Stein- und Flaschenhagel in Leipzig: 13 Polizisten bei Indymedia-Demo verletzt – Aggressionen gegen Journalisten
Etwa 1600 Menschen haben gegen das Verbot von „Linksunten.Indymedia“ protestiert. Doch dann zünden Vermummte Bengalos und Böller und greifen zu Steinen.
Bei der Demonstration gegen das Verbot der Plattform „Linksunten.Indymedia“ in Leipzig ist es am Samstagabend zu Ausschreitungen gekommen. Vermummte Demonstranten zündeten immer wieder Bengalos und Böller. Außerdem rissen sie Pflastersteine aus dem Boden und zertrümmerten das Glas eines Wartehäuschens der Straßenbahn sowie Autoscheiben.
Als an einer Kreuzung in der Südvorstadt ein Stein- und Flaschenhagel auf Polizeiautos flog, stoppte die Demo. Im Laufe der Demonstration wurden nach Polizeiangaben 13 Beamte leicht verletzt. Ob es auch unter den Demonstranten Verletzte gab, war der Polizei in der Nacht zum Sonntag nach eigenen Angaben nicht bekannt.
„In dem Moment, wo Straftaten begangen werden, kann man nicht mehr vom friedlichen Verlauf einer Veranstaltung sprechen“, sagte Leipzigs Polizeisprecherin Silvaine Reiche. Sechs Tatverdächtige seien vorläufig festgenommen worden, weil ihnen unter anderem Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen werde. Anlass der Demonstration war die Verhandlung über das Verbot von „Linksunten.Indymedia“ am Bundesverwaltungsgericht in der nächsten Woche.
Behelmte Polizisten mit Schutzschilden und Demonstranten standen sich nach den Steinwürfen eine ganze Weile gegenüber. Laut Polizei und Versammlungsbehörde hatten sich ungefähr 1600 Menschen an der Demo beteiligt. Angemeldet waren 500.
Linke Gruppen und Netzaktivisten hatten bundesweit dafür mobilisiert. Die sächsische Polizei wurde unterstützt von Einsatzkräften aus Bayern, Brandenburg, Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und der Bundespolizei.
Bedrohungen gegen Journalisten – dabei ging es um Pressefreiheit
Beobachter berichteten auch über Aggressionen gegen Journalisten, obwohl es gerade bei diesem Protest um Pressefreiheit ging. Ein Teil der Demonstranten habe seinen „Gewaltfetisch“ ausgelebt, gerichtet gegen Polizei, kommunales und genossenschaftliches Eigentum und Privatwagen, schrieb der Journalist Thomas Datt bei Twitter. „Eine derartige, auch gewalttätige, Medienfeindlichkeit (ganzer Gruppen) habe ich bei einer linken Demo mindestens 20 J nicht erlebt.“
Auch der MDR berichtete bei Twitter von Bedrohungen. Die freie Journalistin Helke Ellersiek, die in der Vergangenheit auch für den Tagesspiegel gearbeitet hat, beschrieb in einem Tweet anschaulich die Art der Bedrohungen: „Typ in 'Good night white pride'-Pulli sagt ruhig und deutlich hörbar zu mir: 'Noch ein Foto und das Handy ist weg.' Auf Hinweis, dass das eine Demo für Pressefreiheit ist, präzisiert er: 'Noch ein Foto, dann hau ich dir aufs Maul und das Handy ist weg.'“
Die Linken-Politikerin Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete und Mitglied des Leipziger Stadtrats, zeigte sich nach den Gewalttaten entsetzt. „Ich verstehe nicht was das mit den inhaltlichen Zielen, die ich durchaus teile, zu tun hat“, schrieb sie bei Twitter.
Zweiter Protestzug führte in den Stadtteil Connewitz
Nach einigem Hin und Her wurde nach dem Stopp der ersten Demonstration eine Fortsetzung bis nach Connewitz angemeldet. Der neuer Protestzug setzte sich mit 300 Teilnehmern in Bewegung und führte zum Herderpark. Dort löste sich die Versammlung schließlich auf. Zur Höhe des angerichteten Sachschadens konnte die Polizei zunächst noch keine Angaben machen.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz - nicht zuletzt wegen der Eskalation in der Silvesternacht im Stadtteil Connewitz. Dabei waren nach Polizeiangaben mehrere Polizisten angegriffen und verletzt worden, ein 38 Jahre alter Beamter wurde tagelang im Krankenhaus behandelt. Die Ermittler gehen von Linksextremisten als Tätern aus, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes gegen die unbekannten Angreifer.
Bundesverwaltungsgericht verhandelt am Mittwoch über „Linksunten.Indymedia“
An der Einsatztaktik der Polizei und fragwürdiger Kommunikation hatte es anschließend Kritik gegeben. Behördensprecher Andreas Loepki musste seinen Posten räumen, nachdem durch Tagesspiegel-Recherchen bekannt geworden war, dass er auch unter einem Pseudonym bei Twitter in die Debatte eingegriffen hatte.
Am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird an diesem Mittwoch (29. Januar) über Klagen gegen das Verbot der Plattform „Linksunten.Indymedia“ verhandelt. Das Bundesinnenministerium hatte 2017 ein Vereinsverbot erlassen, unter anderem weil auf dem Portal Gewaltaufrufe publiziert worden seien. Bei der Kundgebung am Samstag, die zunächst ruhig begonnen hatte, kritisierten Redner das Verbot als Anschlag auf „linke, emanzipatorische Projekte“. (Tsp, dpa)