zum Hauptinhalt
Leihfahrräder von Lidl am Berliner Hauptbahnhof. Noch stehen sie ordentlich in einer Reihe.
© Klaus Kurpjuweit

Berliner Fußgänger in Bedrängnis: Macht mal Platz auf den Gehwegen!

Fußgänger leben in Berlin gefährlich, denn alle anderen machen sich auf ihren Wegen breit: Jetzt auch noch Firmen mit Leihfahrrädern. Ein Kommentar.

Ein Gehweg ist zum Gehen da? Von wegen! Die Fußgänger haben ihr kleines, einst geschütztes Refugium in Berlin längst verloren. Wo Passanten bummeln konnten, versperren ihnen heute Fahrräder den Weg. Sie stehen kreuz und quer; gelegentlich liegen sie auch flach – und nehmen noch mehr Platz weg. Manchmal so viel, dass man sie selbst aus dem Weg räumen muss. Alles schon passiert.

Bisher waren es meist gedankenlose Anwohner, die so den Weg versperrten. Inzwischen ist eine Armada von Leihrädern auf den Bürgersteigen angekommen. Erst stellte die Bahn mit ihren von Lidl gesponserten grünen Rädern die Flächen zu. Das finanziell vom Senat geförderte Konkurrenzunternehmen Nextbike setzt zwar auf feste Stationen, lässt es aber auch zu, die Räder einfach woanders abzustellen. Und so stehen auch die blauen Gefährte wild auf den Gehwegen.

Ich will nicht warten, bis die Räder sich zu Bergen türmen

Nun sind auch noch asiatische Unternehmen auf den Dreh gekommen: aus Singapur und China. Warum nur? Das Mietgeschäft lief schon bisher nicht gut. Und wenn die Firmen nur unsere Daten haben wollen, wie manche vermuten, haben die auch technisch miserablen Räder hier nichts zu suchen. Der Gehweg ist kein Parkplatz und auch kein Hindernisparcours. Ich will nicht warten, bis sich die Räder zu Bergen türmen, an denen man nicht mehr vorbeikommt – wie es bereits in asiatischen Städten vorkommt.

Dabei kam die kleine Invasion erst in der kalten Jahreszeit. Wenn die Anbieter auch hier bald so aggressiv auftreten wie im Sommer in München, wird der Gehweg zum Radweg. An der Isar sprach man schon von einer Fahrrad-Flut, die sich nun auch durch Berlin wälzen könnte. Tolle Aussichten!

Es reicht doch schon, wenn Gastwirte Stühle, Bänke und Tische auf den Gehwegen aufbauen. Sie nerven gewaltig, wenn man sich durchschlängeln muss und es dann auch noch auf dem schmalen frei gelassenen Weg ständig zu Rempeleien mit der hilflosen Bedienung kommt – wie etwa an der Bleibtreustraße in Charlottenburg. Dass Mitarbeiter des Ordnungsamtes gelegentlich nachmessen, ob die Tische wie vorgeschrieben stehen und nicht über den genehmigten Platz hinausragen, ist ein schwacher Trost. Die verlängerte Kneipe oder das erweiterte Restaurant will ich nur sehen, wenn auch genügend Platz vorhanden ist.

Keineswegs sitzt immer ein Rambo auf dem Sattel

Abgestellte Räder und aufgestellte Tische haben aber einen Vorteil: Sie bewegen sich nicht. Kommen die Räder nämlich in Fahrt, wird es auch nicht besser. Zu viele Radler umkurven rücksichtslos die Fußgänger. Wie Slalomstangen. Und kommen nach eigenen Eindrücken vorwiegend von hinten oder schießen an einer unübersichtlichen Ecke hervor.

Keineswegs sitzt immer ein Rambo auf dem Sattel. Nein, es sind auch Ältere, die den Gehweg zu einer Rennpiste machen. Die Geschlechter sind gleichmäßig vertreten. Frauen am Lenker sind genauso rücksichtslos wie Männer. Und wer wagt, auf das Unrecht hinzuweisen – schließlich ist das Radeln auf dem Gehweg für Erwachsene verboten, wenn sie nicht ein Kind begleiten –, kann sicher sein, auch noch beschimpft zu werden, wie die eigene Erfahrung zeigt. Ernst gemeinte Entschuldigungen sind selten zu hören, auch wenn man gerade beinahe umgefahren worden ist.

Der Gehweg muss wieder Gehweg sein

Besonders toll treiben es die Kuriere, die auf Rädern unterwegs sind. Zeit ist Geld. Und Zeit spart man häufig, wenn man die Strecke auf Gehwegen abkürzen kann. Dann wird ohne Warnung überholt und geschnitten. Wer einen Schritt zu viel macht, ist geliefert. Ohne Blick zurück ist es auch nicht ratsam, einen Schritt zur Seite zu machen. Man muss immer mit einem heranrasenden Radler rechnen, den man zuvor nicht hören konnte. Dass es eine Klingel gibt, scheint in Vergessenheit geraten zu sein.

Andererseits gäbe es aber bei der Vielzahl der Radler auch ein herrliches Konzert, das nicht jeder hören will. Die einfache Lösung: Die Räder müssen weg von den Gehwegen; egal ob sie nur rumstehen oder bewegt werden. Der Gehweg muss wieder Gehweg sein.

Oder brauchen wir Fußgänger, um uns zu schützen, wirklich einen Rückspiegel?

Der Berlin-Monitor zeigt Ihre Meinung zu den großen Themen der Hauptstadt. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite