles friedlich. Entspannte Atmosphäre im Görlitzer Park. Keine Musik, nur Spaziergänger und relaxte Menschen. Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes kontrollieren an den Eingängen die Taschen aller Besucher. Glasflaschen und Waffen sind nicht erlaubt. Daran müssten sich heute auch die Dealer halten, sagt ein Wachmann lächelnd. Nach Drogen werde aber nicht gezielt gesucht. Die Priorität liege auf der Sicherheit der Besucher. Auf Twitter gab es auch kritische Stimmen zu dem Partyverbot im Görli. In anderen, nicht kontrollierten Parks, darf der 1. Mai gefeiert werden wie sonst auch.

Frank Bachner, Christoph Kluge

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