Radfahren in Berlin: Wie es sich mit den neuen Lidl-Bikes fährt - ein Selbstversuch
3500 Lidl-Bikes stehen seit dem Wochenende auf Berliner Straßen. Gemietet werden können sie per Smartphone. Funktioniert's? Wir haben es getestet.
Nach dem Wochenende waren sie plötzlich da. Bereits auf dem Weg zur Arbeit sehe ich sie an jeder Ecke stehen. Aufgereiht säumen sie die Straßen, 3500 an der Zahl. Die neuen Lidl-Bikes. Sie sind die neue Offensive auf dem Bikesharing-Markt. Dafür kooperiert die Supermarktkette mit der Deutschen Bahn. Die hatte wiederum im vergangenen Jahr den Kampf um Senats-Fördermittel gegen den Leipziger Konkurrenten Nextbike verloren. Doch auch ohne die Unterstützung aus der Politik wagte man nun den Schritt auf den umkämpften Berliner Markt. Kann das Angebot überzeugen?
Alles beginnt und endet bei der App. Ohne sie funktioniert nichts. Auf den gängigen Plattformen für Smartphones ist sie leicht zu finden und schnell installiert. Bevor es losgeht, muss ich mich nur noch registrieren. Als treuer Bahncard-Kunde kann ich dabei den ermäßigten Basistarif wählen. Für den ganzen Tag zahle ich 12 Euro – ohne Bahncard wären es 15 Euro. Ansonsten gilt: Jährlich werden drei Euro Grundgebühr berechnet, die erste halbe Stunde kostet 1,50 Euro, jede weitere ein Euro.
Probleme bei der Registrierung
Das Summen in der Tasche bringt die frohe Botschaft: Der Registrierungscode ist da – doch losfahren kann ich noch lange nicht: „Bei der Bestätigung ihres Accounts ist ein Problem aufgetaucht.“ Ein Anruf bei der Servicehotline erweist sich als erste Geduldsprobe: Warteschleife. Minutenlang dudelt mir eine entspannte Melodie ins Ohr, während ich im frischen Märzwind ausharre. Ich nutze die Zeit und suche nach einem freien Rad.
Am Anhalter Bahnhof finde ich ein einziges Exemplar. Zwischen den Blechlawinen aus jahrelang vergessenen Rädern wirkt es mit seinem Design – übrigens ohne Lidl-Einkaufskorb – beinahe futuristisch. Wie ein Raubtier seine Beute bewache ich meinen Fund. Gewillt das Fahrrad gegen potenzielle Konkurrenz zu verteidigen. Dann endlich meldet sich ein Mitarbeiter am Telefon.
Einfache Bedienung
Der Rest ist einfach: Ich muss lediglich die Nummer des Fahrrads in eine Suchmaske der App eingeben, so bekomme ich den Code für mein Gefährt. Den gebe ich auf einem kleinen Bildschirm am Lenker ein. Angeblich funktioniert die Entsperrung auch telefonisch. Aber darauf verzichte ich jetzt gerne.
Geschafft, das Schloss springt auf. Der Sattel ist im Nu auf meine Größe eingestellt. Endlich kann ich die noch unberührten Pedale treten. Zeit für den ersten Funktionstest. Die Klingel ist laut genug, um sich den Weg durch die erste chinesische Touristengruppe zu bahnen. Und als dann doch einer von ihnen auf den Fahrradweg ausschert, erweisen sich die Bremsen als gut eingestellt.
Schleichwerbung auf Rädern
In einer Fensterscheibe spiegelt sich das große gelb-blau-rote Discounteremblem. Groß prangt es an beiden Seiten des Rads. Eigentlich müsste ich bezahlt werden für meine Werbefahrt. Erste spöttische Blicke einer Jugendgruppe. Auf meiner einstündigen Tour durch Kreuzberg und Mitte treffe ich keinen einzigen weiteren Lidl-Bike-Fahrer. Noch hat sich das Angebot wohl nicht herumgesprochen. Am Potsdamer Platz stehen die Räder reihenweise und sichtlich ungenutzt.
Das fabrikneue Glänzen hebt sich vom schäbigen Look der touristischen Leihräder ab, die in unmittelbarer Nähe stehen und auf die sich wohl kaum ein Berliner jemals freiwillig setzen würde – obwohl sich die Tagesmiete kaum vom Lidl-Preis unterscheidet. Im Gegensatz zur Konkurrenz von Nextbike sollen die Lidl-Bikes für einen Aufpreis von 50 Cent überall abgestellt werden können. Die können andere Nutzer dann wie beim Geocaching, der urbanen Schnitzeljagd mittels GPS-Koordinaten, mithilfe der App finden. Ob das wirklich funktioniert? Ich mache mich auf die Suche.
Mit der App zum Rad
Gebannt schaue ich auf mein Handydisplay, drücke wiederholt die Schaltfläche zur Aktualisierung. Dann endlich erscheint ein Fahrrad-Symbol vor der Mall of Berlin am Leipziger Platz. Seit einer Minute soll dort Fahrrad Nr. 15147 auf die Benutzung warten. Schnell schwinge ich mich auf den Sattel und eile hinüber. Als in der App mein Aufenthaltsort mit dem des Fahrrads übereinstimmt, stehe ich mitten in einer Blumenrabatte vor dem Shoppingcenter. Von einem Lidl-Fahrrad jedoch ist keine Spur. Eine feste Leihstation wäre mir dann doch lieber.
Ich mache mich langsam auf den Rückweg zum Anhalter Bahnhof. An einer Bäckerei halte ich kurz. Das Display fragt mich, ob ich eine Pause machen möchte. Gerne nehme ich das Angebot an. Kein Passant kann mein glänzendes Gefährt in Beschlag nehmen, denn ich bleibe eingebucht.
Am Ende meines Ausflugs überkommt mich mein Sinn fürs Sparen. Die 50 Cent will ich behalten und halte darum nach einer Rückgabezone Ausschau – angeblich gleich vor der Redaktion. Auf der Karte ist aber nicht klar erkennbar, wo sie beginnt. Schließlich stelle ich das Rad vor dem Gebäude ab und vertraue auf die Technik. Gegen Abend steht es noch immer da. Die nächsten Schnitzeljäger lassen noch auf sich warten.