Kartenzahlung in Berlin: Manche mögen's bar
Ein romantisches Abendessen zu zweit endete für unseren Autor mit einer Irrfahrt auf der Suche nach Barem. Die Scheu vor Plastikgeld ist typisch für Berliner Restaurants, Spätis oder Taxen. Wie rückständig!
Nein, so habe ich es mir nicht vorgestellt, das Ende eines schönen Restaurantabends zu zweit. Erst in die eiskalte Nacht hinaus, wo der Winterwind pfeift, während die Liebste allein am Tisch zurückbleibt. Dann fluchend nach einem Carsharing-Auto suchen, das so weit weg steht, dass man halb erfroren dort anlangt. Schließlich mit dem Wagen kilometerweit herumkurven, um eine Bank zu finden und Bargeld zu zapfen. Zwischendurch auch noch ein Anruf der alleingelassenen Frau, die fragt, ob einem was passiert sei oder man vergessen habe zurückzukommen. Romantik? Keine Chance. Und alles nur, weil der Kellner beim Bezahlen entrüstet die EC-Karte zurückgewiesen und Bares verlangt hat.
Ja, wo sind wir denn hier? Ist Berlin nicht sonst so stolz auf seine Weltläufigkeit – gerade in dieser Jahreszeit, da die Berlinale ins Haus steht? Und dann muss man sich – nebenbei: auch kurz vorm Valentinstag – ein Dinner zu zweit versauen lassen, weil man mit Karte zahlen möchte? Nachdem man perfiderweise nicht einmal vorgewarnt wurde, sondern das dicke Ende erst mit der Rechnung präsentiert bekam, begleitet von falschem Bedauern – und dem vermeintlichen Service-Hinweis, dass gleich nebenan ein Geldautomat sei. Dass man dort 5,98 Euro fürs Abheben bezahlen muss, wenn man kein Kunde der zugehörigen Bank ist, sagt der Kellner natürlich nicht. Und das alles nur, weil sich die Restaurantbetreiber die Minibeträge für Kreditkartenzahlungen sparen wollen!
Abba-Mastermind Björn Ulvaeus kam ein ganzes Jahr ohne Bargeld aus
In Schweden unternahm Abba-Mastermind Björn Ulvaeus einmal den Selbstversuch, ein ganzes Jahr lang ohne Bargeld zu leben, nur mit Kreditkarten und anderen bargeldlosen Zahlungsmitteln. Es funktionierte, schrieb er danach, und es sei nicht einmal schwierig gewesen: „Die einzige Unannehmlichkeit war, dass man eine Münze braucht, um im Supermarkt einen Wagen auszuleihen.“ So ist das in der Weltstadt Stockholm.
Im rückständigen Dorf Berlin wäre Ulvaeus brutal schnell gescheitert. Der Einsatz von EC-Karten ist hier ein Glücksspiel. Ob Späti oder Bäckerladen, wer bargeldlos zahlen möchte, macht sich unter den Einwohnern dieses Fleckens keine Freunde. Die Taxi-Innung hat zwar Mitte 2015 mit großer Geste verkündet, dass künftig in allen Fahrzeugen Karten akzeptiert werden. In der Realität aber wird die Stimmung eisig und der Blick des Chauffeurs kalt, wenn man in später Nacht entsprechende Wünsche äußert. „Dann fahr ich mal an der nächsten Bank vorbei“, ist noch die freundlichste Reaktion. Ein Grund mehr übrigens, sich bargeldfrei mittels Carsharing durch die Stadt zu bewegen.
In den Restaurants scheint die Kartenakzeptanz sogar rückläufig zu sein – selbst neu eröffnete Hipsterläden in Szenekiezen bestehen auf Cash. Als ob das global gesinnte Personal in anderen Ländern, in denen das bereits üblich ist, nicht brav mit Karte zahlen würde! Nur in Berlin soll das nicht gehen. Vielleicht, weil sich bare Umsätze besser am Finanzamt vorbeischleusen lassen? Egal, ich bin es jedenfalls leid, mich wegen meiner Zahlungsvorlieben wie ein Kleinkind behandeln zu lassen, das nicht mit Geld umgehen kann: „Sie wussten doch, dass sie essen gehen“, heißt es vorwurfsvoll. „Da hätten Sie doch was abheben können.“ Will ich aber nicht! Wenn ich für ein Essen knapp hundert Euro in einem Berliner Restaurant lasse, möchte ich mir meine Zahlungsoptionen aussuchen können – und nicht belehrt werden!
Auch im Netz wird man mit erhobenem Zeigefinger belehrt
Aber wen wundert die Arroganz der Restaurantbetreiber? Auch im deutschsprachigen Netz wird man schließlich ständig mit erhobenem Zeigefinger belehrt, dass bargeldloses Bezahlen die lokale Kleinökonomie schädige, Konsumenten in die Schuldenfalle führe und überhaupt eine große Anti-Bargeld-Verschwörung im Gange sei, mit der Bürger entmündigt und überwacht werden sollen. Was wieder mal beweist, dass man aus jeder bekloppten Theorie noch eine Haltungsfrage machen kann.
Die Bilanz nach 25 Minuten Geldbeschaffung: Die Liebste im Restaurant fühlt sich vernachlässigt, der Carsharing-Anbieter hat 4,86 Euro verdient, und der Kellner ist sauer, weil er kein Trinkgeld bekommt. Prost Mahlzeit.
Dieser Text erschien am 4. Februar 2017 als Rant im Tagesspiegel-Samstagsmagazin Mehr Berlin.