Streit um Skulptur: Marx und Engels – wohin im Stadtbild?
Die Dominanz des Marx und Engels-Ensembles ist ein falsches Symbol – Entsorgung wäre es auch. Ein Gastkommentar.
Das Marx-Engels-Denkmal raus aus dem Zentrum der Stadt. Die Anregung stößt ins Wespennest der Empfindlichkeiten in der einstigen Hochburg des Kalten Krieges. Vor einer grundsätzlichen Diskussion wird sich Berlin aber nicht drücken können, nicht nur angesichts des geplanten Wettbewerbes zur überfälligen Neugestaltung des Rathausforums. Marx und Engels sind ein Teil der deutschen Geschichte, über die Kontinente hinweg haben sie die Entwicklung insbesondere des vergangenen Jahrhunderts mit ihrer Weltanschauung wesentlich beeinflusst.
Man kann sie nicht einfach als anachronistisches Relikt einer überwundenen Epoche auf dem Friedhof Friedrichsfelde „entsorgen“ oder möglicherweise in der geplanten Dauerausstellung auf der Spandauer Zitadelle neben dem wieder ausgebuddelten überdimensionierten Kopf von Lenin deponieren.
Respekt und Achtung vor den Vaterfiguren des Sozialismus muss nicht zwangsläufig auch auf die Denkmalanlage auf dem Marx-Engels-Forum übertragen werden, auf den mit dem Standort und dem Gesamtensemble verbundenen Anspruch. Sicher, die überlebensgroßen Bronzefiguren des Bildhauers Ludwig Engelhardt entsprechen nicht den traditionellen Vorstellungen von Heldenverehrung.
Erich Honecker fremdelte wohl auch mit der künstlerischen Ausgestaltung der Figuren. Die zentrale Lage in der Stadt, die Einordnung in die damals neu geschaffene Parkanlage, die mit der Figurengruppe verbundenen Reliefwand mit Darstellung des Frühkapitalismus, die in großen Bogen angeordnetem Reliefs mit Szenen aus einer befreiten Gesellschaft, das alles symbolisiert den unausweichlichen und unumkehrbaren Sieg des Sozialismus. So war es gewollt. Am zentralen Ort in der Stadt demonstriert das Denkmal einen Herrschaftsanspruch, der einer pluralistischen Gesellschaft widerspricht. Deswegen sind nicht die Figuren, wohl aber die gewollte Dominanz des Ensembles ein Relikt aus einer überwundenen Epoche und ein falsches Symbol für die deutsche Hauptstadt. Und mit dem Humboldtforum rückt das alles wieder mehr ins Bewusstsein.
War es nicht eine gütige Fügung, dass das Ensemble im Rahmen von Bauarbeiter zur Seite gerückt wurde, an den Rand geschoben und damit in seinem zentralen Anspruch beschnitten wurde, durch den Fortschritt (im öffentlichen Personennahverkehr)? Möglicherweise haben Mitarbeiter der Bauverwaltung die Umsetzung auch nicht nur als bautechnische Maßnahme begriffen – mit welchem gesellschaftlichen Leitbild auch immer. Ein Schelm jedenfalls, der sich etwas dabei denkt, den Blick von Marx und Engels bei dieser Gelegenheit gen Westen zu richten.
Berlins historische Mitte – vom Fernsehturm zum entstehenden Humboldtforum – soll städtebaulich neu gestaltet werden, angeleitet durch den historischen Stadtplan. Das 1986 eingeweihte Ensemble zur Verherrlichung der DDR-Staatsphilosophie ist mit dem historischen Stadtgrundriss aber inkompatibel. Ein Zurück für Marx und Engels ist damit auch aus städtebaulichen Überlegungen nicht möglich. Entscheidend sind die Vorgaben für den städtebaulichen Wettbewerb.
Es geht um eine angemessene Einordnung ohne den faden Beigeschmack einer staatlich verordneten und allein seligmachenden Philosophie. Wir können sie auch dort lassen, wohin die Baumaßnahmen sie verschlagen haben. Das reiht sie ein: ein mögliches Gesellschaftsbild neben anderen, nicht besonders hervorgehoben aber doch mit Respekt als Teil unserer Geschichte anerkannt.
Eberhard Diepgen (CDU) war von 1984 bis 1989 und von 1991 bis 2001 Regierender Bürgermeister von Berlin.
Eberhard Diepgen