zum Hauptinhalt
Als die Polizei die Demonstration räumen wollte, kam es zu Ausschreitungen.
© dpa
Update

Nach tödlichem Schuss der Polizei: Linke Szene macht in Friedrichshain mobil

Am Freitag hat ein Polizist eine Frau erschossen. Sie kommt aus dem Umfeld der linken Szene in Friedrichshain. Nun gab es erste Proteste.

Als weitere Einsatzkräfte nach dem tödlichen Schuss auf Maria B. in der Wohnung in Friedrichshain eintrafen, war ihnen die Brisanz sofort klar. Sie fanden Antifa-Fahnen. Und es wurde schlimmstes befürchtet: Ausgerechnet vor der Demonstration von Linksextremen in Leipzig hat ein 28 Jahre alter Polizeimeister eine 33 Jahre alte Frau in ihrer Wohnung erschossen, die zum Umfeld der linken Szene in Friedrichshain gehören soll.

Der Fall wurde in der Polizei mit höchster Sensibilität behandelt, gleich an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Es sollte keineswegs der Eindruck erweckt werden, so erklärt es ein Sprecher, dass etwas vertuscht werden könnte. Ermittelt wird nun – standardmäßig – wegen vorsätzlicher Tötung. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der Fall als Notwehr einzustufen ist und der Gebrauch der Schusswaffe gerechtfertigt war.

Bereits am Samstag hatte der Tagesspiegel bei der Polizei angefragt, ob sie sich zu den gefundenen Antifa-Fahnen äußern könne. Doch die Polizei konnte dazu keine Auskunft geben. Auch nicht zur Frage, ob die Frau, die wegen Drogendelikten polizeibekannt war, auch durch politische Straftaten aufgefallen war. Nach Tagesspiegel-Informationen soll bei ihr mindestens ein Angriff auf Rettungskräfte registriert worden sein. Die Frau soll auch psychische Probleme gelitten haben.

Der Fall hat sich schnell in der linken Szene herumgesprochen. Am frühen Samstagabend gegen 17.30 Uhr erschien dann ein Beitrag auf der linksradikalen Internet-Plattform „Indymedia“. Von einer „Exekution in Friedrichshain“ war darin die Rede.

[Mehr Infos aus Friedrichshain lesen Sie in unserem wöchentlichen Bezirksnewsletter. Sie können ihn hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Weiter hieß es in dem Betrag: „Maria war im Kiez um den Boxhagener Platz meist mit ihrem Fahrrad und ihrem schwarzen Hund unterwegs. Dass sie wohl auch politisch aktiv war, dafür sprechen die Antifa-Fahnen in ihrer Wohnung, unter denen sie starb.“ Sie sei bekannt gewesen, die Meldung von ihrem Tod auf dem Boxhagener Platz schockiert aufgenommen worden.

Innerhalb von zwei Stunden zur Demo mobilisiert

Etwa zwei Stunden nach Erscheinen des Beitrags gab es dann eine Spontandemonstrationen. Laut Polizei versammelten sich am Samstagabend an der Gabriel-Max-/ Ecke Grünberger Straße in der Nähe des Frankfurter Tors rund 50 Personen. Dabei kam es nach Angaben der Polizei auch zu Ausschreitungen: Es sollen Straßenbarrikaden aus herausgerissenen Verkehrsschildern und Bauzäunen errichtet worden sein.

„Unsere Einsatzkräfte wurden beschimpft, als sie die Versammlung auflösen wollten“, sagte der Polizeisprecher. Auf die Fahrbahn seien mit blauer Farbe Slogans wie „Rest in Peace Maria“ und „Polizei = Mörder“ geschrieben worden. Die Beamten notierten mehrere Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Die Gruppe flüchtete zum Boxhagener Platz und löste sich auf. Niemand wurde verletzt.

Wie es zu dem tödlichen Einsatz kam

Die Polizei war am Freitagmorgen um 4 Uhr in die Wohnung in der Grünberger Straße gerufen worden. Der Mitbewohner hatte die Polizei alarmiert, weil Marie B. ihn mit einem Messer bedroht haben soll. In der Wohnung soll sich die Frau in ihrem Zimmer aufgehalten haben. Als die Einsatzkräfte die Zimmertür geöffnet haben, soll sie Widerstand geleistet und auf die Beamten mit einem Messer zugelaufen sein. Der 28-jährige Polizeimeister soll noch den Schusswaffengebrauch angedroht haben. Als sie nicht stoppte, feuerte er auf ihren Oberkörper.

Auch Belegschaft rätselt über den Fall

Unter Beamten gilt als Faustregel: Unter sechs Meter Abstand bei einer Person, die auf Polizisten mit einem Messer zuläuft, wird zur Abwehr der Gefahr geschossen. Allerdings wirft der Fall auch in der Belegschaft Fragen auf, etwa ob ein Taser, also ein Elektroschockgerät, nicht das bessere Mittel gewesen wäre.

Bislang sind nur die Spezialeinsatzkommandos und einige Polizisten im Rahmen eines Modellversuchs ausgestattet – und konnten auch schon mit Messern Bewaffnete damit stoppen. Zudem wird nun aufgearbeitet, ob die Beamten von den psychischen Problemen der Frau wussten. Aus der Linksfraktion werden bereits Forderungen laut, das Vorgehen bei solchen Einsätzen grundsätzlich zu überprüfen. Etwa, ob ein Psychologe herbeigerufen werden sollte.

Zur Startseite